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Frankreichs Anti-Terror-Politik
Suche nach konsequenten Antworten

Nach den Anschlägen von Kopenhagen ist das Mitgefühl der Franzosen nicht nur vor der dänischen Botschaft deutlich zu spüren. Zu nah sind die Erinnerungen an die Ereignisse in Paris vor mehr als einem Monat. Frankreich selbst sucht unterdessen immer noch nach passenden Antworten auf den Terrorismus.

Von Anne Raith | 16.02.2015
    Vor der dänischen Botschaft in Paris
    Trauerbekundungen vor der dänischen Botschaft in Paris (deutschlandradio.de / Anne Raith)
    Sie sind das sichtbarste Zeichen dessen, was passiert ist: Die Polizisten und Gendarme, die seit den Anschlägen von Paris zu Tausenden in den Straßen und auf den Plätzen der Republik postiert sind. Schwer bewaffnet bewachen sie jene Orte, die als besonders gefährdet gelten: Synagogen, jüdische Schulen und an diesem Abend auch verstärkt die dänische Botschaft, an der eine Mahnwache stattfindet. Auch Laura Ramberg ist gekommen, um Blumen niederzulegen. Die Dänin ist noch immer geschockt, überrascht aber ist sie nicht:
    "Das denke ich gilt für alle Dänen. Man hat es irgendwie erwartet. Ich freue mich, dass die dänische Polizei so schnell gearbeitet hat."
    Ansehen der Polizei so gut wie nie
    Und Schlimmeres verhindert hat. Auch in Frankreich hat sich das Verhältnis zu Polizei und Gendarmerie seit den Anschlägen von Paris verändert. Laut einer aktuellen Umfrage war das Bild, das die Franzosen von der Polizei haben, nie besser. Auch Marise findet, man müsse der Arbeit der Uniformierten Respekt zollen – was nichts daran ändere, dass sie den Eindruck habe, es herrsche Krieg.
    "Ich hab den Eindruck, als seien wir im Krieg."
    Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass für die Île de France noch immer die höchste Alarmstufe gilt. Verstärkt wird dieser Eindruck auch dadurch, dass immer wieder Zwischenfälle gemeldet und Terrorverdächtige festgenommen werden. Dass es nur wenige Wochen nach Paris nun auch Anschläge in Kopenhagen gegeben hat.
    "Nous sommes dans la guerre."Auch Präsident Francois Hollande spricht von Krieg. Einen Krieg, dem seine Regierung und er nicht – wie im vergangenen Jahr - mit neuen Gesetzen, sondern mit mehr Ausgaben für die Sicherheit begegnen wollen. 735 Millionen Euro will die französische Regierung insgesamt in den kommenden drei Jahren für ihren Anti-Terror-Kampf bereitstellen – vor allem um der wachsenden Zahl an zu überwachenden Personen gerecht zu werden. 3.000 sollen es im Moment in Frankreich sein. Eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Daher appelliert der französische Innenminister Bernard Cazeneuve nach den Anschlägen von Kopenhagen an die EU:
    "Wir stehen zusammen, wenn es darum geht, im Kampf gegen den Terrorismus vorzubeugen, uns anzupassen. Wir stehen in der Europäischen Union zusammen."
    Wie kann Radikalisierung verhindert werden?
    Und so drängt Frankreich darauf, die Außengrenzen des Schengen-Raumes stärker zu überwachen und auch beim Thema Fluggast-Datenspeicherung, die in Frankreich ab September dieses Jahres eingeführt werden soll, hat die französische Regierung beim EU-Gipfel vergangene Woche auf Fortschritte gedrängt. Sie sei unerlässlich, so Präsident Hollande.
    Der französische Terrorexperte Marc Hecker vom Institut Français des Relations Internationales warnt davor zu glauben, dass mehr Mittel für die Geheimdienste etwa mehr Sicherheit bedeuteten, dafür sei die Gefahr heutzutage viel zu divers:
    "Der Krieg in Syrien spielt eine Rolle, Hunderte Franzosen kämpfen dort derzeit, die eventuell zurückkommen, um hier Attentate zu verüben. Dann gibt es das Risiko, dass sie sich hier in Frankreich im Internet radikalisieren und das Risiko, dass alte Zellen plötzlich reaktiviert werden, wie im Falle von Charlie Hebdo."
    Und so versucht die französische Regierung auch auf diese Bedrohungen eine Antwort zu finden. Mit Internetsperren und einer eigenen Internetseite, auf der mit martialischen Bildern vor islamistischer Propaganda gewarnt wird – doch Experten kritisieren die schlechte Qualität des Videos und die holzschnittartigen Verhaltensregeln, die dort transportiert werden. Auch der Vorstoß, Islamisten im Gefängnis zu isolieren, um andere Gefangene vor radikalem Gedankengut zu schützen ist umstritten. Gewerkschaftsvertreter Yoan Karar schildert seine Erfahrungen im Gefängnis in Fresnes:
    "Seit das Projekt bei uns läuft, waren das einzige, was wir gesehen und gehört haben, gemeinsame Gebete, Aufrufe zum heiligen Krieg und Predigten, die aus den Zellenfenstern schallten. Unsere Erfahrungen sind eher negativ."
    Frankreich sucht nach passenden Antworten
    Gerade, wenn es darum geht zu verhindern, dass sich junge Leute in Frankreich im Internet oder im Gefängnis radikalisieren, sieht auch Terrorexperte Marc Hecker noch Defizite:
    "Die Politik hat sich lange nicht mit diesen Fragen beschäftigen wollen, weil das nicht zu unserem Verständnis von Laizität passte".
    Auf die Frage, wie der Islam nun zu Frankreich passen könnte, suchen nicht nur die regierenden Sozialisten eine Antwort, auch die oppositionelle UMP hat eine entsprechende Arbeitsgruppe gegründet. In beiden Parteien geht die Angst um, dass die Debatte vor den Departement-Wahlen im März und den Regionalwahlen Ende des Jahres vor allem dem rechten Front National in die Hände spielen könnte.
    Schon jetzt nutzt die Partei die Debatte für ihre Zwecke. In Béziers zum Beispiel, im Süden Frankreichs, plakatiert der FN-nahe Bürgermeister, der die örtliche Polizei gerade hat bewaffnen lassen, großformatige Abbildungen einer Pistole und dem Schriftzug "Endlich hat die örtliche Polizei einen neuen Freund". Der Wahlkampf hat begonnen.