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Frankreich
Debatte über Einwanderungsgesetz

In Frankreich sorgt eine geplante Novelle des Einwanderungsgesetzes für heftige Debatten in der Nationalversammlung. Die Regierung wirbt für Migration als Bereicherung für das Land, will aber zugleich den Kampf gegen illegale Einwanderung verschärfen. Konservative und Rechte verlangen vor allem eins: Einwanderung reduzieren.

Von Christiane Kaess | 21.07.2015
    Ein Blick in das Plenum des französischen Parlaments, der "Assemblée Nationale" in Paris.
    In der Debatte in der französischen Nationalversammlung warnte die konservative Opposition davor, dass das Gesetz nicht zu weit gehe. (picture-alliance / dpa / Christophe Petit Tesson)
    Die Regierung geht mit dem heißen Thema Immigration viel zu lax um. Dieser Vorwurf der konservativen Opposition und noch stärker des rechtsextremen Front National wiegt umso schwerer, weil die rechten Parteien in der Wählergunst steigen. Innenminister Bernard Cazeneuve geht also gleich zu Beginn der Parlamentsdebatte in die Offensive. Es stimme nicht, dass die Zahl der Asylanträge seit Antritt der sozialistischen Regierung explodiert sei - ganz im Gegenteil:
    "Die Zahl der Asylanträge in Frankreich hat sich zwischen 2006 und 2012 unter der Vorgängerregierung verdoppelt. Und seit 2014 ist sie um 2,38 Prozent zurückgegangen. Ich höre dagegen, dass durch eine ideologische und angeborene Nachgiebigkeit unserer sozialistischen Mehrheit die Regierung alle Tore geöffnet habe für Asyl und Immigration. Das steht im krassen Gegensatz zu den Zahlen, die ich Ihnen genannt habe. Ich frage mich, ob es vernünftig ist, die Diskussion in so eine Richtung zu drängen in einem Land, wo es eine politische Organisation gibt, deren einziges Ziel es ist, das Thema Immigration als Geisel zu nehmen, um Angst zu schüren, und - um es klar zu sagen: Hass."
    Auch nach der Warnung des Innenministers vor dem Front National geht den rechten Parteien das nun geplante Immigrationsgesetz nicht weit genug, um die Einwanderung zu begrenzen. Migrantenverbände dagegen sorgen sich um zu viele Beschränkungen. Der Innenminister versucht die Synthese:
    "Dass die Entschlossenheit auch brutal sein muss, das ist nicht mein Ziel. Ich glaube, dass es Entschlossenheit geben kann und gleichzeitig Menschlichkeit."
    Dieser Ansatz soll sich in den großen Linien des Gesetzesvorhabens wieder finden. Zunächst soll die Verwaltung entlastet werden. Die zuständigen Präfekturen sollen anstatt kurzfristigen Aufenthaltstiteln künftig solche von mehreren Jahren ausstellen könne. Die Zahl von fünf Millionen Aufenthaltsgenehmigungen, die jedes Jahr von den Behörden für 2,5 Millionen Ausländer bewilligt wird, dürfte massiv fallen, wenn diese eine längere Dauer haben. Der sozialistische Abgeordnete Erwann Binet sieht damit auch ein positives Image des Einwanderungslandes Frankreich wieder hergestellt.
    "Diese unendlichen Warteschlangen vor Frankreichs Präfekturen vermitteln eine schreckliche symbolische Gewalt. Die Ausländer setzten sie in eine herabwürdigende Situation. Sie legen nahe, dass sie uns stören, uns beschämen."
    Talente-Pass für qualifizierte Fachkräfte
    Dabei möchte die Regierung mit dem neuen Gesetz Frankreich gerade attraktiver für Einwanderer machen. Zumindest für die, die sich demnächst mit einem sogenannten Talente-Pass ausstatten können. Den sollen aber nur qualifizierte Fachkräften bekommen, Studenten, die beste Leistungen vorweisen oder Einwanderer, die als Investoren ins Land kommen.
    Die Opposition fragt nach den talentierten Franzosen, die - wie sie es ausdrückt: zum Exil verdammt seien. Sie gelte es doch, im Land zu halten, so die Kritik. Schließlich will das Gesetz den Kampf gegen illegale Einwanderung verschärfen. Ein Aufenthaltstitel kann jederzeit weggenommen werden, wenn Betrug festgestellt wird. Dazu sollen die Präfekte in den Départements mehr Macht bekommen.
    Innenminister Cazeneuve möchte auch Abschiebungen erleichtern - ein Vorhaben, gegen das sich viele Abgeordnete des linken Flügels der Sozialisten stemmen. Sie sollen im Gegenzug ihr Anliegen umgesetzt sehen, das die Abschiebehaft betrifft: In diesen Fällen soll nach 48 Stunden ein zuständiger Richter eingeschaltet werden. Außerdem soll anstatt der Haft ein Hausarrest bevorzugt werden. Der konservative Guillaume Larrivé, Abgeordneter der Republikaner, und ehemals Berater von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy verwirft das Gesetzesvorhaben im Ganzen und holt zum Rundumschlag aus.
    "Die Diskussion über die Immigration ist eingesperrt im Konformismus - von denjenigen, die sich immer wieder mit den gleichen Slogans abgeben. Sie ist eingezwängt in die Paragrafenreiterei. Und sie sitzt in der Falle der Moralisten. Davon muss sich die Nationalversammlung befreien."
    Konservative fordern, Einwanderung zu reduzieren
    Das klare Ziel eines neuen Gesetzes, so verlangen die Konservativen: die Einwanderung zu reduzieren. Immigranten sollen Beweise für ihre Integrationsfähigkeit bringen, wie Französisch zu beherrschen. Die Nationalversammlung soll in jedem Jahr eine Deckelung der Einwanderer-Zahlen beschließen. Die müsse auch wirtschaftlichen Bedürfnissen berücksichtigen. Guillaume Larrivés Botschaft: Mehr Härte zeigen.
    "Wenn Frankreich immer noch eine Nation ist, eine Demokratie, ein Rechtsstaat und eine Republik, dann hat es auch ein recht, zu entscheiden, wen es im Land haben möchte."
    Es sieht nicht danach aus, dass - so wie Innenminister Cazeneuve sich das wünscht - es eine besonnene Debatte zur Immigration wird.