"In Frankreich gelten Gefängnisstrafen als einzig mögliche Antwort auf Kriminalität. Dabei kommen alle internationalen Forschungen zu dem Ergebnis, dass Gefängnis nicht abschreckend wirkt, sondern den Rückfall begünstigt."
Sagt Sarah Dindo, von der französischen Nichtregierungsorganisation "Internationales Observatorium der Gefängnisse". Aber die Wirkungsforschung zu Strafe und Behandlung im Strafvollzug wird in Frankreich offenbar nicht zur Kenntnis genommen.
"Verglichen mit seinen europäischen Nachbarn hat Frankreich auf diesem Gebiet einen gewaltigen Rückstand. Vor allem in angelsächsischen Ländern untersuchen Wissenschaftler, welche Resozialisierungsmaßnahmen funktionieren und wie sich die verschiedenen Strafen auf die Rückfallgefahr auswirken. Aber in Frankreich nicht."
Weil "Wegsperren" hier immer noch als besonders wirksames Mittel gegen Kriminalität gilt, sind die französischen Gefängnisse auch zum Bersten voll. Im Juli gab es mehr als 68.000 Häftlinge bei 57.000 Plätzen. Zwei oder drei Häftlinge müssen sich Zellen teilen, die für eine Person gedacht sind. Das löst Aggressionen und Gewalt aus.
Der Europarat hat Frankreich mehrfach wegen unzumutbarer Haftbedingungen verurteilt: Isolationshaft, Selbstmord, Vergewaltigungen, veraltete Infrastruktur gehören zu den Problemen, die immer wieder angeprangert werden. Karim Mokthari wurde nach einem bewaffneten Raubüberfall zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er sechs absaß. Der 35-Jährige berichtet, wie er in dieser Zeit verroht ist.
"Das Gefängnis ist ein Staat im Staat, wo die Gewalt regiert. Ich habe dort Gewalt erlitten und bin selbst zum Tier geworden. Man glaubt, alles was in Freiheit verboten ist, sei im Gefängnis erst recht verboten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Das System ist krank, die Überfüllung verdirbt es. Es widerspricht allen Werten, die in der Gesellschaft gelten. Deshalb kann es seine Aufgabe nicht erfüllen."
Die sozialistische Justizministerin Christiane Taubira hat versprochen, dass sie das Strafsystem gründlich reformieren und die Gefängnisse entlasten will. Ihr Reformprojekt enthält zwei einschneidende Änderungen: In Zukunft sollen alle Strafen individuell verhängt werden. Bisher gab es für Wiederholungstäter automatische Mindeststrafsätze, sie sollen also abgeschafft werden. Und: Wer für kleine Delikte verurteilt wurde, kann demnächst eine neue Alternativstrafe mit Auflagen erhalten, die gezielt auf den Straftäter zugeschnitten wird.
Aber die Widerstände sind groß. Selbst Gegner aus dem eigenen Lager, allen voran der sozialistische Innenminister, haben die geplante Reform angegriffen und stark verändert.
Sarah Dindo vom "Internationalen Observatorium der Gefängnisse" hat den Gesetzesvorschlag untersucht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die neue "Strafe unter Auflagen" nur ganz wenige Delikte wie zum Beispiel Trunkenheit am Steuer betrifft. Sie kann die Zahl der Inhaftierungen daher auch nur geringfügig drosseln. Größere Auswirkungen dürfte hingegen eine Neuerung haben, die in der öffentlichen Debatte kaum wahrgenommen wird.
"Das Projekt verändert eine Maßnahme, die von der konservativen Vorgänger-Regierung eingeführt wurde: Unter Nicolas Sarkozy wurden die Haftstrafen für kleine Wiederholungstäter erheblich verschärft. Das bewirkte eine Überfüllung der Gefängnisse und deshalb wurde wenig später ein Gegenmittel geschaffen: Schon seit 2009 können die Richter zu Alternativstrafen wie der elektronischen Fußfessel greifen. Genau diese Möglichkeit der Haftverschonung schränkt der neue Text aber erheblich ein. Das Justizministerium schätzt, dass es allein durch diese Änderung fünf bis 12.000 zusätzliche Gefangene geben dürfte."
Die Abschaffung der automatischen Mindeststrafsätze wirkt sich hingegen nur auf die Haftdauer aus. Das Internationale Observatorium der Gefängnisse geht davon aus, dass die Gefängnisse zunächst einmal noch voller werden. Die Fachleute warten jetzt gespannt auf die Parlamentsdebatte im Frühjahr: Dann können die Abgeordneten das Gesetz erheblich verändern – zum Besseren oder aber zum Schlechteren.
