
Schon im Titel seines neuen Buchs sagt Ahmet Altan über sich selbst: "Ich werde die Welt nie wieder sehen." Ahmet Altan – der große türkische Intellektuelle, Journalist und Schriftsteller wurde aufgrund völlig widersprüchlicher Anschuldigungen in diesem Jahr in der Türkei zu lebenslanger Haft unter erschwerten Bedingungen und ohne Aussicht auf Begnadigung verurteilt. Ahmet Altans "Texte aus dem Gefängnis sind mehr als das Protokoll eines Gefängnisinsassen, der in Einzelhaft auf sich selbst gestellt, seinen Tagen eine Struktur geben möchte. Der 68jährige stellt sich und seine Situation in einen größeren Zusammenhang – politisch, historisch und literarisch.

Pitt von Bebenburg, Redakteur der Frankfurter Rundschau, engagiert sich zusammen mit weiteren Kollegen im Rahmen der 2017 gegründeten Initiative "Patenschaften gegen das Vergessen" für inhaftierte türkische Journalisten. Darin hat sich ein regelmäßiger Austausch mit Ahmet Altan in seinem Hochsicherheitsgefängnis ergeben. Es ginge ihm dort unterschiedlich gut dort, sagte von Bebenburg.
"Er ist im Grunde ein sehr optimistischer Mensch, andererseits geht es ihm eigentlich schlecht. Er sitzt seit zwei Jahren ohne vernünftigen Grund in dieser Haft unter erschwerten Bedingungen. Das bedeutet, dass er sich eine Zelle mit in der Regel zwei anderen teilt, dass sie einen gemeinsamen Innenhof haben, wo man noch jemanden begegnet. Mehr ist da nicht. Das Leben ist eintönig und es ist unberechenbar, wie lange er da noch bleiben kann. Die Kontakte zur Außenwelt sind sehr begrenzt. Das, was ihn am Leben erhält und was ihn auch in andere Welten immer wieder versetzt ist das Schreiben. Er ist in der Lage zu schreiben, er hat sich einen Stift besorgt in dem kleinen Laden im Gefängnis."
Verbreitung subliminaler Botschaften
Weiter habe er einen Plastiktisch, an dem er auf einem Plastikstuhl schreibt, so von Bebenburg.
Osman Okkan ist Journalist und Filmemache und hat das "Kulturforum Türkei Deutschland" gegründet sowie Mitbegründet des "Hrant-Dink-Forums" und Träger des Bundesverdienstkreuzes für sein Engagement gegen Diskriminierung, Gewalt und Rassismus. Er erklärt im Gespräch die absurden Gründe, wegen denen Ahmet Altan in Haft sitzt: Altan habe angeblich subliminiale Botschaften verbreitet.
"Sowohl in seinen Kolumnen als auch bei seinen Fernsehauftritten, dass er zwischen den Zeilen zu Aufruhr, zum Aufstand gegen die Regierung, gegen die türkische Verfassung aufgerufen haben soll. Jeder der Ahmet Altan kennt, seine Schriften kennt, weiß, wie direkt er schreibt. Er braucht das eigentlich nicht, zwischen den Zeilen zu schreiben."
Weiter, so erklärte Okkan, werfe man Altan vor, terroristische Organisationen unterstützt oder gefördert zu haben.
"Jeder der seine Schriften kennt weiß, dass er gegen Gewalt ist, gegen Gewaltanwendung als Mittel der politischen Auseinandersetzung."
Um die Zustände für politisch inhaftierte Journalisten und Schriftsteller in der Türkei zu verbessern, empfiehlt Pitt von Bebenburg, die direkte Unterstützung der Oppositionellen in der Türkei.
"Es gibt dort eine Hälfte der Menschen in der Türkei, die wollen dieses Regime nicht. Die brauchen unsere Unterstützung. Und vielmehr als sich darüber Gedanken zu machen, wie man mit Erdogan umgeht, wie sehr man ihn hofiert, wie weit man die Zusammenarbeit braucht, würde ich es für wichtig halten, zu sagen, diejenigen Kräfte, die in Opposition, in oppositionellen Parteien, bei den Sozialdemokraten, bei der HDP arbeiten, dass diejenigen in der Literatur, im Journalismus, in wichtigen gesellschaftlichen kulturellen Bereichen tätig sind, die brauchen eine starke Unterstützung."
Ähnlich sah es im Gespräch auch Osman Okkan, der hinzufügte, dass es wichtig sei, die Zivilgesellschaft zu unterstützen.
"Ich wäre sehr dafür, dass die Bundesregierung, dass die europäischen Staaten, dass die westlichen Staaten ihre Waffenexporte in die Türkei stoppen, denn sie werden auch gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt", sagte Okkan und verwies auf die kurdisch bewohnten Städte in der Türkei.