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Frankreich will EU-weites Bisphenol A-Verbot

Die in Lebensmittelverpackungen und Spielzeug verwendete Chemikalie Bisphenol A greift wahrscheinlich in das menschliche Hormonsystem ein. Das hat eine Studie der französischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ergeben. Frankreich will nun ein EU-weites Verbot des Weichmachers durchsetzen.

Von Suzanne Krause |
    Auch Babyflaschen sind mit Bisphenol A versetzt.
    Auch Babyflaschen sind mit Bisphenol A versetzt. (picture alliance / dpa/ Weng lei - Imaginechina)
    Drei Jahre lang sichtete die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit ANSES internationale wissenschaftliche Studien zu den Auswirkungen von Bisphenol A. Bislang konnte noch nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass der Weichmacher wirklich in das menschliche Hormonsystem eingreift. Bei Labortieren allerdings wird dies immer deutlicher belegt. Die Arbeitsgruppe der ANSES hat nicht nur die Metastudie erstellt. Sondern gleichfalls und erstmals gemessen, wie Bisphenol A hauptsächlich in den menschlichen Organismus gelangt. Dominique Gombert, Direktor der Abteilung Risikoeinschätzung bei der ANSES:

    "Insbesondere bei schwangeren Frauen steht die Ernährung an erster Stelle: 84 Prozent des Bisphenol A, das in den Körper gelangt, wird über das Essen aufgenommen. Zwölf Prozent des Stoffs im Körper stammen aus der Luft, vier Prozent vom Staub."

    Knapp die Hälfte der gesamten Bisphenol-A-Dosis, die in den Körper gelangt, stammt von der Innenbeschichtung von Konservenbüchsen und Lebensmittelverpackungen aus Plastik. Insbesondere bei Fertiggerichten und sauren Esswaren ist der Anteil des Weichmachers in der Verpackung hoch.

    "Wir haben bei unseren Messungen aufgedeckt, dass auch Meeresfrüchte, Schalentiere sowie Fleisch und Wurst mit Bisphenol A kontaminiert sind. Warum, das können wir uns derzeit noch nicht erklären."

    Im September 2011 präsentierte die ANSES erste Ergebnisse ihrer Arbeit. Und hielt damals fest: Schon geringste Dosen sind schädlich. Ein Resultat, das sie nun bekräftigt. 2010 hat die europäische Einrichtung für Lebensmittelsicherheit, EFSA, einen Grenzwert für die höchstzulässige Tagesdosis an Bisphenol A festgesetzt. Laut der französischen Behörde liegt der einige tausendfach über dem, was die ANSES laut ihren Erkenntnissen als toxikologisch unbedenklichen Grenzwert einschätzt.

    "Wir fordern, Schwangere weniger dem Bisphenol A auszusetzen. Das sollte auch für die gesamte Bevölkerung gelten. Zwar haben wir in unserer Arbeit nicht die Risiken für andere Bevölkerungsgruppen studieren können, aber es gibt selbstverständlich weitere gefährdete Gruppen. Und das sind nicht nur Säuglinge."

    Seit Januar hat Frankreich Bisphenol A in der Verpackung von Babynahrung gesetzlich verboten. Ab 2015 müssen alle Lebensmittelverpackungen frei sein vom Weichmacher. Umweltministerin Delphine Batho will sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, den gefährlichen Stoff auch im Spielzeugbereich zu verbannen. Bislang ist kein Stoff bekannt, der Bisphenol A in all seinen Anwendungen ersetzen könnte. Aber in den verschiedenen Sektoren gibt es insgesamt 73 potenzielle Ersatzmöglichkeiten, wie die ANSES ermittelte. Die meisten Stoffe jedoch müssen erst noch toxikologisch getestet werden. Mancher Kassenzettel beispielsweise enthält heute statt Bisphenol A Bisphenol S – doch das könnte ähnliche, wenn nicht noch schlimmere Auswirkungen haben. Marc Mortureux, Generaldirektor der französischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, sagt: Das Thema ist noch lange nicht abgeschlossen:

    "Wir warten auf die Ergebnisse einer sehr großen Studie, die die amerikanische Behörde für Lebensmittelsicherheit gerade durchführt und mit der wir in Kontakt stehen. Zudem arbeiten wir mit der Weltgesundheitsbehörde zusammen. Die hat kürzlich festgehalten, dass Stoffe wie Bisphenol A, die in den menschlichen Hormonhaushalt eingreifen, in Zukunft eines der größten gesundheitlichen Probleme darstellen werden."

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