Dettling: Guten Tag, Frau Engels.
Engels: Haben Sie Informationen, ob diese Aussagen so gefallen sind von Herrn Stoiber?
Dettling: Die einen sagen es, die anderen bestreiten es. Man kann sagen, wo Rauch ist, da ist auch Feuer, aber ich glaube, rein äußerlich oder auch machtpolitisch betrachtet, ist es gar nicht so entscheidend, ob es jetzt so oder so formuliert worden ist. Wenn Sie sich in der Geschichte der CDU zurückerinnern, Mitte der siebziger Jahre war das, was damals Franz Josef Strauß, der CSU-Vorsitzende über Helmut Kohl gesagt hat, dass der total unfähig sei zur Kanzlerschaft und so weiter, viel abwertender, viel negativer als das, was jetzt Herr Stoiber über Frau Merkel gesagt hat. Etwas ganz anderes ist natürlich, dass hier sehr unter der Oberfläche, aber entscheidend für die künftige Entwicklung, ein kultureller Konflikt zwischen der CSU und Stoiber auf der einen Seite und Frau Merkel und großen Teilen der CDU auf der anderen Seite offenbar geworden ist. Das Erfolgsgeheimnis der CDU war ja über viele Jahre hinweg, dass sie einen wirtschaftlichen Liberalismus und einen kulturellen Konservatismus miteinander verbunden hat. Und was nun Frau Merkel macht, ist ein Modernisierungskurs in wirtschaftlich-sozialer Hinsicht, da sind die Debatten und Konflikte bekannt. Aber sie macht auch einen Modernisierungskurs in kultureller Hinsicht, also Frauenbild, Familienbild, wie die Leute leben sollen und das alles noch an der Seite von Herrn Westerwelle, der ja nach CDU-Vorstellungen nicht gerade das Ideal eines Familienmodells repräsentiert, ledig, nicht verheiratet, schwul, dann sagt er das auch noch offen. Das sind doch kulturelle Konflikte, die hier sichtbar werden, die langfristig in der Bundesrepublik Deutschland bis hin zu Wahlen entscheidend sein können.
Engels: Spekulieren wir einmal mit, dass Edmund Stoiber sich so oder ähnlich geäußert haben könnte, die Konfliktlinien scheinen ja da zu sein. Was könnte es ihm nützen, tatsächlich, so wie Sie andeuten, der Versuch, die Union doch wieder auf ihr altes Erfolgsgeheimnis, mehr Konservatismus, zurückzubringen?
Dettling: Ich denke, dass sich Edmund Stoiber aus bayerischer Perspektive schwer vorstellen kann, wie sich die Lebenswelt und die Arbeitswelt und auch Familienwelten geändert haben, denn in Bayern leben, ich sage es jetzt einmal bildlich und in einer Metapher, unter Lederhosen und im Dirndl durchaus moderne Leute, die auch schwul sein können oder ein traditionelles Familienbild leben können. Stoiber hat Schwierigkeiten, das hat ihm schon bei der letzten Wahl als Kanzlerkandidat geschadet, einfach den kulturellen Wandel in der Gesellschaft und in den Lebensorientierungen rein zur Kenntnis zu nehmen. Rein oberflächlich, machtpolitisch ist das so, dass er sich im Spiel halten will für alle Fälle als möglicher Kanzlerkandidat 2006 und wenn das nicht gelingen sollte, dann als zweiter Mann in der Regierung Merkel, gewissermaßen auch als Vizekanzler, denn es ist für ihn wahrscheinlich unerträglich die Vorstellung, dass er als, wenn auch starker Minister in einem Kabinett Merkel, dann einen Vizekanzler Westerwelle über sich hat, vor sich hat, neben sich hat. Es sind schon auch solche machtpolitischen Überlegungen, die bei Stoiber eine Rolle spielen. Er hat nicht erkannt, und das ist an sich fast tragisch bei einem in vielerlei Hinsicht intelligenten Politiker wie Stoiber, er hat nicht erkannt, dass das bürgerliche Lager, von dem er immer wieder redet, es in dieser Weise, so wie er es sich vorstellt, so nicht mehr gibt in der Gesellschaft.
