Ströbele: Guten Morgen.
Durak: Sollen sie denn, die beiden?
Ströbele: Den Herrn Müntefering hatten wir ja bereits gehört. Er hat ja eine sehr ausführliche Aussage gemacht. Er hat auch am 21.3. Bereits über die zahlreichen Bemühungen der SPD zur Aufklärung dieser Spendenaffäre in Köln und in Nordrhein-Westfalen berichtet. Er hat uns allerdings nichts davon erzählt, dass die berühmte Biciste-Liste möglicherweise bereits in seinem Büro bekannt war oder dass sie auf jeden Fall der Bundesschatzmeisterin Wettig-Danielmeier insofern vorlag, als sie nachkontrolliert worden ist von dem von ihnen beauftragten Wirtschaftsprüfer.
Durak: Fühlen Sie sich als Ausschussmitglied damit getäuscht?
Ströbele: Nein. Wir müssen zunächst feststellen, dass er nicht vollständig die damaligen Erkenntnisse der SPD-Führung wiedergegeben hatte, weil bereits am 16.3., also einige Tage vorher, die Bundesschatzmeisterin diese nachgearbeitete Liste bekommen hatte. Wir wissen allerdings natürlich nicht, was er wusste und ob er sie kannte. Deshalb muss er noch mal vor den Untersuchungsausschuss und deshalb hören wir übrigens auch Frau Wettig-Danielmeier am Donnerstag in einer Woche.
Durak: Am Donnerstag in einer Woche ist Frau Wettig-Danielmeier extra geladen?
Ströbele: Die ist geladen und wird dort über die Bemühungen der SPD, insbesondere auch über die Erkenntnisse zu dieser Beciste-Liste gehört werden. Die Beciste-Liste ist ja die Liste der Leute in der SPD, die zwar Spendenquittungen bekommen haben, aber keine Spenden gegeben haben, sondern die sich dafür hergegeben haben sollen, dass die Spenden, die aus ganz anderer Richtung gekommen sind, gestückelt wurden und auf diese Weise in das SPD-Zahlenwerk eingeführt werden konnten.
Durak: War es ein politischer Fehler des SPD-Generalsekretärs, nicht darauf zu verweisen, dass es eine Liste gibt, und mit dem Verweis auf mögliche Geheimhaltung und nähere Erkenntnisse dann dies einfach so zu sagen?
Ströbele: Es war jedenfalls eine unvollständige Information, weil wir haben ihn ja auch gehört. Er hat auch darüber berichtet, dass dieser Wirtschaftsprüfer beauftragt worden ist und dass die SPD sich bemüht, die Leute in der Partei herauszufinden, die diese Spendenquittungen bekommen haben. Aber er hat uns nicht gesagt, dass es bereits ein Ergebnis der Bemühungen dieses Wirtschaftsprüfers gibt, dass der seine Arbeit bereits abgeschlossen hat und eine solche Liste nachgearbeitet hat, vorgelegt hat und sie auch an den Bundesvorstand, das heißt an die Bundesschatzmeisterin der Partei geschickt hatte. Was wir jetzt wissen müssen: was hat er denn wirklich gewusst. Es kann ja auch sein - und da gehen die Aussagen der Öffentlichkeit auseinander -, dass ihm die Liste selber gar nicht vorgelegen hat, sondern dass er nur darüber eine Information bekommen hat. Wir müssen dann wissen, welche Information hat er bekommen. Aber objektiv ist es offensichtlich so, dass wir nicht vollständig informiert worden sind.
Durak: Herr Ströbele, wo liegt denn für Sie der Unterschied zwischen nicht ganz die Wahrheit sagen, nicht vollständig informiert werden und Lüge?
Ströbele: Lüge wird es in dem Augenblick, wo jemand tatsächlich mehr gewusst hat und das vorsätzlich verschweigt.
Durak: Und Sie gehen davon aus, dass Franz Müntefering diese Liste im Detail tatsächlich nicht gekannt hat?
Ströbele: Ich will darüber informiert werden. Ich will ihn darüber befragen. Ich lese natürlich jeden Tag die Zeitung, dass unterschiedliche Erklärungen darüber abgegeben werden. Entscheidend ist nicht, was in Interviews gesagt wird; entscheidend ist nicht, was Journalisten heraus bekommen, so sehr ich die achte, sondern entscheidend ist das, was der Untersuchungsausschuss aus einer Aussage entnehmen kann oder in anderer Weise feststellt.
