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Frankreichs angedrohtes Veto zu einer zweiten UNO-Resolution zum Irak

Zagatta: Das also ist die Ausgangsposition für die nächsten Tage: Die USA sehen die Zeit für einen Krieg gekommen. Frankreich dagegen, das ja schon mit seinem Veto gedroht hat, sieht im Moment keinen Anlass für eine zweite UNO-Resolution zum Irak. Kann man das noch irgendwie zusammenbringen? Wolfgang Ehrhart ist der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen und jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Ehrhart.

    Ehrhart: Guten Tag, Herr Zagatta.

    Zagatta: Herr Ehrhart, wenn die USA gewillt sind, diese Resolution einzubringen, und Frankreich das nicht mitmachen will, muss Paris dann von seinem Veto gegen eine solche Resolution Gebrauch machen oder gibt es da noch Zwischenwege? Sitzen die USA am längeren Hebel? Ist da noch irgendetwas zu machen?

    Ehrhart: Ja, normalerweise dienen dazu die informellen Konsultationen innerhalb des Sicherheitsrates, die hinter verschlossenen Türen laufen. Dort lotet man aus, welche Möglichkeiten zur Kompromissbildung vorhanden sind. Sollte es dazu nicht kommen, dass man einen Kompromiss findet, so wäre unter der Prämisse, dass Frankreich tatsächlich eine weitere Resolution nicht mittragen möchte, formal die Möglichkeit gegeben, dass es ein Veto einlegt - das wäre die eine Möglichkeit - oder aber, dass Frankreich den Widerstand auch unter den restlichen Mitgliedern des Sicherheitsrates organisiert und noch sechs Staaten hinzugewinnt. Also, sieben Gegenstimmen würden ausreichen, um die qualifizierte Mehrheit zu verhindern. Man spricht in diesem Fall von einem kollektiven Veto.

    Zagatta: Aber wenn diese Gespräche im Vorfeld nichts bringen, wenn also die USA dann tatsächlich gewillt sind, so eine Resolution einzubringen, dann hat Frankreich, wenn ich Sie jetzt recht verstanden habe, keine Möglichkeit, dass mit irgendwelchen Verfahrensfragen zu verhindern?

    Ehrhart: Nein, das auf keinen Fall. Ich denke, dass die USA das aber auch nur dann machen werden, wenn sie sich einigermaßen sicher sind, dass sie ihre Resolution durchbekommen.

    Zagatta: Oder wenn sie demonstrieren wollen: Wir bringen da eine Resolution ein und die UNO handelt nicht entsprechend.

    Ehrhart: Das wäre die eine Möglichkeit, aber dann würden sie auch das Risiko eingehen, dass man ihnen vorhält: Ihr habt, obwohl ihr keine Resolution mehr bekommen habt, die euch ermächtigt, militärisch gegen den Irak vorzugehen, gehandelt. Das wäre natürlich auch aus der Sicht der USA problematisch. Insofern denke ich mir, würde es ihnen auch genügen, wenn sie die vorhandene Resolution, also die 1441, als Grundlage nehmen. Sie behaupten ja auch immer, dass das ausreicht.

    Zagatta: Aber, Herr Ehrhart, wenn die USA - und dem Vernehmen nach wollen sie das ja auch - eine ganz kurze Resolution einbringen und darin eben feststellen, dass sich der Irak nicht an diese Resolution hält, wenn da gar nicht mehr drinsteht in dieser zweiten Resolution, ist dann ein französisches Veto überhaupt denkbar?

    Ehrhart: Formal ist es auf jeden Fall denkbar. Ob die tatsächlich nun dieses Veto erheben, das wird sicherlich von der konkreten Situation abhängen und auch davon, ob die Chefs der Abrüstungskommission, also Herr Blix und Herr El Baradei, noch einmal die Möglichkeit haben, vor den Rat zu treten und ihren Bericht abzugeben. Dann hängt es davon ab, wie dieser Bericht ausfällt. Beim letzten Mal ist er ja eher nicht zu Gunsten der USA ausgefallen.