Engels: Sie haben das Stichwort Kanzlerkandidatur bereits genannt. Im Vergleich zur letzten Bundestagswahl ist Angela Merkel innerhalb der Union deutlich stärker geworden, das heißt, sehen wir nun mittelfristig einen stärkeren Streit zwischen CDU und CSU, weil sich Stoiber auch mit Blick auf die FDP profilieren will, ja profilieren muss?
Dettling: Ich denke, wir werden, was die Personen angeht, keinen schärferen Streit erleben. Einfach deshalb, weil Frau Merkel als Partei- und Fraktionsvorsitzende doch eine sehr viel stärkere Position hat, auch über die Öffentlichkeit, über Parteitage hinweg, als das vor zwei, drei Jahren der Fall war. Ich denke, wir werden aber in inhaltlichen Fragen, noch über soziale, wirtschafts-, arbeitsmarktpolitische Fragen hinaus, interessante Debatten in der Union erleben, denn Frau Merkel braucht Herrn Westerwelle und deshalb ist sie anders als die CSU auf die FDP fixiert. Frau Merkel braucht Herrn Westerwelle für ihre ökonomische, soziale Modernisierung und für ihre kulturelle Modernisierung. Helmut Kohl wollte damals auch immer sehr viel mehr eine Koalition mit der FDP wegen der Entspannungspolitik und ähnlich ist es bei Frau Merkel, sie braucht die FDP wegen ihrer Modernisierungspolitik. Hier ist natürlich völlig klar, wenn eine Koalition mit Westerwelle in dieser Situation, nachdem, was er alles gesagt hat, dass es ein Rollback in wichtigen kulturellen, sozialen Fragen, - Stichwort: Homoehe, nichteheliche Lebensgemeinschaften -, mit Merkel und mit Westerwelle in einer Koalition nicht geben wird und das genau sind wieder die rhetorischen Fahnen, die die CSU in Bayern gerne aufzieht, um ihre, wie sie meint, Stammwähler, das bürgerliche Lager hinter sich zu scharen.
Engels: Der Machtkampf in der Union scheint an Fahrt zu gewinnen. Wir sprachen über Einschätzungen rund um die angeblichen Spekulation von Edmund Stoiber mit Wanfried Dettling, Publizist und Politikwissenschaftler. Besten Dank für das Gespräch.
Engels: Haben Sie Informationen, ob diese Aussagen so gefallen sind von Herrn Stoiber?
Dettling: Die einen sagen es, die anderen bestreiten es. Man kann sagen, wo Rauch ist, da ist auch Feuer, aber ich glaube, rein äußerlich oder auch machtpolitisch betrachtet, ist es gar nicht so entscheidend, ob es jetzt so oder so formuliert worden ist. Wenn Sie sich in der Geschichte der CDU zurückerinnern, Mitte der siebziger Jahre war das, was damals Franz Josef Strauß, der CSU-Vorsitzende über Helmut Kohl gesagt hat, dass der total unfähig sei zur Kanzlerschaft und so weiter, viel abwertender, viel negativer als das, was jetzt Herr Stoiber über Frau Merkel gesagt hat. Etwas ganz anderes ist natürlich, dass hier sehr unter der Oberfläche, aber entscheidend für die künftige Entwicklung, ein kultureller Konflikt zwischen der CSU und Stoiber auf der einen Seite und Frau Merkel und großen Teilen der CDU auf der anderen Seite offenbar geworden ist. Das Erfolgsgeheimnis der CDU war ja über viele Jahre hinweg, dass sie einen wirtschaftlichen Liberalismus und einen kulturellen Konservatismus miteinander verbunden hat. Und was nun Frau Merkel macht, ist ein Modernisierungskurs in wirtschaftlich-sozialer Hinsicht, da sind die Debatten und Konflikte bekannt. Aber sie macht auch einen Modernisierungskurs in kultureller Hinsicht, also Frauenbild, Familienbild, wie die Leute leben sollen und das alles noch an der Seite von Herrn Westerwelle, der ja nach CDU-Vorstellungen nicht gerade das Ideal eines Familienmodells repräsentiert, ledig, nicht verheiratet, schwul, dann sagt er das auch noch offen. Das sind doch kulturelle Konflikte, die hier sichtbar werden, die langfristig in der Bundesrepublik Deutschland bis hin zu Wahlen entscheidend sein können.
