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"Frage der Lohnhöhe nicht mehr so kriegsentscheidend"

Das Bundeswirtschaftsministerium verlangt vom finnischen Mobilfunkhersteller Nokia eine Begründung für die geplante Werkschließung in Bochum. Der von Wirtschaftsminister Michael Glos mit dem Thema betraute Staatssekretär Hartmut Schauerte sagte, das vom Konzern angeführte Argument der Kosteneffizienz sei nicht nachvollziehbar. Nach seinen Informationen liege der Lohnkostenanteil bei Nokia lediglich bei rund fünf Prozent.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Abzocke und Subventionsbetrug. In seltener Eintracht verurteilen Politiker aller Parteien den Entschluss der finnischen Manager, das Bochumer Handy-Werk zu schließen. Doch trotz der politischen Appelle zum Verbraucherboykott sind die Chancen zum Erhalt des Standortes äußerst gering. Die Stimmung in Bochum ist entsprechend gedrückt. Am Telefon nun der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Hartmut Schauerte. Guten Tag!

    Hartmut Schauerte: Guten Tag.

    Heinlein: Herr Schauerte, Wirtschaftsminister Glos hat Sie beauftragt, mit den Nokia-Managern zu reden. Wie kampfesmutig gehen Sie denn in die Verhandlungen mit den Finnen?

    Schauerte: Zunächst einmal möchte ich auch von mir aus sagen: Ich sehe die Betroffenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich sehe die besondere Betroffenheit auch der Stadt Bochum, der Region des Ruhrgebietes. Ich bin Nordrhein-Westfale. Deswegen bin ich auch dankbar, dass ich die Aufgabe bekommen habe, mich um diese Frage besonders zu kümmern. Dennoch gehe ich sachlich vor, denn wir müssen miteinander reden. Ich bin froh, dass wir jetzt in aller Kürze ein Gespräch auf hoher Ebene mit dem Landeswirtschaftsminister, dem Bundeswirtschaftsminister und der Führung von Nokia haben werden. Denn zunächst einmal lege ich großen Wert darauf: Ich möchte klar erkennen und klar hören warum, was die Gründe für die Entscheidung sind, wie die Entscheidung konkret aussieht, denn erst wenn man die Gründe kennt, kann man beurteilen ob es lohnt, noch an einer Veränderung der Entscheidung zu arbeiten, oder ob es lohnt, nun die Folgen dieser Entscheidung für die Menschen und die Region erträglich zu machen - mit dem Unternehmen und auch in Spannung mit dem Unternehmen. Wie dieser Prozess läuft, kann ich wie gesagt erst beurteilen, wenn ich persönlich auch die Hintergründe dieser Entscheidung von der Unternehmensleitung verantwortlich benannt bekomme.

    Heinlein: Aber Nokia hat die Begründung doch bereits genannt. Es wäre einfach kosteneffizienter, in Rumänien zu produzieren. Dort sind die Lohnkosten zehnmal niedriger.

    Schauerte: Das alleine kann es meiner Meinung nach nicht sein, denn wenn die Zahlen richtig sind, die ich habe, ist ja der Lohnkostenanteil bei Nokia gegen fünf Prozent des Gesamtumsatzes. Bei einem so geringen Lohnkostenanteil, wenn diese Zahl stimmt, dann ist die Frage der Lohnhöhe nicht mehr so kriegsentscheidend und nicht allein entscheidend. Da müssen noch andere Gründe benannt werden für diese Entscheidung, nach Rumänien zu gehen, ein Land, das durchaus auch noch entwicklungsnötig ist. Da ist ja auch die Infrastruktur und viele andere Dinge, auch die Cluster-Bildung, die Zulieferer und was nicht alles, deutlich schlechter als in Deutschland. Das würde mir alleine nicht ausreichen.

    Heinlein: Wann werden die Gespräche mit Nokia denn stattfinden, Herr Schauerte?

    Schauerte: Das erste Gespräch werden wir jetzt hier im Wirtschaftsministerium in Berlin führen.

    Heinlein: Wann?

    Schauerte: Ich habe Vertraulichkeit vereinbart. Ich sage in den nächsten Tagen, ganz bald.

    Heinlein: Können Sie den Menschen in Bochum denn Hoffnungen machen, dass der Standort doch noch erhalten werden kann?

    Schauerte: Nein, aber ich gebe auch die Hoffnung nicht auf. Ich will auch keine falschen Erwartungen wecken. Das ist alles Spekulation. Wir arbeiten sehr intensiv an der Auslotung aller Möglichkeiten und geben vorschnell keine Möglichkeit auf.

    Heinlein: Welche Möglichkeiten sehen Sie denn?

