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Frankreich
Fünf Jahre Burka-Verbot

Seit fünf Jahren ist es Frauen in Frankreich untersagt, sich in der Öffentlichkeit zu verschleiern. Genützt hat das Verbot kaum etwas, denn viele Frauen riskieren lieber eine Gelstrafe, als die Burka abzulegen. Denn für sie ist die Burka vor allem eines: ein Zeichen des Protests.

Von Kerstin Gallmeyer | 11.04.2016
    Eine vollverschleierte Frau auf einer Straße in Frankreich
    Viele muslimische Frauen tragen in Frankreich weiterhin Burka als Zeichen des Protests und riskieren dafür freiwillig eine Geldstrafe. (picture alliance / dpa / Jean Francois Frey)
    Burka oder Nikab – Schleier, die das Gesicht seiner Trägerin fast komplett verdecken - sind auf Frankreichs Straßen verboten. Genauso wie in Bussen, Bahnen und öffentlichen Gebäuden. Vor fünf Jahren ist das sogenannte Anti-Burka-Gesetz in Frankreich in Kraft getreten. Anne, eine gläubige Muslimin aus Paris, hat ihren Gesichtsschleier deshalb abgelegt, wenn auch widerwillig:
    "Ich habe angefangen, den Nikab zu tragen, als ich 16 war. Nach dem Gesetz habe ich es noch für weitere sechs Monate getan. Aber dann habe ich aufgehört. Ich fühle mich nicht mehr sicher, wenn ich ihn trage."
    Vor der Polizei habe sie keine Angst, sagt Anne. Eher vor ihren Mitmenschen.
    "Die Polizei kontrolliert bloß die Identität oder verhängt das Bußgeld.
    Danach sind sie wieder weg. Aber die Leute können aggressiv werden. Und das ist schade, weil ich Freundinnen habe, die deshalb nicht vor die Tür gehen und so keine Aktivitäten mitmachen können."
    Bei Burka droht Geldstrafe
    Weniger als 2.000 Frauen sind es nach offiziellen Zahlen, die in Frankreich den Nikab, einen Gesichtsschleier mit Augenschlitz, oder, noch seltener, eine Burka tragen. Werden sie in der Öffentlichkeit damit erwischt, drohen ihnen 150 Euro Bußgeld und ein Kurs in Staatsbürgerkunde. In fünf Jahren hat die Polizei um die 1.500 Burka-Knöllchen ausgestellt. Zum Teil immer wieder an die gleichen Frauen. Die meisten davon hat der in Frankreich lebende algerische Geschäftsmann Rachid Nekkaz aus seinem Geldbeutel beglichen. Aus Protest gegen das Gesetz:
    "Wir haben gerade ein Bußgeld von 172 Euro im Finanzamt von Roubaix in Nordfrankreich bezahlt",
    erzählt Nekkaz in einem Video, das er ins Internet gestellt hat.
    "Damit ermöglichen wir den französischen Bürgerinnen muslimischen Glaubens, dass sie sich so kleiden können, wie sie es wollen. Ohne, dass sie ein ungerechtes Gesetz daran hindert."
    Rachida Benahmed, die unter anderem als Gemeinderätin im französischen Meaux für Frauenrechte kämpft, ist dagegen nach wie vor überzeugt davon, dass das Verbot richtig ist. Nur die Umsetzung sei schwierig.
    "Das Anti-Burka-Gesetz war wirklich notwendig. Leider kann man es nicht richtig anwenden. Warum? Weil es so ist, dass jedes Mal, wenn man in den sensiblen Vierteln das Bußgeld verhängen will, die Frauen genau wissen, was sie tun müssen. Das heißt, sie fangen an zu schreien und versuchen Aufruhr zu erzeugen."
    Gewalt und Proteste als Folge
    2013 kam es in der französischen Stadt Trappes zu tagelangen schweren Ausschreitungen, nachdem Polizisten die Identität einer vermummten muslimischen Frau feststellen wollten. In einem anderen Fall endete die Kontrolle einer Frau in einem Pariser Vorort mit Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Anwohnern. Das Innenministerium spielt solche Vorfälle herunter: Die meisten Kontrollen würden friedlich ablaufen.
    Die bürgerlich-konservative Opposition beschuldigt die Regierung dagegen regelmäßig nicht hart genug durchzugreifen.
    Die Vollverschleierung aus Frankreich verbannt hat das Anti-Burka-Gesetz jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Ihre Tante habe ein Jahr später ihren Gesichtsschleier wieder angelegt, um ein Zeichen zu setzen, erzählt die junge Muslima Myriam.
    "Das Verbot hat sie dazu gebracht, ihren Nikab wieder zu tragen. Und ihn stärker zu zeigen. Damit die Leute verstehen, dass das zur Freiheit gehört, sich auszudrücken."