Donnerstag, 04. April 2024

Archiv

Francesco Algarotti
Feurig, lebhaft und empfindsam

Francesco Algarotti war damals eine Berühmtheit und wurde in allen europäischen Metropolen gefeiert: Ein Gelehrter aus Venedig, Verfasser einer Reihe von Bestsellern, später Berater der Dresdner Kunstsammlungen. Während in Italien und Frankreich die Werke Algarottis neu aufgelegt wurden, kennt den damals so prominenten Aufklärer bei uns kaum noch jemand.

Von Maike Albath | 03.05.2014
    Ein taubenblauer Mantel mit Fellbesatz, eine passende Schleife, Spitzenjabot und perfekt ondulierte Locken - der venezianische Gelehrte Francesco Algarotti legte durchaus Wert auf seine äußere Erscheinung. Am 11. Dezember 1712 als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns in Venedig geboren, hatte er in Bologna nicht nur Jura, Philologie und Kunstgeschichte studiert, sondern sich auch in die Naturwissenschaften vertieft. Mit gerade einmal 24 Jahren veröffentlichte er ein Werk, das die physikalischen Erkenntnisse Newtons in Form eines geistreichen Dialogs vermittelte: Newtonianismus für Damen.
    "Beruhigen Sie sich, Marchesa, Newton hat das Rätsel gelöst. Die Lichtstrahlen neigen sich, wenn sie den Rand eines Körpers passieren, zum Körper selbst hin, bis sie sogar ein wenig in seinen Schatten eintreten."
    Die leichtfüßige Abhandlung über Licht, Farben und optische Phänomene verbreitete sich in ganz Europa, und Algarotti, der mit seiner intellektuellen Offenheit, seinem glänzenden Stil und seiner Weltläufigkeit selbst Voltaire beeindruckte, reiste von Paris über London bis nach Sankt Petersburg.
    "Die Reisenden sollten die Händler des Geistes und der wechselseitigen Vorzüge sein, die die jeweiligen Nationen besitzen. Glücklich die Gesellschaft, in der sich italienische Fantasie mit englischem Common Sense und französischer Delikatesse vereinen könnte."
    Er selbst schien all dies besessen zu haben, denn als er im September 1739 in Rheinsberg eintraf, war der gleichaltrige Kronprinz Friedrich hingerissen. Francesco Algarotti sei feurig, lebhaft und empfindsam, schwärmte er in einem Brief an Voltaire. Der Venezianer erstattete Voltaire ebenfalls Bericht:
    "Ich habe - oh me beato! - den verehrungswürdigen Prinzen, den Schüler Trajans und Gegenspieler Marc Aurels, gesehen. Zweifellos verdanke ich die Güte, mit der mich der Prinz überhäufte, der Freundschaft, mit der Sie mich beehren, gestatten Sie, dass ich Ihnen meinen Dank ausspreche."
    Friedrich schickte seine Gedichte und Schriften nach Italien und umwarb den enzyklopädisch gebildeten Mann. Er ahnte, dass ihm der neue Freund bald von Nutzen sein könnte, denn sein Vater war schwer krank.
    "Charlottenburg, 3. Juni 1740 Mein lieber Algarotti, mein Schicksal hat sich gewendet. Ich erwarte Sie mit Ungeduld, lassen Sie mich nicht schmachten."
    Dresdner Kunstsammlungen profitierte von Allgarottis Sachverstand
    Der Venezianer folgte dem Ruf des frisch gekrönten Friedrich II. und gehörte von nun an zur Tafelrunde von Sanssouci. Mit seinen vielfältigen Interessen bereicherte er die Tischgespräche. Der König erhob ihn in den Grafenstand. Später wurde Algarotti Berater der Dresdner Kunstsammlungen und ließ mit großem Sachverstand bedeutende Werke erwerben.
    1747 kehrte er aus Sachsen nach Potsdam zurück, Friedrich ernannte ihn zum Kammerherrn, doch so innig das Verhältnis in den ersten Jahren gewesen sein mochte, so prekär blieb das Gleichgewicht zwischen dem Herrscher und seiner Umgebung. Algarotti war es gewohnt, sich auf geistigem Gebiet frei entfalten zu können - Eigentum eines Monarchen zu sein, wurde ihm nach und nach zur Last.
    Durch Friedrichs Zerwürfnis mit Voltaire war er gewarnt. Immer häufiger beklagte der Kammerherr den labilen Zustand seiner Gesundheit, blieb dem Hof fern und sprach von der wohltuenden Wirkung des italienischen Klimas. Der König schickte ihm die besten Ärzte. Nichts half. 1753 hatte seine Hartnäckigkeit Erfolg; Algarotti kehrte in seine Heimat zurück. Politisch Preußen weiterhin gewogen, feierte er Friedrich nach der Schlacht von Lobositz als neuen Cäsar:
    "Sie tragen dazu bei, Sire, dass wir den Geschmack an der alten Geschichte verlieren. Fahren Sie fort, Sire, Caesar vergessen zu machen und das Jahrhundert aufzuklären."
    Andere Postsendungen hatten zivileren Charakter: Algarotti schickte Wein, Brokkoli- und Melonensamen nach Potsdam. Neben seiner Korrespondenz verfasste er Essays, Reiseberichte und Aphorismen, vermittelte unermüdlich deutsche und französische Werke nach Italien und bemühte sich, seine Lungentuberkulose auszukurieren. Vergeblich. Am 3. Mai 1764 starb Francesco Algarotti. Das Grabmal in Pisa spendete Friedrich.