Sagt Sarah Dindo, von der französischen Nichtregierungsorganisation "Internationales Observatorium der Gefängnisse". Aber die Wirkungsforschung zu Strafe und Behandlung im Strafvollzug wird in Frankreich offenbar nicht zur Kenntnis genommen.
"Verglichen mit seinen europäischen Nachbarn hat Frankreich auf diesem Gebiet einen gewaltigen Rückstand. Vor allem in angelsächsischen Ländern untersuchen Wissenschaftler, welche Resozialisierungsmaßnahmen funktionieren und wie sich die verschiedenen Strafen auf die Rückfallgefahr auswirken. Aber in Frankreich nicht."
Weil "Wegsperren" hier immer noch als besonders wirksames Mittel gegen Kriminalität gilt, sind die französischen Gefängnisse auch zum Bersten voll. Im Juli gab es mehr als 68.000 Häftlinge bei 57.000 Plätzen. Zwei oder drei Häftlinge müssen sich Zellen teilen, die für eine Person gedacht sind. Das löst Aggressionen und Gewalt aus.
Der Europarat hat Frankreich mehrfach wegen unzumutbarer Haftbedingungen verurteilt: Isolationshaft, Selbstmord, Vergewaltigungen, veraltete Infrastruktur gehören zu den Problemen, die immer wieder angeprangert werden. Karim Mokthari wurde nach einem bewaffneten Raubüberfall zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er sechs absaß. Der 35-Jährige berichtet, wie er in dieser Zeit verroht ist.
"Das Gefängnis ist ein Staat im Staat, wo die Gewalt regiert. Ich habe dort Gewalt erlitten und bin selbst zum Tier geworden. Man glaubt, alles was in Freiheit verboten ist, sei im Gefängnis erst recht verboten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Das System ist krank, die Überfüllung verdirbt es. Es widerspricht allen Werten, die in der Gesellschaft gelten. Deshalb kann es seine Aufgabe nicht erfüllen."
Die sozialistische Justizministerin Christiane Taubira hat versprochen, dass sie das Strafsystem gründlich reformieren und die Gefängnisse entlasten will. Ihr Reformprojekt enthält zwei einschneidende Änderungen: In Zukunft sollen alle Strafen individuell verhängt werden. Bisher gab es für Wiederholungstäter automatische Mindeststrafsätze, sie sollen also abgeschafft werden. Und: Wer für kleine Delikte verurteilt wurde, kann demnächst eine neue Alternativstrafe mit Auflagen erhalten, die gezielt auf den Straftäter zugeschnitten wird.
Aber die Widerstände sind groß. Selbst Gegner aus dem eigenen Lager, allen voran der sozialistische Innenminister, haben die geplante Reform angegriffen und stark verändert.
Sarah Dindo vom "Internationalen Observatorium der Gefängnisse" hat den Gesetzesvorschlag untersucht. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die neue "Strafe unter Auflagen" nur ganz wenige Delikte wie zum Beispiel Trunkenheit am Steuer betrifft. Sie kann die Zahl der Inhaftierungen daher auch nur geringfügig drosseln. Größere Auswirkungen dürfte hingegen eine Neuerung haben, die in der öffentlichen Debatte kaum wahrgenommen wird.
"Das Projekt verändert eine Maßnahme, die von der konservativen Vorgänger-Regierung eingeführt wurde: Unter Nicolas Sarkozy wurden die Haftstrafen für kleine Wiederholungstäter erheblich verschärft. Das bewirkte eine Überfüllung der Gefängnisse und deshalb wurde wenig später ein Gegenmittel geschaffen: Schon seit 2009 können die Richter zu Alternativstrafen wie der elektronischen Fußfessel greifen. Genau diese Möglichkeit der Haftverschonung schränkt der neue Text aber erheblich ein. Das Justizministerium schätzt, dass es allein durch diese Änderung fünf bis 12.000 zusätzliche Gefangene geben dürfte."
Die Abschaffung der automatischen Mindeststrafsätze wirkt sich hingegen nur auf die Haftdauer aus. Das Internationale Observatorium der Gefängnisse geht davon aus, dass die Gefängnisse zunächst einmal noch voller werden. Die Fachleute warten jetzt gespannt auf die Parlamentsdebatte im Frühjahr: Dann können die Abgeordneten das Gesetz erheblich verändern – zum Besseren oder aber zum Schlechteren.