    Schauerte: Einmal, dass man aus der Begründung noch mal erkennt, ob vielleicht durch Zusammenwirken der Politik, möglicherweise auch der Belegschaft an der Entscheidung generell etwas geändert werden kann, oder ob Teilentscheidungen verändert werden können mit ganz bestimmten Maßnahmen auf der Zeitschiene oder auf der Arbeitsplatzschiene, also bestimmte Abteilungen, bestimmte Produktionsbereiche und so weiter, und am Ende dann in Richtung Auffanggesellschaft, wenn man so weit kommt, dass die ersten Schritte nicht in ausreichendem Maße wirken.

    Heinlein: Welche Hilfe könnte denn die Politik leisten, Herr Schauerte?

    Schauerte: Zunächst einmal in der Auslotung aller dieser Möglichkeiten und dann sind wir gerade dabei, sowohl auf Landesebene, auf europäischer Ebene wie auf Bundesebene die Instrumente, die wir in der Begleitung hätten, genau auf diesen Fall hin zu überprüfen.

    Heinlein: Können Sie das genauer benennen? Welche Instrumente gibt es denn?

    Schauerte: Es gibt die Möglichkeiten im finanziellen Bereich, im Forschungsbereich, im Infrastrukturbereich, wenn da ein Knackpunkt ist, den man konkret benannt bekommt. Daran liegt es. Dann wird die Politik die Möglichkeit auch haben, an diesen Knackpunkten zu arbeiten.

    Heinlein: Heißt das möglicherweise auch neue Subventionen?

    Schauerte: Das weiß ich nicht. Das passt natürlich auch gar nicht in diese Diskussion. Es kommt jetzt aber nicht darauf an, was passt und nicht passt, sondern es kommt darauf an, was am Ende helfen würde - und zwar nicht nur kurzfristig, sondern mittel- und langfristig. Deswegen sage ich noch einmal: ich will keines der Instrumente - da gibt es noch eine ganze Reihe zusätzlicher Möglichkeiten - jetzt bereits vorher aussortieren. In den Sortiervorgang können wir erst eintreten, wenn wir sehr intensiv im Gespräch mit der Leitung über das hinaus, was bisher öffentlich erklärt wurde, die Gründe kennen, um dann zu analysieren, was können wir anhand dieser neuen Erkenntnisse tun. Wir arbeiten - ich sage es noch einmal - rund um die Uhr sehr intensiv.

    Heinlein: Aber Sie haben mit den Finnen bereits gesprochen?

    Schauerte: Ja.

    Heinlein: Sie haben von einer Auffanggesellschaft gesprochen. Heißt das...

    Schauerte: Nein, davon habe ich nicht gesprochen. Auch solche Möglichkeiten gibt es. Da geht das nämlich schon los. Wenn wir das jetzt so weiterfahren, dann sagt man in Finnland, die Deutschen wollen sowieso nur noch eine Auffanggesellschaft. Dann lassen sie uns über das andere gar nicht mehr reden.

    Heinlein: Aber als Notfall kann es gehen?

    Schauerte: Nein, nein! Eins nach dem anderen! Wer jetzt vorschnell Instrumente, die eigentlich erst später kommen, nach vorne holt, schadet dem Prozess.

    Heinlein: Aber großzügige Sozialpläne, eine zeitliche Streckung der Werksschließung ist eine Möglichkeit, die Sie als Notnagel, als letzte Möglichkeit dann auch noch eventuell in die Verhandlungen einbringen?

    Schauerte: Auch darüber äußere ich mich jetzt nicht weiter, denn dann passiert wieder genau das gleiche wie bei der Auffanggesellschaft. Das ist diese vorauseilende Geschichte. Bevor ich die Anfangsschritte nicht klar habe, rede ich nicht über den Schlussspurt.

    Heinlein: Warum gehen Sie jetzt so zärtlich mit Nokia um?

    Schauerte: Ich gehe nicht zärtlich um!

    Heinlein: Nokia war ja knallhart in ihrer Entscheidung und in ihrer Mitteilung.

    Schauerte: Ich gehe nicht zärtlich mit ihnen um. Ich sage, ich möchte von euch erklärt haben, was hier passiert. Dafür muss ich aber niemanden beschimpfen. Jedermann braucht jedoch auch ein Gesprächsklima, in dem vertrauensvoll miteinander noch mal überlegt werden kann.

    Heinlein: Glauben Sie, dass Sie von Nokia eine andere Begründung hinter verschlossener Tür bekommen werden als das, was der Manager, der Vorstandsvorsitzende am Dienstag gesagt hat?

    Schauerte: Ich spekuliere nicht über Glaubensfragen, sondern führe Gespräche so wie wir sie vereinbaren.

    Heinlein: Das war der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Hartmut Schauerte. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.