In der Bretagne hat es Anfang November begonnen und dort soll es heute weiter gehen. 450 Kilometer westlich von Paris, im Finistère, am Ende der Welt. Das 8000-Seelen-Dorf Carhaix mit seinem Bürgermeister Christian Troadec steht für die Protestbewegung, die die Hauptstadt herausfordert:
"Wir wollen die definitive Abschaffung der Ökosteuer."
Diese Abgabe für Lkw ist seit Jahren beschlossen und sie wäre nächstes Jahr in Kraft getreten, gäbe es die Bewegung von Christian Troadec nicht. Paris hatte, als Anfang November Mautstationen und Radaranlagen im ganzen Land brannten, die Steuer auf Eis gelegt. Jetzt heißt es, sie könne 2015 in Kraft treten, vielleicht. Die Bretonen aber wollen Klarheit, deshalb geht es heute wieder auf die Straße.
"Leben, Entscheiden und Arbeiten in der Bretagne", das ist der Schlachtruf der Bewegung. Um den traditionellen und tief verwurzelten Wunsch nach Autonomie vieler Bretonen geht es dabei auch.
So wehen die schwarz-weißen Fahnen der Bretagne und überall tauchen die roten Mützen auf, wie sie im 17. Jahrhundert getragen wurden, als es gegen die Steuerpolitik unter Louis XIV. auf die Barrikaden ging.
Acht bis 15 Cent für die Nutzung der Nationalstraßen, denn die Autobahnen sind bereits mautpflichtig, " Re'zo re", "zu viel ist zu viel", riefen da die Bretonen. Die wirtschaftlichen Probleme sind in den Randregionen Frankreichs besonders ausgeprägt: In der Bretagne schließen Schlachthöfe und Agrarbetriebe, ziehen sich Autofirmen und Telekommunikationskonzerne zurück. So gingen sie alle auf die Straßen, Arbeiter, Bauern, Handwerker, Firmenchefs neben Beschäftigten. Die roten Mützen auf dem Kopf. An denen eine namhafte, bretonische Wollfabrik nun recht gut verdient. Elf Euro das Stück, vier Euro Gruppenrabatt.
Aber es gibt auch preiswerte Nachahmermodelle, weniger hochwertig und auf den Köpfen derer, die auf den fahrenden Zug der Protestbewegung aufsprangen, Jean-Marie Le Pen etwa, der greise Ehrenvorsitzende des extremen rechtspopulistischen "Front National."
"Ich bin Bretone mit Wurzeln im Morbihan. Und ich bin überzeugt, was in der Bretagne geschieht, hat nicht nur mit der Lkw-Maut zu tun, da geht es in Wahrheit um die Zukunftsängste der Franzosen, vor allem in den Regionen."
Ein Auftritt, den die etablierten Gewerkschaften Frankreichs auskosteten. Sie standen bei den Protesten ein wenig abseits, waren es nicht, die die Massen auf die Straßen gebracht hatten. Auch deshalb kritisieren sie die Bewegung jetzt, sagen, dort – in der Bretagne - seien "Poujadisten" am Werk - also jene Rechtsgerichteten, wie sie in den späten 50er-Jahren in Frankreich erfolgreich waren, darunter damals ein gewisser Jean-Marie Le Pen.
"Die ‚Bonnets Rouges‘ wollen doch nur Beschäftigte aus einem Teil Frankreich gegen einen anderen ausspielen, Franzosen gegen Franzosen, Regionen gegen Regionen,"
meint Thierry Leapon für die linke Gewerkschaft CGT, die sich mit einer anderen Gewerkschaft, der CFDT zusammengetan hat, um ihrerseits Demonstrationszüge zu organisieren, für Arbeit und soziale Fragen. Der Zulauf ist aber gering, die Rotmützen bringen mehr Menschen auf die Straße als die Syndikate, die gerne im Spiel bleiben möchten.
Und so entsteht eine gewisse Konkurrenz der Protestierenden. Für die Regierung ist das eine schwierige Lage, denn die Ansprechpartner sind damit zahlreich. Gestern blockierten Landwirte die Zufahrtsstraßen nach Paris, morgen will die Linksfront Richtung Finanzministerium marschieren. Was den Bretonen mit der Lkw-Maut gelang, möchte die radikale Linke mit der Mehrwertsteuererhöhung erreichen, die Anfang Januar ins Haus steht. Und immer mischen sich unter die Demonstranten solche mit roten Mützen, aber das Original stammt aus der Bretagne.