    Zagatta: In Paris heißt es aber auch, ein Veto in der UNO, ein Veto gegen die USA sei wie eine Atombombe. Damit droht man, aber man zündet sie nicht. Wer steckt denn aus Ihrer Sicht jetzt tiefer in der Zwickmühle: Paris oder Berlin?

    Ehrhart: Berlin steckt ja insofern nicht in der Zwickmühle, weil Berlin ja kein Veto-Recht hat. Also, Berlin kann diese Möglichkeit überhaupt erst gar nicht in Erwägung ziehen und ich denke mir, dass es Paris insofern einfacher hat. Die brauchen kein Veto einzulegen, wenn sie es nicht für nötig halten. Ich halte es auch im Augenblick jedenfalls nicht für wahrscheinlich. Im Vorfeld droht man damit. Das ist ein normales Spiel in den Vereinten Nationen, das machen auch die andere Veto-Mächte, aber das heißt nicht, dass es tatsächlich dann auch erhoben wird.

    Zagatta: Dann würde aber Deutschland ziemlich alleine dastehen.

    Ehrhart: Diese Gefahr besteht auf jeden Fall, und da muss die Bundesregierung sehen, dass sie dann eben nicht in diese Zwickmühle kommt. Ich weiß natürlich nicht, welche Konsultationen zwischen Paris und Berlin im einzelnen laufen, aber ich denke mir, dass beide Seiten ein Interesse daran haben, den anderen nicht im Regen stehen zu lassen.

    Zagatta: Nun hat Bundeskanzler Schröder in Goslar sein Nein im Sicherheitsrat angekündigt oder angedeutet. Ist das für Sie eigentlich ein Nein oder eine Enthaltung? Ist Ihnen als UNO-Experte die deutsche Haltung eigentlich klar?

    Ehrhart: Also, ich habe es nicht so verstanden, dass es ein Nein ist, sondern es war nur ein Hinweis darauf, dass man eine Resolution nicht unterstützen will, die - wie die USA sie jetzt vorsehen - eine Ermächtigung zum Krieg gibt. Dazu wird Deutschland die Zustimmung nicht geben. Das schließt aber eine Enthaltung nicht aus. Wie gesagt, die deutsche Stimme ist in dem Fall nicht entscheidend.

    Zagatta: Wenn es aber zu diesem Eklat, über den wir gesprochen haben, kommt, bei dem nicht ausgeschlossen ist, dass sich Amerikaner und Briten im Sicherheitsrat die Zähne am Veto der Franzosen ausbeißen, dass sie daran scheitern und dann den Irak-Krieg im Alleingang führen, was würde das aus Ihrer Sicht für die Vereinten Nationen bedeuten?

    Ehrhart: Ja, das würde natürlich eine Schwächung des Sicherheitsrates und auch der Vereinten Nationen bedeuten, denn man ist sich uneins und es gilt immer die Regel: Je größer die Einigkeit im Sicherheitsrat, um so stärker die Vereinten Nationen. Und das kann man eben auch umdrehen. Das heißt, die Vereinten Nationen wären schon auf absehbare Zeit beschädigt.

    Zagatta: Wären Sie nur beschädigt, nur geschwächt - oder wäre das eigentlich fast schon so etwas wie das Ende?

    Ehrhart: Nein, ich glaube, das sollte man nicht zu sehr dramatisieren. Es gab schon viele Konflikte innerhalb der Vereinten Nationen, die vor allen Dingen zwischen den Großmächten ausgetragen wurden. Wie Sie sehen, die Vereinten Nationen haben es immer wieder überstanden. Das hängt einfach damit zusammen, dass auch die USA sie auf lange Sicht brauchen.

    Zagatta: Wolfgang Ehrhart, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. Herr Ehrhart, schönen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio