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Frankreich
Nationalversammlung verabschiedet französisches Klimagesetz

Das in der Nationalversammlung debattierte Klimagesetz soll helfen, Frankreichs Klimaziele zu erreichen. Kritiker monieren, dass von den aus einem Bürgerkonvent hervorgegangenen Vorschlägen kaum etwas übrig geblieben ist. Und so geht der Kampf um das Gesetz, das noch durch den Senat muss, weiter.

Von Christiane Kaess | 04.05.2021
Demonstranten fordern in Marseille von der Regierung mehr Engagement für die Klimapolitik
Demonstranten fordern in Marseille eine andere Klimapolitik (imago / ZUMA / Denis Thaust)
Dass das Klimagesetz für so viel Diskussion in der Gesellschaft sorgt, war im Halbrund der Nationalversammlung kaum spürbar. Noch weniger Abgeordnete als zugelassen waren bei den Debatten anwesend. Ohnehin darf wegen der Coronaregeln nur die Hälfte persönlich erscheinen. Dennoch versuchte Umweltministerin Barbara Pompili Enthusiasmus zu verbreiten:
"Dieses Gesetz in eine echte, umfassende kulturelle Wende! Es wird aus der Ökologie eine alltägliche Realität machen. Der Text liegt jetzt vor Ihnen. Ich glaube, er ist eine Chance für ein Erbe, auf das wir alle stolz sein können!"
Der Abgeordnete Matthieu Orphelin hat die Präsidentenpartei "La République en Marche" verlassen, weil ihm deren Umweltpolitik zu wenig fortschrittlich ist. Auch von dem neuen Gesetz hält er nichts, wie er in der Nationalversammlung versicherte.
"Sie haben in diesem Gesetz alle guten Maßnahmen verpasst. Ich glaube das ist ein Fehler, aber es ist eine politische Entscheidung."
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Umweltaktivisten enttäuscht

Was den einen nicht weit genug geht, ist den anderen schon zu viel. Die rechte und konservative Opposition wollte vor allem möglichst viele Artikel verhindern. Wirtschaft und Gesellschaft sollen nach der Pandemie nicht noch durch zusätzliche Auflagen belastet werden – so das Argument. Das umfassende Gesetz betrifft so gut wie alle Bereiche des Lebens: Reisen, Wohnen, Essen oder die Arbeit. Die meisten der 7.000 Änderungsanträge, die auf eine Verschärfung der Maßnahmen zielten, wurden abgelehnt. Delphine Batho, ehemalige Umweltministerin und heute fraktionslose Abgeordnete, zeigt sich enttäuscht.
"Das Projekt der Regierung hatte, als es hier angekommen ist, den 149 Vorschlägen des Bürgerkonvents schon den Rücken gekehrt. Die einzige Frage, die sich stellte, war: Wird das Parlament dem abhelfen? Die Antwort ist leider: Nein! Die Veränderungen sind marginal. Sie haben die Grundlage eines Gesetzes nicht verändert, das nicht einmal zehn Prozent der Vorschläge des Bürgerkonvents konkretisiert. Man hat uns hier gesagt: Wir haben Zeit, wir machen das später – erst kommen Wachstum und Konsum."

Ausnahmen und Abschwächungen

Erweitert haben die Abgeordneten die Gesetzesteile für die Renovierung schlecht isolierter Wohnungen. Nach dem neuen Gesetz könnte die Regierung über vier Millionen Mietobjekte verbieten. "Augenwischerei" sagen Opposition und Umweltverbände. Mieter müssten sich dafür gegen ihre Vermieter stellen. Das würde kaum passieren. Heftig diskutiert und schließlich verschärft wurden die Regeln zu vegetarischen Gerichten in staatlichen Kantinen. Ab 2023 müssen die Küchen in Verwaltung, Armee oder staatlichen Krankenhäusern täglich eine fleischlose Mahlzeit anbieten. Entgegen der Vorschläge des Bürgerkonvents für das Klima bleibt auch die Werbung für Produkte, die die Umwelt verschmutzen, weiter erlaubt. Lediglich Werbung für fossile Energie wird verboten.
Auch Ausnahmen und Abschwächungen mindern die Effizienz des Gesetzes, sagen Kritiker. So haben die Abgeordneten zwar beschlossen, dass große Geschäftszentren, die viel Fläche in Anspruch nehmen, nicht mehr gebaut werden dürfen. Allerdings gilt dies nicht, wenn sie kleiner als 10.000 Quadratmeter sind. Genau diese Geschäfte jedoch machen laut Umweltverbänden 80 Prozent der Neubauten aus.
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Opposition will Druck machen

Auch aus dem viel zitierten "Verbrechen Ökozid" wird nichts. Besonders schlimme Umweltverschmutzung wird nur noch als einfaches Vergehen eingestuft. Und schließlich werden auch nur die Inlandsflüge über Strecken gestrichen, die man genauso gut in zweieinhalb Stunden mit einem Schnellzug zurücklegen kann. Die Mitlieder des Bürgerkonvents hatten dies für Strecken von vier Stunden mit dem Zug verlangt. Sylvain Burquier, Mitglied des Bürgerkonvents warnt.
"Die Regierung hat erklärt, dass sie den CO2-Ausstoß um 40 Prozent verringern will. Die Europäische Union will sogar um 55 Prozent und China um 65 Prozent verringern. Das Gesetzesvorhaben kommt allenfalls auf etwa 20 Prozent. Wir hinken hinterher. Und die Dringlichkeit dieses Themas duldet kein Hinterherhinken."
Viele von Burquiers Kolleginnen und Kollegen sind von den Abgeordneten der Nationalversammlung enttäuscht. Sie hatten erwartet, die Parlamentarier würden den Gesetzestext der Regierung im Sinne der ursprünglichen Fassung des Bürgerkonvents wieder verschärfen und sprechen jetzt von einer verpassten Chance. Nun richten sich die Hoffnungen auf den Senat. Dort wird das Gesetz im Juni diskutiert. Außerdem – so heißt es bei Klimaschützern – gebe es auch noch andere Druckmittel: künftige Wahlen oder Demonstrationen.