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Französischer Journalist: Sarkozy und Royal suchen ihre Position

Die französischen Konservativen haben am Sonntag Innenminister Nicolas Sarkozy als ihren Kandidaten für die Nachfolge von Präsident Chirac nominiert. Der französische Journalist Gerard Foussier hält es derzeit noch nicht für ausgemacht, ob Sarkozy oder die Kandidatin der Sozialisten, Ségolène Royal, die besseren Chancen bei der Wahl hat. Beide seien Kandidaten der Mitte, die derzeit ihren Platz noch suchen müssten.

Moderation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: Bei uns im Studio begrüße ich nun Gerard Foussier, Chefredakteur der französischen Zeitschrift "Documents". Guten Morgen!

    Gerard Foussier: Guten Morgen!

    Müller: Herr Foussier, warum tun sich die Konservativen mit der Geschlossenheit so schwer?

    Foussier: Was heißt so schwer, die haben eine Erfahrung gemacht im Jahre 2002, dass eine geschlossene Partei natürlich, und das ist nach Adam Riese immer eine Selbstverständlichkeit, mehr Chancen hat als eine gespaltene Partei. Wenn eine Partei nur einen Kandidaten hat, hat sie natürlich mehr Chancen, nach einem ersten Wahlgang mehr Stimmen zu bekommen als eine gespaltene Partei, die mit drei, vier, fünf Kandidaten auftritt, wie es auch im Jahre 2002 der Fall gewesen ist.

    Müller: Aber die Frage, Herr Foussier, zielte ja darauf ab, warum macht Jacques Chirac seinem Parteifreund das Leben so schwer?

    Foussier: Nein, also erstmal, Jacques Chirac ist noch nicht Kandidat, und Chirac ist noch Präsident, und er ist Präsident bis Mai 2007, und es ist klar, dass ein Präsident seine Position nicht dadurch schwächen will, dass er sagt, jetzt bin ich Kandidat. Ob er Kandidat wird, ist eine Frage, die bis heute kein Mensch beantworten kann, höchstens Chirac, und ich bin mir auch nicht so sicher, dass er es selber weiß. Chirac muss aber immer einen Trumpf in der Tasche haben. Wenn irgendwas passiert in der Welt, irgendwas passiert in Frankreich, dass plötzlich die Umfragen so negativ sind für Sarkozy, aus irgendeinem Grund, den ich auch gar nicht heute einschätzen kann, kann Chirac als letzter Retter der Nation sozusagen sagen, ich bin noch hier und ich möchte noch kandidieren.

    Das gilt genauso für Villepin als Premierminister. Es klingt natürlich im Moment nicht sehr schön, wenn der ehemalige Präsident der Partei von Sarkozy, wenn der Staatspräsident oder der Premierminister nicht offiziell für Sarkozy sind, aber ich bin fast bereit zu wetten, dass spätestens Ende März beide sagen werden, unser Kandidat heißt Sarkozy.

    Müller: Das heißt, wir in Deutschland, die vielen, die das System, das französische politische System nicht so gut kennen, die haben im Grunde eine Fehleinschätzung darin gehabt zu sagen, warum gibt es so viele Turbulenzen, so viel Ärger im konservativen Lager?

    Foussier: Ach Turbulenzen, es ist Wahlkampf, und es ist klar, dass also, man will auch nicht den Eindruck haben, dass Frankreich eine Volksdemokratie ist. Ich meine, auch das Ergebnis von gestern, das waren 98 Prozent, auch wenn es nur 70 Prozent gewesen sind, die gewählt haben bei den Parteianhängern, es macht einen komischen Eindruck, dass plötzlich jemand 98 Prozent der Stimmen bekommt. Es ist immer besser, wenn man sagt - das haben die Sozialisten genauso gemacht -, wir haben nicht nur einen, wir haben mehrere Kandidaten, und die Sozialisten hatten drei.

    Nur: Wie verfährt man auch mit so vielen Kandidaten, dass trotzdem am Ende des Prozesses auch das Gefühl der Einheit herrscht, nicht dass man sagt, wir haben drei Flügel, und jetzt sind die alle gegeneinander. Und irgendwie muss, das gilt für die sozialistische Partei genauso wie für die konservative, wichtig ist, dass man am Ende sagt, wir sind eine Partei, was auch für die Konservativen gar nicht gilt, es ist keine Partei, es ist eine Bewegung. Man vergisst auch, dass die gaullistische Bewegung ursprünglich sogar eine Widerstandsbewegung war, entstanden im Zweiten Weltkrieg gegen die deutsche Besatzung, und dieses Gefühl, diese Philosophie, diese Weltanschauung, wenn man so will, der gaullistischen Partei, ist im Unterbewusstsein der Gaullisten immer noch da, man bewegt sich.

