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Fracking
Eine unbefriedigende Situation

Fracking, die Öl- und Gasförderung mit hohem Wasserdruck und diversen Chemikalien, ist umstritten. Wie der Einsatz dieser Technik verhindert werden kann, darüber streiten auch Bürgerinitiativen und der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck von den Grünen. Mit der derzeitigen Situation ist keiner zufrieden.

Von Dietrich Mohaupt |
    Ein Acker im Kreis Plön in Schleswig-Holstein – bis in die späten 1990er-Jahre wurde in dieser Region Erdöl gefördert, die Bohrtürme und Förderpumpen gehörten seit den 50er Jahren zum Landschaftsbild. Immer wieder kam es dabei zu Unfällen, häufig verbunden mit Umweltschäden, berichtet Landwirt Heinrich Tietgen. An einem Knick, einer der typischen Wallhecken zwischen den einzelnen Äckern, zeigt er die Folgen. 1969 hatte Heinrich Tietgen das Stück Land gepachtet, auf dem Acker direkt daneben stand bereits eine Förderpumpe.
    "Das muss die ersten 70er-Jahre gewesen sein, da ist aus diesem Förderungsschacht eine circa acht Meter hohe Wasserfontäne – heiß und sehr salzhaltig – über diesen Knick gesprüht."
    Die Spuren sind bis heute unübersehbar, der Knick wirkt auf einer Länge von ein paar Metern regelrecht verkümmert. Damals ging es noch nicht um Fracking, also das Aufbrechen öl- und gashaltiger Gesteinsformationen mithilfe hohen Wasserdrucks und diverser Chemikalien, von dem heute die Rede ist. Aber auch die "konventionelle" Ölförderung konnte verheerende Folgen haben, betont Landwirt Tietgen.
    "Danach war der übliche Strauchaufwuchs auf einem Knick total vernichtet und ist bis jetzt von sich aus nicht wieder entstanden."
    Vielleicht schon in gut drei Jahren soll in der Region Plön wieder Erdöl gefördert werden – entsprechende seismische Untersuchungen sind bereits abgeschlossen. Insgesamt zwölf Aufsuchungserlaubnisse beziehungsweise Förderbewilligungen für ähnliche Projekte im ganzen Land sind bereits vergeben. Diesmal vielleicht auch mit Fracking, auch wenn in keinem der Anträge davon die Rede gewesen sei, sagt der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck von den Grünen. Nur deshalb seien sie überhaupt genehmigt worden.
    "Wir haben in Schleswig-Holstein ein Frackingverbot, für die Zeit der Aufstellung des Landesentwicklungsplans verhängt – und zwar rechtssicher!"
    Dauerhaft lasse sich damit aber Fracking nicht grundsätzlich ausschließen, räumt der Minister ein. Deshalb sei er auch enttäuscht über den gerade vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung. Der sieht unter anderem ein konsequentes Frackingverbot nur für Trinkwasser- und Naturschutzgebiete vor – schon im Ansatz ein Fehler, kritisiert Habeck.
    "Zum einen redet die Bundesregierung nur über das Wasserrecht – wir brauchen aber ein anderes Bergrecht, wir müssen Fracking da regeln oder verhindern oder verbieten, wo es eingeführt wird und eingesetzt wird, das ist das Bergrecht."
    Außerdem gehe es in dem Entwurf nur um Gas-, nicht aber um Ölförderung. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass Frackingvorhaben in Gesteinsschichten bis 3.000 Metern Tiefe zwar prinzipiell untersagt werden sollen, in dem Entwurf aber gleichzeitig zahlreiche Ausnahmen formuliert werden.
    "Ich finde die Vorschläge falsch und völlig unzureichend – das ist einfach politisch feige!"
    Ganz ähnlich sieht das auch Patrick Breyer von den Piraten im schleswig-holsteinischen Landtag – er schlägt aber einen völlig anderen Lösungsansatz vor. Statt – offenbar ja vergeblich – weiter auf eine weitreichende Reform des Bundesbergrechts zu hoffen, solle der Minister lieber das Wassergesetz des Landes so anpassen, dass es für ein Frackingverbot taugt, fordert er.
    "Der Landrat vor Ort muss entscheiden als Wasserbehörde – nicht mehr das Bergbauamt in Hannover. Und es müssen alle Risiken auszuschließen sein – solange ein Risiko noch offen ist, darf nicht genehmigt werden. Anträge sind zu veröffentlichen, wenn das öffentliche Interesse überwiegt. Wir haben ja inzwischen sogar in der Landesverfassung stehen: Anspruch auf Informationszugang, solange nicht das Geheimhaltungsinteresse überwiegt. Genau diese Abwägung verweigert das Bergbauamt, weil es sagt: Die Geschäftsinteressen haben unbedingten Vorrang."
    Diese Kritik richtet sich aber nicht nur an das zuständige Amt in Hannover – sie zielt auch auf das Kieler Umweltministerium als Aufsichtsbehörde. Und das nervt den Minister zunehmend. Immerhin – reagiert haben seine Mitarbeiter inzwischen, nur - es werde nicht viel helfen, weil eben im Bundesbergrecht keine Beteiligung der betroffenen Gemeinden vorgesehen sei, betont Robert Habeck.
    "Wir haben das Verfahren geändert – wir haben den Gemeinden, obwohl das Recht es eigentlich nicht erfordert, die Antragsunterlagen zugestellt. Jetzt wissen sie das Gleiche, was ich weiß, können sich dazu aber nicht als Verwaltungsorgan verhalten. Das ist für die eine unbefriedigende Situation – für mich auch."
    Aus Sicht verschiedener Bürgerinitiativen gegen die geplanten Öl- und Gasförderprojekte in Schleswig-Holstein böte sich dem Minister eigentlich ein ganz simpler Ausweg aus seinem Dilemma. Er müsse allerdings tatsächlich selbst aktiv werden, fordert Reinhard Knof als Sprecher der Initiativen. Vorbild Nordrhein-Westfalen, dort habe die Landesregierung ein Fracking-Moratorium erreicht.
    "Was im Moment erst einmal erfolgen müsste, wäre, dass die erteilten Erlaubnisse und Bewilligungen komplett zurückgezogen und die Verfahren neu aufgerollt werden – unter Beteiligung der Gemeinden und mit dem Ziel, bereits in den Anträgen ganz klar Fracking auszuschließen, wie das in Nordrhein-Westfalen gemacht wird."
    Falsch – hält der Umweltminister dagegen. Das Moratorium in Nordrhein-Westfalen sei nur eine freiwillige Vereinbarung, vorerst auf Fracking zu verzichten – und das reiche ihm nicht. Wenn schon im Land aktiv werden – dann richtig, meint Robert Habeck.
    "Ich denke über eine 'unterirdische Raumordnung' nach. Wir regeln die oberirdischen Kulissen – also wir sagen: Da kann man Kies abbauen, und hier ist Naturschutzgebiet und da ist Landwirtschaft. Wir machen das aber nicht mit dem unterirdischen Grund. Da sagen wir nicht: Hier gibt es Druckluftspeicher für Windkraftanlagen und hier gibt es Erdöl – oder wir versagen das. Wir machen gar nichts, entsprechend gibt es auch keine politische Ordnung. Die kann ich mir gut vorstellen, als Landesgesetzgeber dort einzuführen – aber besser wäre es, wir würden das Bundesbergrecht so reformieren, dass wir eine klare politische Regelung zu Fracking - und wenn es nach mir geht - gegen Fracking haben."