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Frangi verteidigt geplantes Referendum in Palästinensergebieten

Der Fatah-Vorsitzende im Gaza-Streifen, Abdallah Frangi, hält einen Bürgerkrieg in den Palästinensergebieten für möglich. Zugleich räumte Frangi ein, die abgewählte Fatah-Regierung habe Fehler gemacht und damit den Wahlsieg der Hamas erst ermöglicht. Grundsätzlich heiße die Bevölkerung die Pläne der Fatah aber nach wie vor gut, so etwa eine Zwei-Staaten-Lösung. Deshalb sei das Referendum Ende Juli wichtig.

Moderation: Klaus Remme |
    Klaus Remme: Von einem politischen Prozess zwischen Israel und den Palästinensern spricht seit dem Wahlsieg der Hamas im Januar kaum noch jemand. Immerhin hielt bis zum Wochenende eine relative Waffenruhe, doch auch damit ist es jetzt vorbei. Nach einem israelischen Luftangriff im Gaza-Streifen beendete die Hamas ihre Waffenruhe. Jetzt wird auch von palästinensischer Seite wieder mit Raketen und Granaten geschossen. In den Autonomiegebieten brodelt es. Der Machtkampf zwischen Präsident Abbas von der Fatah-Partei, zweitstärkste Kraft im Parlament, und der Hamas ist offensichtlich. Gegen den Widerstand der Hamas will Abbas jetzt Ende Juli per Referendum ein Votum für die Zwei-Staaten-Lösung durchsetzen.

    Am Telefon in Amman ist Abdallah Frangi, lange Jahre Repräsentant der Autonomiebehörde in Bonn und Berlin. Jetzt ist er Fatah-Vorsitzender im Gaza-Streifen. Guten Morgen Herr Frangi!

    Abdallah Frangi: Guten Morgen Herr Remme!

    Remme: Herr Frangi, wer ist für Sie und die Fatah zurzeit der größere politische Gegner, Israel oder die Hamas?

    Frangi: Wir werden diesen Vergleich hier nicht machen. Wir sind immer noch ein Teil von dem palästinensischen Volk. Genauso ist es die Hamas. Hamas ist eine radikale Organisation innerhalb der palästinensischen Gesellschaft. Sie haben ein anderes politisches Programm und deswegen ist der Vergleich nicht annehmbar.

    Remme: Das Nahost-Quartett oder die internationale Gemeinschaft sieht in der Hamas eine terroristische Vereinigung. Zu Recht?

    Frangi: Ich möchte jetzt nicht die Hamas beurteilen, ob sie terroristisch ist oder nicht. Sie haben eine andere Vorstellung. Sie haben eine bestimmte Ideologie. Sie haben eine bestimmte politische Linie, die nicht mit unserer politischen Linie zu vereinbaren ist. Deswegen kann ich heute nicht über die Hamas urteilen, ob die jetzt terroristisch ist oder nicht. Wir haben einen Friedensprozess gestartet. Hamas ist mit diesem Prozess nicht einverstanden und Hamas hat die Wahlen jetzt gewonnen. Wir müssen jetzt die neue Entwicklung wahrnehmen und wir müssen uns auch dementsprechend verhalten.

    Remme: Herr Frangi, erklären Sie uns das. Wie kann es sein, dass angeblich die Mehrheit der Palästinenser eine Zwei-Staaten-Lösung will, andererseits die Hamas Wahlen gewinnt, obwohl sie das Existenzrecht Israels bestreitet?

    Frangi: Ja, es ging nicht um das Existenzrecht Israels. Es ging um die palästinensischen Interessen. Wir haben in den letzten zehn Jahren, wo wir an der Regierung waren, so viele Fehler gemacht. Wir haben den Palästinensern versprochen, durch diesen Friedensprozess einen Palästinenser-Staat zu gründen, der frei und unabhängig ist, und dieses Versprechen konnten wir nicht einhalten. Israel hat uns in dieser Richtung nicht geholfen. Deswegen war diese Wahl, die wir seit dem Januar hinter uns haben, für die Palästinenser eine Möglichkeit, für die Bevölkerung meine ich, Abstand von der Politik, die wir gemacht haben, zu nehmen und Richtung Hamas zu tendieren und die Hamas zu wählen.

    Remme: Wen meinen Sie, wenn Sie sagen "wir"?

    Frangi: Wir sind die Al-Fatah und die Regierung, die bis dahin die Verantwortung für die Palästinenser gehabt hat. Ich meine damit die El-Fatah-Regierung.