    Müller: Herr Foussier, um das einmal herunter zu brechen auf die Zukunft. Wir erwarten jetzt das Duell Nicolas Sarkozy gegen die Sozialistin Ségolène Royal. Wer hat da bessere Karten?

    Foussier: Ich würde sagen, wenn Sie mich im Jahre 2005, sagen wir im Juli, August, 100 Tage vor der Bundestagswahl gefragt hätten, hätten wir alle Journalisten gesagt, möglicherweise kriegt Frau Merkel eine absolute Mehrheit. So stand es in jeder Zeitung. Jetzt sind wir 100 Tage vor den Präsidentschaftswahlen, und jeder sagt, oh, der eine oder die andere hat bessere Chancen. Also ich bin kein Prophet und bin auch nicht Elizabeth Teissier, also insofern würde ich erstmal sagen, abwarten, wie der Wahlkampf läuft, wie der startet. Im Moment ist es kein Wahlkampf. Sarkozy hat einmal einen Wahlkampf geführt innerhalb seiner Bewegung, und Ségolène Royal hat einen Wahlkampf geführt innerhalb der Sozialistischen Partei, aber quasi jeder für sich. Jetzt müssen beide auftreten. Jetzt müssen beide nebeneinander ihre Argumente austauschen, und das wird ein anderer Wahlkampf sein.

    Müller: Wenn Sie uns prophetisch zunächst einmal in dieser Frage nicht weiterhelfen wollen, Herr Foussier, reden wir über die Inhalte. Welche Inhalte sich entscheidend?

    Foussier: Das ist eine gute Frage, und ich wusste nicht, dass ich bis 10 Uhr hier sitzen dürfte. Also ich glaube nicht, dass man über Inhalte noch reden kann. Es gibt einen Inhalt auf Seite der Sozialistischen Partei, das ist das sozialistische Programm, und vor zwei, drei Tagen hat Ségolène Royal gesagt, nee, nee, nee, ich bin mit dieser Steuerpolitik, nur um das Beispiel zu nennen, ich bin mit der Steuerpolitik nicht einverstanden, ich beauftrage meinen ehemaligen Mitbewerber, also Strauss-Kahn damit, ein eigenes Programm in Sachen Steuerpolitik zu erstellen, und der hat sich gestern geäußert dazu, hat gesagt, ja, ja, in zwei Wochen ist das Programm fertig.

    Man könnte daraus den Schluss ziehen, ach so, die hatten noch kein Programm in Sachen Steuerpolitik. Bei Sarkosy ist es genauso. Der eine ist konservativ, aber ist rechts von der Mitte, die andere ist zwar sozialistisch, aber ist eigentlich rechts von Links, also auch im Grunde genommen in der Mitte. Die suchen ihren Platz. Es ist Wahlkampf, es ist nicht nur Parteipolitik. Wenn man Präsident werden will in Frankreich, muss man nicht nur die Stimmen der eigenen Partei bekommen, man muss auch die Stimmen einer breiten Mehrheit bekommen, und die ist nicht nur in dieser eigenen Partei.

    Müller: Herr Foussier, wir haben nicht so viel Zeit. Dennoch die Frage, wie wichtig ist es, weil wir das eben aus unserem Korrespondentenbericht auch heraus gehört haben aus Paris, wie wichtig ist die Sozialpolitik?

    Foussier: Die ist natürlich, ich würde sagen, fast prioritär. Arbeitslosigkeit, das gilt für Deutschland genauso wie Frankreich, ist das Thema. Außenpolitik wird kaum eine Rolle spielen. Erstaunlicherweise wird Europa auch kaum eine Rolle spielen. Sozialpolitik, Arbeitspolitik, Arbeitsmarktpolitik wird eine Rolle spielen. Wenn man hört auch, was zum Beispiel Frau Ségolène Royal letzte Woche in China gesagt hat zu diesem Thema, ausgerechnet in China, dann muss man sich fragen, es gibt noch viel zu fragen und es gibt viele Antworten, die man von ihr erwartet.

    Bei Sarkozy, er hat den Vorteil, er betrachtet das möglicherweise sogar als Nachteil, dass er in der Regierung ist. Also er hat nicht nur ein Programm, er ist auch in der Regierung als Innenminister auch zuständig oder verantwortlich für eine Politik, die in den letzten fünf, beziehungsweise zehn Jahren geführt worden ist. Ist das das Programm? Ich glaube, Sarkozy will mehr als diese bisherige Politik. Er wird sicherlich sagen, ich will […] mit Chirac, er will eine Bewegung, er will eine Entwicklung, und ich glaube das Wort "Bewegung" wird das Stichwort sein.

    Müller: Gerard Foussier war das, Chefredakteur der französischen Zeitschrift "Dokuments", bei uns im Studio. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind!
    Ségolène Royal, Mitglied der Sozialistischen Partei Frankreichs
    Ségolène Royal, Präsidentschaftskandidatin der Sozialistischen Partei Frankreichs (AFP)