Durak: Wir wollen dennoch unser Interview fortführen, Herr Ströbele. Ich habe gelesen, dass der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Neumann von der SPD, so hat man den Eindruck, den Ball ein wenig in Richtung Wettig-Danielmeier schiebt und sagt, das Problem liegt bei ihr. Sie hätte den Untersuchungsausschuss wenigstens darüber informieren können, dass es diese Liste mit Details gibt. Könnte es sein, dass Frau Wettig-Danielmeier dort zum Bauernopfer gemacht werden wird?
Ströbele: Das will ich doch nicht hoffen. Dafür wird sie ja gehört werden, dass sie uns sagt, was hat sie getan, wann hat sie diese nachgearbeitete Liste bekommen, was hat sie mit dieser Liste gemacht und wer hat die dann insbesondere gekannt, was hat sie Herrn Müntefering darüber gesagt oder sagen lassen.
Durak: Kommt es nicht einer Geringschätzung des Ausschusses der Parlamentarier gleich, wenn man sich vorher nicht ausreichend informiert und vielleicht nach dem Motto handelt, was ich nicht weiß macht mich nicht heiß?
Ströbele: Wenn das so ist, wäre das natürlich auch so zu beurteilen. Ob Herr Müntefering in dieser Weise verfahren hat, davon gehe ich erst mal nicht aus, weil er uns gesagt hat, dass er sich am Tage vor seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss extra noch mal in der Partei kundig gemacht hat, was ist an Aufklärung bis dahin gelungen.
Durak: Dann muss er doch aber an einem entscheidenden Büro zielsicher vorbei gegangen sein?
Ströbele: An seinem meinen Sie?
Durak: An dem Büro, in dem die Liste vorlag.
Ströbele: Wenn er wusste, dass sie da war, und wenn er darüber informiert war, dass dort die Namen der Empfänger der Spendenquittungen enthalten waren, also nachgearbeitet waren. Die Liste muss zwar nicht stimmen, aber die Frage, ob sie stimmt, die hätte natürlich der Untersuchungsausschuss auch gerne selber beurteilt.
Durak: Sollte es sich herausstellen, dass, dann müsste Franz Müntefering zurücktreten oder?
Ströbele: Über Rücktritte reden wir überhaupt nicht zu diesem Zeitpunkt, sondern im Augenblick geht es darum festzustellen, was ist und dann kann man überlegen, ob Schlussfolgerungen erforderlich sind.
Durak: Würden Sie unter diesem Eindruck dennoch einen Vergleich zur CDU-Spendenaffäre wagen?
Ströbele: Es gibt einige Parallelen. Auch in der CDU haben wir ja das Problem gehabt, dass die ehemalige Schatzmeisterin der CDU andere Aussagen gemacht hat als der damalige Parteivorsitzende und Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble. Wir haben dann versucht, diese Widersprüche zu klären. Wir haben sie beide gehört. Wir haben sie dann beide auch gegenübergestellt, aber auch erst nachdem beide im Untersuchungsausschuss Aussagen gemacht haben, die zueinander widersprüchlich waren, die miteinander nicht zu vereinbaren waren. Es kommt darauf an, welche Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss gemacht, nicht was sonst so in der Zeitung steht. Das müssen wir jetzt hier auch klären. Wenn es dabei bleiben sollte, dass im Untersuchungsausschuss unterschiedliche Aussagen, die nicht miteinander zu vereinbaren sind, die einander widersprechen, gemacht werden, dann könnte auch eine Gegenüberstellung in Betracht kommen.
Durak: Der normale Bürger muss aber sich der Zeitung, der Medien bedienen, auch unserer Interviews, um etwas aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses beispielsweise zu erfahren. Können Sie diesen Leuten weiterhelfen, die da sagen, da müsste die gleiche Elle an beide Parteien angelegt werden?
Ströbele: Es ist völlig selbstverständlich. Ich nehme für mich persönlich in Anspruch, dass ich nicht mit zweierlei Maß messe, sondern dass wir das ganz genau so machen, genau so sorgfältig, wie wir das bei der CDU versucht haben. Da sind wir in vielen Bereichen daran gescheitert, dass die CDU eine Mauer des Schweigens hochgezogen hat, dass die Leute aus der CDU keine Aussage mehr gemacht haben. Bisher ist das bei der SPD nur in einem Fall so gewesen, bei dem Herrn Rüther, aber wir haben etwa bei dem Herrn Beciste eine sehr ausführliche Aussage bekommen und wissen danach sehr viel mehr darüber, wie das in Köln gelaufen ist.
Durak: Hans-Christian Ströbele, Obmann von Bündnis 90/Die Grünen im Parteispenden-Untersuchungsausschuss des Bundestages. - Schönen Dank Herr Ströbele für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio
Durak: Sollen sie denn, die beiden?
