Mittwoch, 17. April 2024

Archiv


Frankreich setzt auf Verbote

In diesem Jahr hat Frankreichs Regierung ein Gesetz verabschiedet, das den Alkoholkonsum begrenzt. So dürfen erst Jugendliche ab 18 Jahren alkoholische Getränke kaufen. Flatratetrinken wurde ganz verboten.

Von Burkhard Birke | 19.11.2009
    Auf 200 Straßen in Paris, an vielen öffentlichen Plätzen in anderen Großstädten Frankreichs ist Alkohol mittlerweile tabu! In Stadien und an anderen Sportstätten wird kein Alkohol ausgeschenkt und dennoch ist der Trend unverkennbar.
    "An manchen Abenden kommen wir erst um 23 Uhr und um Mitternacht müssen wir so schnell wie möglich voll sein."

    "Manchmal trinken wir zu viel, aber es passiert nie etwas Schlimmes."

    "Ich besaufe mich schon mal am Wochenende."

    Komasaufen alias Binge Drinking, Flatratetrinken oder Open Bar, Warmtrinken auf der Straße, um horrende Klubpreise zu vermeiden: Frankreichs Jugendliche folgen dem internationalen Trend - und das, obwohl sie im weltweit zweitgrößten Weinerzeugerland mit dem Anblick der Weinflasche auf dem Esstisch aufgewachsen sind.

    "Die Jugendlichen konsumieren punktuell Alkohol",

    … meint Professor Roger Nordmann, Suchtexperte der Académie Nationale de Médicine.

    "Sie besaufen sich systematisch, was wir als Binge Drinking bezeichnen. 47 Prozent der Jugendlichen hatten sich 2005, im letzten Jahr der Erhebung, einmal pro Monat richtig betrunken; 2,3 Prozent sogar mindestens zehn Mal pro Monat, was viel schwerwiegender ist!"

    Sorge bereitet dem auch international engagierten Suchtexperten Nordmann, dass immer mehr Elf-, Zwölf- oder 13-Jährige zur Flasche greifen. Die Zahl der mit Alkoholvergiftung in Krankenhäuser eingelieferten Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren ist laut Statistik binnen drei Jahren um die Hälfte gestiegen. Grund genug für Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot zur Gegenoffensive zu blasen, obwohl Frankreich im Vergleich zu Großbritannien und den nordischen Ländern hervorragend dasteht. Auf Verbote, ganz klar, auf Prävention und Information will die Ministerin setzen.

    Ergebnis: Nach langem Tauziehen trat Ende Juli ein verschärftes Gesetz in Kraft. Statt mit 16 darf Alkohol jetzt erst mit 18 erworben und in der Öffentlichkeit konsumiert werden. Tankstellen dürfen zwischen 18 und acht Uhr überhaupt keine und auch tagsüber keine gekühlten alkoholischen Getränke mehr verkaufen. Flatratetrinken wurde verboten und die sogenannten Happy Hours dürfen nur stattfinden, wenn mindestens auch ein nicht alkoholisches Getränk zum Rabattpreis angeboten wird. Kostenloser Ausschank wurde zwar prinzipiell untersagt, aber wie so vieles in Frankreich mit Einschränkungen: Die Winzer dürfen weiter ihre Weinproben veranstalten.

    "Ein großer Fortschritt, aber noch unzureichend","

    … meint Suchtexperte Nordmann, der sich insbesondere stärkere Einschränkungen bei der Werbung gewünscht hätte. Die meisten Jugendlichen scheinen die Gesetzesverschärfung gar nicht registriert zu haben, beziehungsweise bezweifeln seine Wirksamkeit:

    ""Ich finde dieses Gesetz gut. Das hilft, vieles zu vermeiden, aber es wird nicht respektiert. Als Minderjährige ist es kein Problem, Alkohol zu kaufen."

    "Das bringt überhaupt nichts, weil die keine Ausweise kontrollieren, wenn jemand alt genug aussieht."

    Und das, obwohl Strafen zwischen 3750 und 7500 Euro bei Verstößen drohen. Neben Prohibition setzt man denn verstärkt auf Information: Morgen wird eine Posterkampagne gestartet und seit einiger Zeit laufen schon Werbespots in Fernsehen und Kino, die vor Koma, sexueller Nötigung und Unfällen nach Alkoholkonsum warnen.