Engels: Spekulieren wir einmal mit, dass Edmund Stoiber sich so oder ähnlich geäußert haben könnte, die Konfliktlinien scheinen ja da zu sein. Was könnte es ihm nützen, tatsächlich, so wie Sie andeuten, der Versuch, die Union doch wieder auf ihr altes Erfolgsgeheimnis, mehr Konservatismus, zurückzubringen?
Dettling: Ich denke, dass sich Edmund Stoiber aus bayerischer Perspektive schwer vorstellen kann, wie sich die Lebenswelt und die Arbeitswelt und auch Familienwelten geändert haben, denn in Bayern leben, ich sage es jetzt einmal bildlich und in einer Metapher, unter Lederhosen und im Dirndl durchaus moderne Leute, die auch schwul sein können oder ein traditionelles Familienbild leben können. Stoiber hat Schwierigkeiten, das hat ihm schon bei der letzten Wahl als Kanzlerkandidat geschadet, einfach den kulturellen Wandel in der Gesellschaft und in den Lebensorientierungen rein zur Kenntnis zu nehmen. Rein oberflächlich, machtpolitisch ist das so, dass er sich im Spiel halten will für alle Fälle als möglicher Kanzlerkandidat 2006 und wenn das nicht gelingen sollte, dann als zweiter Mann in der Regierung Merkel, gewissermaßen auch als Vizekanzler, denn es ist für ihn wahrscheinlich unerträglich die Vorstellung, dass er als, wenn auch starker Minister in einem Kabinett Merkel, dann einen Vizekanzler Westerwelle über sich hat, vor sich hat, neben sich hat. Es sind schon auch solche machtpolitischen Überlegungen, die bei Stoiber eine Rolle spielen. Er hat nicht erkannt, und das ist an sich fast tragisch bei einem in vielerlei Hinsicht intelligenten Politiker wie Stoiber, er hat nicht erkannt, dass das bürgerliche Lager, von dem er immer wieder redet, es in dieser Weise, so wie er es sich vorstellt, so nicht mehr gibt in der Gesellschaft.
Engels: Sie haben das Stichwort Kanzlerkandidatur bereits genannt. Im Vergleich zur letzten Bundestagswahl ist Angela Merkel innerhalb der Union deutlich stärker geworden, das heißt, sehen wir nun mittelfristig einen stärkeren Streit zwischen CDU und CSU, weil sich Stoiber auch mit Blick auf die FDP profilieren will, ja profilieren muss?
Dettling: Ich denke, wir werden, was die Personen angeht, keinen schärferen Streit erleben. Einfach deshalb, weil Frau Merkel als Partei- und Fraktionsvorsitzende doch eine sehr viel stärkere Position hat, auch über die Öffentlichkeit, über Parteitage hinweg, als das vor zwei, drei Jahren der Fall war. Ich denke, wir werden aber in inhaltlichen Fragen, noch über soziale, wirtschafts-, arbeitsmarktpolitische Fragen hinaus, interessante Debatten in der Union erleben, denn Frau Merkel braucht Herrn Westerwelle und deshalb ist sie anders als die CSU auf die FDP fixiert. Frau Merkel braucht Herrn Westerwelle für ihre ökonomische, soziale Modernisierung und für ihre kulturelle Modernisierung. Helmut Kohl wollte damals auch immer sehr viel mehr eine Koalition mit der FDP wegen der Entspannungspolitik und ähnlich ist es bei Frau Merkel, sie braucht die FDP wegen ihrer Modernisierungspolitik. Hier ist natürlich völlig klar, wenn eine Koalition mit Westerwelle in dieser Situation, nachdem, was er alles gesagt hat, dass es ein Rollback in wichtigen kulturellen, sozialen Fragen, - Stichwort: Homoehe, nichteheliche Lebensgemeinschaften -, mit Merkel und mit Westerwelle in einer Koalition nicht geben wird und das genau sind wieder die rhetorischen Fahnen, die die CSU in Bayern gerne aufzieht, um ihre, wie sie meint, Stammwähler, das bürgerliche Lager hinter sich zu scharen.
Engels: Der Machtkampf in der Union scheint an Fahrt zu gewinnen. Wir sprachen über Einschätzungen rund um die angeblichen Spekulation von Edmund Stoiber mit Wanfried Dettling, Publizist und Politikwissenschaftler. Besten Dank für das Gespräch.