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François Hollande
"Er hat die notwendigen Schritte eingeleitet"

Eine Kabinettsumbildung und ein neuer Premierminister als Reaktion auf das miserable Abschneiden der Sozialisten bei den Kommunalwahlen in Frankreich: Nur wenn es François Hollande jetzt gelänge, das mutige und längst überfällige Sparprogramm durchzuboxen, könne er Ansehen zurückgewinnen, sagte Henrik Uterwedde vom Deutsch-Französischen Institut Ludwigsburg im DLF.

Henrik Uterwedde im Gespräch mit Jürgen Liminski | 07.05.2014
    Porträtaufnahme von Frankreichs Staatspräsident François Hollande mit verkniffenem Gesichtsausdruck
    Frankreichs Staatspräsident François Hollande muss das Steuer herumreißen, sagt Uterwedde. (dpa / pa)
    Christiane Kaess: Francois Hollande ist seit zwei Jahren Präsident von Frankreich und seine Beliebtheitswerte sind katastrophal. Seine Wähler sind enttäuscht, seine Versprechen aus dem Wahlkampf konnte der Sozialist nicht halten, die wirtschaftliche Lage der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft wird immer schlechter.
    Bei den Kommunalwahlen hat sich das gerächt: Die Sozialisten schnitten äußerst schlecht ab. Hollande reagierte mit einer Kabinettsumbildung und einem neuen Premierminister, Manuel Valls. Der hat als erstes ein geplantes Sparpaket konkretisiert. Mein Kollege Jürgen Liminski hat gestern Abend mit Henrik Uterwedde gesprochen. Er ist stellvertretender Leiter des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg. Jürgen Liminski hat ihn zuerst gefragt, ob Hollande angesichts einer mageren Zwei-Jahres-Bilanz und eines kühnen neuen Sparprogramms, das Steuer wie seinerzeit sein Vorbild Francois Mitterrand noch herumreißen kann.
    Henrik Uterwedde: Na gut, es bleibt ihm ja gar keine andere Wahl. Er hat jetzt noch drei Jahre Regierungszeit vor sich. Es ist seine einzige Chance, wenn er das Steuer herumreißt: Erstens einmal Straffung seiner Regierungsarbeit, mit einer Stimme sprechen, die teilweise unsäglichen Zustände in der Regierung, die auch viel handwerklich schlecht gemacht hat, wo mit vielen Stimmen und gegensätzlichen Stimmen geredet worden ist, das auf Vordermann zu bringen. Das hat er getan.
    Zum zweiten einen neuen Premierminister gebracht, der nun im Grunde genommen für energisches Handeln steht, für Klartext steht und für all das steht, was man in den letzten beiden Jahren eigentlich am Präsidenten und seiner Regierung vermisst hat. Er hat die notwendigen Schritte eingeleitet. Er hat jedes Interesse daran, seinen neuen Premierminister und seine Politik zu unterstützen. Ob das dann reicht, um das Steuer ganz herumzureißen, um in drei Jahren dann vielleicht noch einmal wiedergewählt zu werden, das steht dahin.
    Jürgen Liminski: Wie schätzen Sie denn die Widerstände von links ein?
    Uterwedde: Die sind beträchtlich. Das Sparprogramm, das der Premierminister kürzlich im Parlament vorgestellt hat, wurde hier mit einem ja nicht bindenden, aber doch mit einem Votum abgeschlossen. Da hat es an die 60 Enthaltungen und Gegenstimmen gegeben. Dass die Kommunisten und die Linkssozialisten, die links von den Sozialisten befindlichen Parteien, dass die wütenden Widerstand dagegen halten und das Programm abgelehnt haben, war klar. Dass aber jeder siebte sozialistische Abgeordnete, also die eigenen Parteifreunde sich diesem neuen Kurs verweigern, das stimmt dann schon etwas bedenklicher. Da kommt einiges auf die Regierung zu. Auch die Gewerkschaften werden sich in üblicher Weise zu Worte melden.
    Dagegen steht vielleicht eines: Im Gegensatz zu Deutschland gibt es keinen Bundesrat. Es gibt also keine Zwischenwahlen, wo die Regierung jetzt mit einer zweiten Kammer rechnen muss, die ihr das Leben noch mal erschwert. Und die Fünfte Republik gibt der Regierung eine Reihe von Mechanismen in die Hand, um eventuell auch parlamentarischen Widerstand zu brechen oder jedenfalls zu entschärfen oder zu neutralisieren, En-bloc-Abstimmungen, Verknüpfung von wichtigen Abstimmungen mit der Vertrauensfrage und so weiter. Das kann gelingen, aber das kann schon auch eine sehr, sehr harte Auseinandersetzung werden bei jeder Umsetzung der versprochenen Sparpolitik.
    Hollande muss die Strukurreform mutig vollziehen
    Liminski: Gehen wir mal zu dieser versprochenen Sparpolitik. Hollande hat noch drei Jahre. Mitterrand hatte damals immerhin fünf Jahre Zeit. Müssen da die Einschnitte nicht tiefer sein?
    Uterwedde: Ja, natürlich. Es könnte immer mehr sein. Nun würde ich mal folgendes sagen: 50 Milliarden echte Einsparungen innerhalb von drei Jahren, das ist nun schon ein ziemlich harter Brocken. Viele wären eigentlich froh in Frankreich, aber auch in Europa, wenn diese Politik auch tatsächlich mal durchgesetzt würde. Und das heißt eben schon: Wenn man diese Einsparungen vollziehen will – und es geht ja hier um Minderausgaben; es geht nicht mehr um Steuererhöhungen -, dann muss einiges geschehen in der Sozialversicherung, es muss einiges geschehen im Staatsapparat, in dem aufgeblähten Staatsapparat Frankreichs, und es muss etwas geschehen in den ebenfalls aufgeblähten und durch Doppelstrukturen gekennzeichneten territorialen Verwaltungsstrukturen.
    Das heißt, wenn man diese 50 Milliarden Sparpolitik ernst nehmen will, kommt man nicht um Strukturreformen herum. Daran wird auch die Regierung gemessen werden, ob sie in der Lage ist und ob sie den Mut hat, diese Strukturreformen dann auch zu vollziehen.
    In einem Bereich ist es angekündigt worden. Eine Territorialreform soll künftig eine Ebene, nämlich die der Departements wegfallen. Die Zahl der 22 Regionen, die sehr, sehr klein sind und oft wenig Einwohner nur haben, die soll etwa um die Hälfte reduziert werden, und das stößt natürlich auf Besitzstände bei den Bürgermeistern, bei den Regionalpolitikern, Departements-Politikern. Da bin ich sehr gespannt, wie die Regierung dieses Vorhaben durchsetzen will.
    In der Sozialversicherung ist es ähnlich. Da wird einiges an Leistungen doch gekürzt werden müssen, oder werden Einsparungen auch vorgenommen werden müssen. Die Staatsbeamten sollen für die nächsten zwei, drei Jahre Null-Erhöhungen bekommen. Das heißt, die Gehälter werden eingefroren. Na ja, wenn man eben 50 Milliarden zusammenbekommen will, dann muss man an allen Ecken und Kanten doch kürzen.
    Kaess: ..., sagt Henrik Uterwedde. Er ist der stellvertretende Leiter des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg. Und die Fragen stellte mein Kollege Jürgen Liminski.