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Frankreich nach dem ersten Wahlgang
Stimmauszählung in der Provinz

Auch Marine Le Pen feierte nach dem ersten Wahlgang. Zwar kam der unabhängige Emmanuel Macron auf knapp 24 Prozent der Stimmen, doch die rechtsextreme Le Pen folgte ihm knapp mit 21,5 Prozent. Viele ihrer Wähler leben in der Provinz. Dort werden die Stimmzettel oft noch öffentlich ausgezählt - so wie in dem Grenzstädtchen Forbach.

Von Tonia Koch | 24.04.2017
    FN-Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen spricht mit Journalisten, während sie in Forbach das Unternehmen Fermap besucht, im Januar 2017
    Während ihres Wahlkampfes besucht Marine Le Pen Forbach. Vor allem die jungen Leute in der Region setzten in sie große Hoffnung. (AFP/Patrick Hertzog)
    In der alten Turnhalle, gleich unterhalb des Rathauses, haben sich etwa 100 Schaulustige eingefunden. An drei Tischen werden die Stimmzettel öffentlich ausgezählt. Alle Bürger sind herzlich eingeladen, der Auszählung beizuwohnen.
    Bernard Janvier, der örtliche Repräsentant des FN, des Front National, geht von Tisch zu Tisch, macht sich eifrig Notizen und rechnet:
    "So wie es aussieht, liegt Marine Le Pen in allen Stimmbezirken in Forbach vorne, es läuft gut für uns."
    Die meisten hier haben für Marine Le Pen gestimmt
    Bernard Janvier soll Recht behalten. Am Ende geht die Kandidatin des FN in Forbach mit knapp 30 Prozent Wählerzustimmung als erste durchs Ziel. Auf dem zweiten Platz folgt mit einigem Abstand der Kandidat der extremen Linken, Jean-Luc Melanchon. Erst dann taucht auf Platz drei Emmanuel Macron auf, der Sieger der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen.
    Christophe Arend, ein Anhänger Macrons und seiner Bewegung "en marche", ist ein wenig enttäuscht, dass seine Stadt so deutlich vom nationalen Votum abweicht. In den kommenden beiden Wochen bis zur Stichwahl gäbe es daher viel zu erklären, sagt er:
    "Warum zwei Kandidaten, die gegen Europa sind, hier in einem Grenzgebiet an erster und zweiter Stelle ankommen. Und das wird jetzt unsere Arbeit sein, dass wir den Leuten hier in Forbach beibringen, dass Europa eine Chance ist, damit wir dieses Resultat wenden können."
    Drei Frauen unterschiedlichen Alters und mit für die Region typischen Biografien wünschen sich, dass es gelingt. Denn sie halten wenig von den nationalen Parolen des Front National und den Ideen, die Grenzen zu schließen:
    "Ich bin schon enttäuscht, dass so viele Marine Le Pen gewählt haben, wo doch hier so viele Ausländer wohnen, und ich hoffe, in der zweiten Runde treffen sie die richtige Entscheidung für Frankreich. "
    "Mon papa est Algerien et ma mère est Allemande - mein Vater war Algerier und meine Mutter war Deutsch, wir wisse woher mir kommen, mir sin Französisch, wir sind an der Grenze zu Deutschland und viele arbeiten dort, ich auch. Und für mich ist das ganz komisch, dass Le Pen auf Platz eins liegt, denn mit den Deutschen haben wir viele Relationen."
    "Wer ist denn heute noch ein richtiger Franzose. Meine Großmutter ist in Mönchengladbach geboren, mein Großvater war Italiener und ich bin in Frankreich geboren. Und wie viele Leute haben wir so um uns herum, alles gemischt, alles gemischt."
    Anhänger der gemäßigten Kandidaten hoffen auf die Stichwahl
    Bei den Anhängern von Marine Le Pen ist die Freude verhalten. Sie hat eines ihrer Ziele erreicht, sie steht in der Stichwahl. Aber sie müsse in den kommenden beiden Wochen noch eine Menge Überzeugungsarbeit leisten, um eine Mehrheit der französischen Wähler tatsächlich für sich zu gewinnen. Nur dann werde sich Frankreich verändern:
    "Ei, weil in Deutschland zum Beispiel braucht man keine Marine Le Pen, weil die Deutschen haben einen guten Charakter und haben Ordnung. Richtig. Hier müssen wir Marin Le Pen haben, damit Ordnung einkehrt."
    Vor allem die jungen Leute in der Region setzten in Le Pen große Hoffnung, versucht ein Besucher das starke Ergebnis für den FN zu erklären:
    "Viele junge Leute finden hier keine Arbeit, Forbach ist stark betroffen, seit die Minen geschlossen wurden, und die Jungen sind gezwungen, die Region zu verlassen. Sie wählen deshalb Marine le Pen."
    Das Vertrauen der Franzosen in die politische Klasse ist tief erschüttert, kaum einer glaubt an die Reformfähigkeit des Landes, aber so manch einer nimmt es zumindest gelassen.
    "Der Macron wird gewinnen, dann haben wir ganz verloren, dann gehen wir alle nach Luxemburg oder in die Schweiz."