    Remme: Das ist also durchaus Selbstkritik?

    Frangi: Das kann ich so weit sagen, ja.

    Remme: Herr Frangi, wollen Sie jetzt das Ergebnis demokratischer Wahlen durch das Referendum umdrehen?

    Frangi: Wir sind in einem Zustand, wo das palästinensische Volk bestraft wird durch die neue Entwicklung, und wir möchten diese Boykottierung einfach beenden. Wir können nicht weiter so tun, als ob nichts passiert ist, und wir müssen die Hamas dazu bewegen, das palästinensische Volk entscheiden zu lassen, welche politische Linie sie zu befolgen haben und zu verfolgen haben. Durch dieses Referendum können wir die Möglichkeit zeigen, dass die Mehrheit der Palästinenser sich für die Zwei-Staaten-Lösung entscheidet. Wenn wir so weit kämen, dann bedeutet dies, dass das Vertrauen der Palästinenser in die politische Linie und in diesen politischen Prozess immer noch vorhanden ist. Ich fürchte nur jetzt durch die Eskalation durch Israel, dass doch die Hamas mehr davon profitieren könnte.

    Remme: Es gibt bei einem Referendum ja nur zwei Ergebnismöglichkeiten. Entweder der Präsident Abbas, El-Fatah, wie immer man möchte, gewinnt dieses Referendum; dann droht eine weitere Radikalisierung der Hamas. Oder er verliert es; dann stärkt er die Hamas. Was kann Abbas durch das Referendum denn gewinnen?

    Frangi: Doch. Wir können beweisen, dass das palästinensische Volk El-Fatah zwar bestrafen wollte durch die Abwahl, aber nicht die politische Linie aufgegeben hat. Das heißt die meisten und die Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung wollen Frieden haben, wollen einen Palästinenser-Staat gründen neben Israel. Die Tatsache, dass wir das nicht erreicht haben, die Enttäuschung, die dadurch entstanden ist bei den Palästinensern, muss durch dieses Referendum beseitigt werden.

    Remme: Halten Sie es denn für völlig ausgeschlossen, sich mit der Hamas auf eine Linie gegenüber Israel zu verständigen?

    Frangi: Ich meine wir müssen uns einfach mit der Hamas verständigen, aber nicht auf der Basis der Vorstellungen von Hamas, sondern auf der Basis der Vorstellung von dem, was man auf internationaler Ebene anerkannt hat. Das heißt wir haben einen Prozess durchgeführt. Wir haben Anerkennung auf internationaler Ebene. Diese Anerkennung kann Hamas nicht erreichen und deswegen muss Hamas eine Korrektur in ihrer politischen Linie betreiben, damit sie auch mit uns in dem Boot mitsitzen kann.

    Remme: Wie groß, Herr Frangi, ist die Gefahr eines Bürgerkrieges in den Autonomiegebieten?

    Frangi: Leider muss ich sagen, dass wir so weit sind, dass ich dafür bete, dass er nicht stattfindet.

    Remme: Warum meinen Sie ist die Situation gerade jetzt so heikel?

    Frangi: Die ist so heikel, weil Hamas zum ersten Mal an der Macht ist und weil Hamas bis zum heutigen Tag einfach ihre politische Linie nicht geändert hat und weil Hamas nicht so einfach aufgeben wird.

    Remme: Und Sie glauben das Referendum ist das richtige Mittel, diese Gefahr des Bürgerkrieges zu vermindern?

    Frangi: Es lohnt sich, diesen Versuch zu machen. Ich glaube das ist auch die einzige Möglichkeit, oder dass wir weiterhin miteinander verhandeln, bis wir einen gemeinsamen Nenner finden. Wir haben in den letzten Monaten und Wochen verhandelt, aber es war einfach ergebnislos. Deswegen kommt Abbas zu diesem Referendum. Das heißt wenn wir uns durch diesen Dialog einigen, der weiterhin stattfindet zwischen Hamas und El-Fatah, dann besteht eine Chance, dass wir dieses Referendum nicht mehr machen. Aber die Voraussetzung dafür ist, dass wir uns erst mal verständigen auf eine politische Linie, die auf internationaler Ebene akzeptiert ist.

    Remme: Abdallah Frangi war das, El-Fatah-Vorsitzender im Gaza-Streifen. Herr Frangi, vielen Dank!

    Frangi: Schönen Dank auch!