Ströbele: Den Herrn Müntefering hatten wir ja bereits gehört. Er hat ja eine sehr ausführliche Aussage gemacht. Er hat auch am 21.3. Bereits über die zahlreichen Bemühungen der SPD zur Aufklärung dieser Spendenaffäre in Köln und in Nordrhein-Westfalen berichtet. Er hat uns allerdings nichts davon erzählt, dass die berühmte Biciste-Liste möglicherweise bereits in seinem Büro bekannt war oder dass sie auf jeden Fall der Bundesschatzmeisterin Wettig-Danielmeier insofern vorlag, als sie nachkontrolliert worden ist von dem von ihnen beauftragten Wirtschaftsprüfer.
Durak: Fühlen Sie sich als Ausschussmitglied damit getäuscht?
Ströbele: Nein. Wir müssen zunächst feststellen, dass er nicht vollständig die damaligen Erkenntnisse der SPD-Führung wiedergegeben hatte, weil bereits am 16.3., also einige Tage vorher, die Bundesschatzmeisterin diese nachgearbeitete Liste bekommen hatte. Wir wissen allerdings natürlich nicht, was er wusste und ob er sie kannte. Deshalb muss er noch mal vor den Untersuchungsausschuss und deshalb hören wir übrigens auch Frau Wettig-Danielmeier am Donnerstag in einer Woche.
Durak: Am Donnerstag in einer Woche ist Frau Wettig-Danielmeier extra geladen?
Ströbele: Die ist geladen und wird dort über die Bemühungen der SPD, insbesondere auch über die Erkenntnisse zu dieser Beciste-Liste gehört werden. Die Beciste-Liste ist ja die Liste der Leute in der SPD, die zwar Spendenquittungen bekommen haben, aber keine Spenden gegeben haben, sondern die sich dafür hergegeben haben sollen, dass die Spenden, die aus ganz anderer Richtung gekommen sind, gestückelt wurden und auf diese Weise in das SPD-Zahlenwerk eingeführt werden konnten.
Durak: War es ein politischer Fehler des SPD-Generalsekretärs, nicht darauf zu verweisen, dass es eine Liste gibt, und mit dem Verweis auf mögliche Geheimhaltung und nähere Erkenntnisse dann dies einfach so zu sagen?
Ströbele: Es war jedenfalls eine unvollständige Information, weil wir haben ihn ja auch gehört. Er hat auch darüber berichtet, dass dieser Wirtschaftsprüfer beauftragt worden ist und dass die SPD sich bemüht, die Leute in der Partei herauszufinden, die diese Spendenquittungen bekommen haben. Aber er hat uns nicht gesagt, dass es bereits ein Ergebnis der Bemühungen dieses Wirtschaftsprüfers gibt, dass der seine Arbeit bereits abgeschlossen hat und eine solche Liste nachgearbeitet hat, vorgelegt hat und sie auch an den Bundesvorstand, das heißt an die Bundesschatzmeisterin der Partei geschickt hatte. Was wir jetzt wissen müssen: was hat er denn wirklich gewusst. Es kann ja auch sein - und da gehen die Aussagen der Öffentlichkeit auseinander -, dass ihm die Liste selber gar nicht vorgelegen hat, sondern dass er nur darüber eine Information bekommen hat. Wir müssen dann wissen, welche Information hat er bekommen. Aber objektiv ist es offensichtlich so, dass wir nicht vollständig informiert worden sind.
Durak: Herr Ströbele, wo liegt denn für Sie der Unterschied zwischen nicht ganz die Wahrheit sagen, nicht vollständig informiert werden und Lüge?
Ströbele: Lüge wird es in dem Augenblick, wo jemand tatsächlich mehr gewusst hat und das vorsätzlich verschweigt.
Durak: Und Sie gehen davon aus, dass Franz Müntefering diese Liste im Detail tatsächlich nicht gekannt hat?
Ströbele: Ich will darüber informiert werden. Ich will ihn darüber befragen. Ich lese natürlich jeden Tag die Zeitung, dass unterschiedliche Erklärungen darüber abgegeben werden. Entscheidend ist nicht, was in Interviews gesagt wird; entscheidend ist nicht, was Journalisten heraus bekommen, so sehr ich die achte, sondern entscheidend ist das, was der Untersuchungsausschuss aus einer Aussage entnehmen kann oder in anderer Weise feststellt.
