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Frankreich
Umstrittenes politisches Manöver

Um ein neues Wirtschaftsgesetz gegen den Widerstand aus den eigenen Reihen durchzubringen, griff der französische Premierminister Manuel Valls auf ein umstrittenes Manöver zurück: auf den Artikel 49-3 der Verfassung. Damit kann ein Gesetz ohne Abstimmung als angenommen gelten - außer ein Misstrauensantrag gegen die Regierung ist erfolgreich.

Von Anne Raith | 19.02.2015
    Frankreichs Premierminister Manuel Valls am 16.09.2014 in der Nationalversammlung.
    Premierminister Manuel Valls griff zu einem seltenen politischen Manöver, um ein Gesetz durchzubekommen. (AFP / Patrick Kovarik)
    Wirtschaftsminister Emmanuel Macron ist noch immer in Rage. Am Tag, nachdem sein Reformprojekt wegen schwächelnder Mehrheiten ohne Abstimmung durchgedrückt wurde, stellt er sich im Halbrund der Nationalversammlung erneut der Kritik der Abgeordneten. Dort wie im Fernseh-Interview verteidigt der 37-Jährige nicht nur die geplanten Reformen, sondern auch das Vorgehen der Regierung nach Artikel 49-3, das als "undemokratisch" kritisiert wird.
    "Nach über 200 Stunden Beratungen? Nach 1.000 angenommenen Änderungsanträgen? Das Gesetz ist eine Co-Produktion von Regierung und Parlament. Da akzeptiere ich solch eine Wertung nicht!"
    Auch der Ministerrat steht geschlossen hinter der "Loi Macron", die zwar den Namen des Ministers trägt, aber ein Projekt der Regierung ist. Jean-Marie Le Guen, der für die Parlamentsbeziehungen zuständige Staatssekretär, bekräftigt:
    "Die richtige Lösung für unser Land und für die Linke ist, diese Regierung zu unterstützen, und wir setzen unseren Kurs fort."
    Drohungen aus dem linken Lager
    Doch genau der missfällt dem linken Lager der Sozialistischen Partei - ganz grundsätzlich. Und auch wenn davon ausgegangen wird, dass sich die Abweichler in der "Causa Macron" dem Misstrauensantrag der Opposition nicht anschließen werden, droht Regierungssprecher Stéphane Le Foll im Interview mit "Europe 1" vorsorglich:
    "Wer für den Misstrauensantrag stimmt, hat keinen Platz in der Partei. Wer mit der UMP stimmt und sich links nennt, also das ist ein großes Problem!"
    Ein Problem, dass die Linksfront - also links der regierenden Sozialisten - offenbar nicht hat. André Chassaigne von der Kommunistischen Partei begründet seine Zustimmung für den Antrag der Konservativen so:
    "Das ist nun mal die einzige Möglichkeit, gegen das Wirtschaftsgesetz zu stimmen. Natürlich hätten wir lieber einen eigenen Misstrauensantrag eingebracht, wir stimmen mit der Analyse der Konservativen natürlich nicht überein, aber dafür fehlten uns die Stimmen. Wir wünschen uns in erster Linie eine andere linke Regierung."
    "Wir laden alle ein, die sagen: Es reicht"
    So wie die Konservativen und das Bündnis der Mitte, die den Misstrauensantrag eingereicht haben, ganz grundsätzlich auf eine andere Regierung hoffen. Und so wirbt UMP-Fraktionschef Christian Jacob um möglichst viele Stimmen - jedweder Coleur.
    "Wir laden alle ein, die sagen: Es reicht. Wir können so nicht weiter machen, mit einer Arbeitslosigkeit, die jeden Monat steigt."
    Alle, das wären auch die zwei Abgeordneten des rechten Front National. Die Grünen wiederum lehnen ab, der Regierung ihr Misstrauen auszusprechen, das machte der Abgeordnete Noel Mamère sehr deutlich:
    "Ich glaube nicht den Bruchteil einer Sekunde daran, dass die Grünen und die Sozialisten dem Antrag zustimmen. Denn dann stürzt die Regierung. Und wenn die Konservativen an die Macht kommen, ist das noch schlimmer."
    Mögliche Signalwirkung
    Eigentlich hat die sozialistische Regierung also nichts zu befürchten - denn dass die Opposition die benötigten 289 Stimmen zusammenbekommt, ist unwahrscheinlich. Und doch könnte von der Abstimmung erneut ein Signal ausgehen. Denn wie die Zeitung "Le Monde" vorrechnet, zählen am Ende nur die abgegebenen Stimmen - wer sich enthält, gefährdet nicht die Regierungsmehrheit, kann aber durchaus sein Missfallen ausdrücken. Scheitert das Misstrauensvotum gilt das Gesetz als angenommen und geht in den Senat. Der Streit innerhalb der regierenden Sozialistischen Partei ist damit aber noch nicht gelöst.

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