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Frankreich
Vor dem Misstrauensvotum

Die geplanten Arbeitsmarktreformen, die Premierminister Manuel Valls ohne Abstimmung im Parlament durchsetzen will, werden für die französische Regierung zur Zerreißprobe. Die rechte Opposition hat einen Misstrauensantrag gestellt, der am Nachmittag in der Nationalversammlung debattiert wird. Aber auch sozialistische Abgeordneten widersetzen sich dem Regierungskurs.

Von Barbara Kostolnik | 12.05.2016
    Frankreichs Premierminister Valls am 10.4.2016 steht bei einem Besuch in Algerien vor den Flaggen der EU und Frankreichs.
    Will Arbeitsmarktreformen ohne Zustimmung des Parlaments durchsetzen: Manuel Valls (dpa / picture alliance / str)
    Sie kann einem fast ein bisschen leid tun, diese französische Regierung. Da will sie nun unbedingt das Land reformieren, und dann machen ihr ihre eigenen Leute einen Strich durch die Rechnung:
    "Dieser Premier-Minister spürt einfach überhaupt nicht, dass derzeit in Frankreich ein Klima sozialer Spannung herrscht, wie noch nie seit die Linke 2012 an die Macht gekommen ist", schimpft Christian Paul, einer der Chef-Abweichler in der Fraktion der sozialistischen Abgeordneten.
    Er bekämpfte schon das umstrittene Wirtschaftsgesetz, das unter andrem eine vorsichtige Liberalisierung der Sonntagsarbeit bedeutete. Nun streitet er gegen die Arbeitsmarktreformen - mit einigem Erfolg: Weil die Regierung im Parlament für das Gesetz keine eigene Mehrheit bekam, musste Manuel Valls ein weiteres Mal die Keule herausholen:
    "Der Präsident hat mich ermächtigt, im Zusammenhang mit dem Gesetz für neue Freiheiten und neuen Schutz für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, meine Regierungs-Verantwortung wahrzunehmen."
    Sprich: Es gibt keine Abstimmung über die Arbeitsmarktreformen - die Regierung zieht den Paragrafen 49/3 der Verfassung. Damit vermeidet sie eine Abstimmung über das Gesetz, riskiert allerdings gleichzeitig ein Misstrauensvotum. Das natürlich kommt.
    Konservative Opposition stellt Misstrauensvotum
    "Wir haben den Antrag gestellt, damit es mit dieser Regierungsmehrheit, die keine mehr ist, endlich ein Ende hat", ließ der konservative Abgeordnete Eric Ciotti verlauten, "diese Regierung handelt nicht mehr, sie regiert nicht mehr."
    Dass die konservative Opposition einen Misstrauensantrag stellt, ist nicht neu, neu war, dass auch die linken Frondeure, also die sozialistischen Abweichler wie Pouria Amirshahi laut darüber nachdachten:
    "Wir könnten ein eigenes linkes Misstrauensvotum machen, das würde die Lage endlich klären."
    Nur: Dazu waren dann doch nicht alle in der Lage. Am Ende fehlten zwei mickrige Stimmen für einen eigenen linken Misstrauensantrag.
    "Das war schon was", erklärte ein enttäuschter Laurent Baumel umgeben von einer Traube von Journalisten. "Wir haben versucht, so viele wie möglich zu erreichen und 56 statt der nötigen 58 Stimmen zu bekommen."
    Richtig konsequent wäre es nun, würden die Frondeure mit der Opposition gegen die Regierung stimmen. Das allerdings wäre der ultimative Affront, der die Arbeitsministerin El Khomri, die dem umstrittenen Gesetz ihren Namen gibt, zu der schnippischen Bemerkung veranlasste:
    "Für mich ist ein linker Frondeur, der mit der rechten Opposition stimmt, kein Linker mehr, sondern ein Rechter."
    Soweit aber wird es nicht kommen. Denn die Regierung hat ein Ass im Ärmel, das mit Sicherheit sticht. Nächstes Jahr nämlich sind in Frankreich nicht nur Präsidentschafts-, sondern auch Parlamentswahlen. Und wer nicht spurt, der könnte schon mal mit Sanktionen rechnen:
    "Irgendwann ist Schluss, dann muss man diese Abweichler aus der Partei ausschließen. Es reicht, dass sie uns alle in Geiselhaft nehmen", grummelt der gemäßigte sozialistische Abgeordnete Philippe Doucet. "Sie können sich ja überlegen, ob sie Groupie von Jean-Luc Mélénchon werden."
    Dieser hätte sicherlich nichts dagegen. Der extreme Linke Mélenchon träumt schon lange davon, wie ein deutscher Oscar Lafontaine eine neue echte Linke unter seiner Führung zu vereinigen.