Durak: Wir wollen dennoch unser Interview fortführen, Herr Ströbele. Ich habe gelesen, dass der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Neumann von der SPD, so hat man den Eindruck, den Ball ein wenig in Richtung Wettig-Danielmeier schiebt und sagt, das Problem liegt bei ihr. Sie hätte den Untersuchungsausschuss wenigstens darüber informieren können, dass es diese Liste mit Details gibt. Könnte es sein, dass Frau Wettig-Danielmeier dort zum Bauernopfer gemacht werden wird?
Ströbele: Das will ich doch nicht hoffen. Dafür wird sie ja gehört werden, dass sie uns sagt, was hat sie getan, wann hat sie diese nachgearbeitete Liste bekommen, was hat sie mit dieser Liste gemacht und wer hat die dann insbesondere gekannt, was hat sie Herrn Müntefering darüber gesagt oder sagen lassen.
Durak: Kommt es nicht einer Geringschätzung des Ausschusses der Parlamentarier gleich, wenn man sich vorher nicht ausreichend informiert und vielleicht nach dem Motto handelt, was ich nicht weiß macht mich nicht heiß?
Ströbele: Wenn das so ist, wäre das natürlich auch so zu beurteilen. Ob Herr Müntefering in dieser Weise verfahren hat, davon gehe ich erst mal nicht aus, weil er uns gesagt hat, dass er sich am Tage vor seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss extra noch mal in der Partei kundig gemacht hat, was ist an Aufklärung bis dahin gelungen.
Durak: Dann muss er doch aber an einem entscheidenden Büro zielsicher vorbei gegangen sein?
Ströbele: An seinem meinen Sie?
Durak: An dem Büro, in dem die Liste vorlag.
Ströbele: Wenn er wusste, dass sie da war, und wenn er darüber informiert war, dass dort die Namen der Empfänger der Spendenquittungen enthalten waren, also nachgearbeitet waren. Die Liste muss zwar nicht stimmen, aber die Frage, ob sie stimmt, die hätte natürlich der Untersuchungsausschuss auch gerne selber beurteilt.
Durak: Sollte es sich herausstellen, dass, dann müsste Franz Müntefering zurücktreten oder?
Ströbele: Über Rücktritte reden wir überhaupt nicht zu diesem Zeitpunkt, sondern im Augenblick geht es darum festzustellen, was ist und dann kann man überlegen, ob Schlussfolgerungen erforderlich sind.
Durak: Würden Sie unter diesem Eindruck dennoch einen Vergleich zur CDU-Spendenaffäre wagen?
Ströbele: Es gibt einige Parallelen. Auch in der CDU haben wir ja das Problem gehabt, dass die ehemalige Schatzmeisterin der CDU andere Aussagen gemacht hat als der damalige Parteivorsitzende und Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble. Wir haben dann versucht, diese Widersprüche zu klären. Wir haben sie beide gehört. Wir haben sie dann beide auch gegenübergestellt, aber auch erst nachdem beide im Untersuchungsausschuss Aussagen gemacht haben, die zueinander widersprüchlich waren, die miteinander nicht zu vereinbaren waren. Es kommt darauf an, welche Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss gemacht, nicht was sonst so in der Zeitung steht. Das müssen wir jetzt hier auch klären. Wenn es dabei bleiben sollte, dass im Untersuchungsausschuss unterschiedliche Aussagen, die nicht miteinander zu vereinbaren sind, die einander widersprechen, gemacht werden, dann könnte auch eine Gegenüberstellung in Betracht kommen.
Durak: Der normale Bürger muss aber sich der Zeitung, der Medien bedienen, auch unserer Interviews, um etwas aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses beispielsweise zu erfahren. Können Sie diesen Leuten weiterhelfen, die da sagen, da müsste die gleiche Elle an beide Parteien angelegt werden?
Ströbele: Es ist völlig selbstverständlich. Ich nehme für mich persönlich in Anspruch, dass ich nicht mit zweierlei Maß messe, sondern dass wir das ganz genau so machen, genau so sorgfältig, wie wir das bei der CDU versucht haben. Da sind wir in vielen Bereichen daran gescheitert, dass die CDU eine Mauer des Schweigens hochgezogen hat, dass die Leute aus der CDU keine Aussage mehr gemacht haben. Bisher ist das bei der SPD nur in einem Fall so gewesen, bei dem Herrn Rüther, aber wir haben etwa bei dem Herrn Beciste eine sehr ausführliche Aussage bekommen und wissen danach sehr viel mehr darüber, wie das in Köln gelaufen ist.
Durak: Hans-Christian Ströbele, Obmann von Bündnis 90/Die Grünen im Parteispenden-Untersuchungsausschuss des Bundestages. - Schönen Dank Herr Ströbele für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio