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Frankfurter Oberbürgermeister
Kulturpolitische Thesen von Peter Feldmann

Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann hat sich mit einem langen Thesenpapier auf das spiegelglatte Parkett der Kulturpolitik begeben. Kommt Kunst da unter die Räder und wird sozialpolitischen Zielen untergeordnet?

Von Burkhard Müller-Ullrich | 06.12.2013
    In jedem politischen Sprachbaukasten gehören die Vorsilben"Kultur-"und"Sozial-"zur Grundausstattung, und zwar dutzendfach. Denn wer auch nur eine kurze Rede zu irgendwelchen Fragen der Stadtentwicklung, der Generationengerechtigkeit oder der Wirtschaftsförderung zu halten hat, kommt ohne dutzendfaches"Kultur-"und"Sozial-"einfach nicht aus. Kein Satz klingt so durchdacht und überzeugend, so tief und zustimmungsverpflichtend wie beispielsweise:"Ich gehe von einem sozialen Kulturbegriff aus, der sich auf das Zusammenleben von Menschen auf einem bestimmten Terrain zu einer bestimmten Zeit bezieht.
    "Da schmilzt das Publikum dahin, da tobt jeder Saal vor Begeisterung. Und wenn es anschließend heißt:"Kulturbezogenes politisches Handeln muss immer auf eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse ausgerichtet sein“, dann bleibt kein Auge trocken und die Wiederwahl in sechs Jahren ist so gut wie gesichert.
    Ungefähr dies dürfte jedenfalls den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann bewogen haben, sich mit einem langen Thesenpapier auf das spiegelglatte Parkett der Kulturpolitik zu begeben. Feldmann ist Sozialdemokrat, und wahrscheinlich wäre es ihm lieber, wenn die SPD Kulturdemokratische Partei Deutschlands hieße, denn"Kultur-"und"Sozial-"gehen ja für ihn immer Hand in Hand.
    Früher war das, zumal in Frankfurt, selbstverständlich. Früher war der gesamte Kulturbetrieb links, und der einstige SPD-Kulturdezernent Hilmar Hoffmann wurde mit der Devise"Kultur für alle"zum Heiligen der Kulturnation. Doch inzwischen hat man, zumal in Frankfurt, festgestellt, dass jegliche Art von Kulturleben hauptsächlich von der bürgerlichen Mitte getragen wird, dass sogar unter Kulturschaffenden ein ganz SPD-unkonformes Elitedenken vorherrscht und dass jegliche Politisierung von Kultur zu nichts anderem führt als Qualitätsverlust.
    Vor diesem Hintergrund ist es schon ziemlich tollkühn von Feldmann, sein Banausentum mit einer Handvoll Thesen auszustellen, deren wichtigste da lauten:"Kultur ist Teil der Sozialpolitik.“"Kultur ist Verbreiterung, nicht Elitisierung."Und:"Kultur ist nicht Kunst."Ja, die Grenzen zwischen Hoch- und Breitenkultur sollen noch fließender werden – jedenfalls bei der öffentlichen Förderung von Kulturangeboten. Das ist, als sollte künftig in jedem Nobelrestaurant auch Ketchup auf den Tisch gestellt werden, weil doch erwiesenermaßen immer mehr Leute Fast-Food essen.
    Es ist ja wahr: Das Bildungsbürgertum mit seinen festen Standards hat sich in Spaßgesellschaft, Wellnessmanagement und Eventprogrammen aufgelöst. Jetzt konkurrieren alle Veranstalter um dasselbe Geld- und Zeitbudget der irgendwie und im allerweitesten Sinn kulturinteressierten Kundschaft. Deshalb - und jetzt kommt der Höhepunkt von Feldmanns Formulierungskunst –"ist Kulturpolitik umso erfolgreicher, je mehr sie sich als Bildungsaufgabe und Schmiermittel sozialer Infrastruktur, Wirtschaftsförderer und Integrationsmotor, Stadtentwicklungsprogramm und Präventionsstelle versteht."(Zitatende).
    Was für ein schmieriger Text über Kulturpolitik als Schmiermittel! Eines der ältesten Frankfurter Privattheater heißt"Die Schmiere“. Aber das ist ein Keller-Kabarett – und kommt ganz ohne Subventionen aus.