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Frankenstein-Oper in Hamburg
Von Hässlichkeit und Einsamkeit

Mary Shelleys "Frankenstein" wurde so oft adaptiert wie kaum ein anderer Roman. Zum 200-jährigen Jubiläum des Grusel-Klassikers kam er in Hamburg als Musiktheater auf die Bühne. Auch wenn Jan Dvoraks Musik nicht ganz die Qualität seines berühmten Namensvetters hat, ist die Geschichte nach wie vor packend.

Von Elisabeth Richter |
    Die Oper "Frankenstein" auf der Bühne im Theater auf Kampnagel.
    Die Oper "Frankenstein" auf der Bühne im Theater auf Kampnagel. (dpa / Christian Charisius)
    Musik: Jan Dvorak: Frankenstein, Akt 2, Szene 8
    Es faucht, fiept und schreit, es weint, wimmert und ächzt. Frankensteins Monster ist in der Musiktheater-Version des Hamburger Komponisten Jan Dvorak eine leidende Kreatur. Ungefragt wie alle Menschen in die Welt geworfen, aber "höllenerschreckend" hässlich und deshalb einsam.
    Musik: Jan Dvorak: Frankenstein, Akt 2, Szene 8
    Für Frankensteins Monster hat Marius Kob eine überlebensgroße Figur entworfen, Arm- und Beinprothesen wurden mit Sehnen, Muskeln und ein wenig Haut bespannt, ein großer Totenschädel mit mächtigem Gebiss und starren Augen sorgt für Grusel. Drei Puppenspieler bedienen virtuos dieses Monster mit Menschenhänden und Vogelfüßen, das sich wohltuend von allen Frankenstein-Monster-Vorbildern aus den zahlreichen Verfilmungen unterscheidet.
    "Die Rührung, die man mit dieser verstoßenen Kreatur empfindet, das habe ich von einem alten Karloff-Film bis zum Lesen vom Roman so stark empfunden. Das ist einfach eine sehr starke melodramatische Geschichte, die im Endeffekt von diesem verrückten, einzigartigen Wesen handelt, was seinen Vater sucht und Fragen und Wünsche hat, und sich im Endeffekt wünscht, was sich alle Menschen wünschen: Liebe."
    Sagt Regisseur Philipp Stölzl. Er fokussiert in seiner bildmächtigen Regie ganz auf das Mitleid mit der armen unschuldigen Außenseiter-Kreatur, die zum Mörder wird. "Ich war anfangs nicht böse", beteuert das Monster einmal. "Aber ich bin allein, so furchtbar allein!"
    Musik: Jan Dvorak: Frankenstein, Akt 3, Szene 10
    Musikalisches Roadmovie eines Monsters
    Die anderen Aspekte des vielschichtigen Romans von Mary Shelley rücken in diesem Frankenstein-Musiktheater stark in den Hintergrund. Etwa der Wissenschaftler, der gottgleich nach den Sternen greift, Leben schafft und die Geister, die er rief nicht wieder loswird. Dass das Monster wohl auch Teil der psychotisch-schizophrenen Persönlichkeit des Gelehrten ist, spielt im Verlauf keine Rolle, man könnte es im Schlussbild ahnen, wenn sich das Monster über den toten Frankenstein beugt und beide wie innig verschlungen daliegen.
    Musik: Jan Dvorak: Frankenstein, Akt 4, Szene 14
    "Hier haben wir ja bewusst die Entscheidung getroffen mit dem Monster, der Kreatur anzufangen und sehr stark, das fast wie so eine Schöpfungsgeschichte oder eine Genesis zu erzählen. Dass man erzählt, was ist das eigentlich, da wacht ein Wesen im Wald auf, weiß noch gar nicht, was es ist, wo es dazugehört, was ein Mensch ist, was ein Vogel, wie, dass es essen muss, dass ich Hunger hab, dass mir kalt ist, dass ich vielleicht zu stark bin, dass ich auch töten kann, also das ist, glaube ich, eine Lesart, die einen von Anfang an sehr stark emotional an die Kreatur bindet."
    Erläutert Philipp Stölzl. Frankensteins Laborversuch findet in einer Arenabühne statt. Das Publikum sitzt an drei Seiten um eine Art Raubtierkäfig herum, das Orchester an der Stirnseite. Man durchlebt die Stationen der Roadmovie-Reise des Monsters, vom Wald ins Dorf auf den Gletscher zu den Orkney-Inseln und schließlich ins Eismeer. Philipp Stölzl:
    "Dann braucht man natürlich, im Prinzip wie in einem Musical eigentlich, sehr schnelle Szenenwechsel und hat eine Dramaturgie, wo man mit wenigen Möbeln und Requisiten neue Orte andeutet, und da ist die Konzentration von so einer Arenabühne ist natürlich unheimlich toll."
    Packendes Theater trotz plakativer Musik
    Philpp Stölzl und seinem Ko-Regisseur Philpp M. Krenn gelingt dabei phasenweise großes und auch berührendes Breitwand-Schauspiel-Theater mit packenden Bildern und historischen Kostümen von Kathi Maurer. Dennoch wurde der immerhin dreistündige Abend am Ende arg lang, und das lag an der stilistisch wenig profilierten Musik des Komponisten und Librettisten Jan Dvorak.
    Musik: Jan Dvorak: Frankenstein, Akt 2, Szene 8
    2014 hatte Jan Dvorak für das Theater Basel gemeinsam mit Philipp Stölzl Mary Shelleys Frankenstein-Roman als Schauspiel eingerichtet und dazu auch Theatermusik komponiert. Für das Musiktheater, so scheint es, wurde hauptsächlich die Schauspiel-Fassung hergenommen und mit Musik im Stil eines Film-Soundtracks vorwiegend melodramatisch und zuweilen recht plakativ illustriert. Abwechslung fehlt fast vollkommen, trotz des Streifzugs durch die Musikgeschichte vom Barock bis Rock, von Mahler, Puccini, Janáček, Schostakowitsch und mehr, alles dabei. Der Gesangsstil, sowohl der Nebenrollen als auch der beiden Hauptpartien von Viktor Frankenstein und seiner Verlobten Elisabeth, ist vorwiegend deklamierend, fast nie melodisch. Das Monster selbst, der Außenseiter, ist sinnvollerweise als Sprechrolle von den Gesangspartien abgesetzt, lange Passagen stammen aus dem Originaltext von Mary Shelley. Catrin Striebeck ist hier sehr facettenreich.
    Musik, Jan Dvorak: Frankenstein, Akt 1, Szene 2
    Johannes Harneit leitet souverän ein Orchester aus Mitgliedern der Hamburger Musikhochschule. Viktor Rud leiht seinen wohlklingenden und rund geführten Bariton dem Wissenschaftler Frankenstein, Andromahi Raptis warmer und körperreicher Sopran vermittelt die Seelenqualen der Verlobten Elisabeth. Im Ganzen überzeugt diese ein wenig eindimensional erzählte Frankenstein-Oper zum einen in der musikalischen Ausführung und zum andern durch die eindrücklichen Bilder.