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Frauen im Wissenschaftsbetrieb
"Die Spielregeln sind nach wie vor von Männern geprägt"

Trotz eines steigenden Frauenanteils im Studium machen nur wenige Frauen an der Hochschule Karriere. Einen Grund dafür sieht Jutta Dalhoff vom Kompetenzzentrum für Frauen in Wissenschaft und Forschung in "tradierten Rollenzuschreibungen". Die Arbeitskultur müsse sich ändern, forderte sie im Dlf.

Jutta Dallhoff im Gespräch mit Stephanie Gebert |
    Studenten an der Fakultät Medizin der Universität Halle-Wittenberg.
    Nach wie vor machen wenige Frauen den Schritt auf der Karriereleiter bis zur Professur (picture alliance / dpa / Waltraud Grubitzsch)
    Stephanie Gebert: Auf den ersten Blick ist es eine gute Nachricht: Die jüngeren Frauen heute haben doppelt so oft einen Hochschulabschluss wie die Generation ihrer Mütter. Konkret heißt das, 30 Prozent der 30 bis 34-jährigen Frauen haben ein abgeschlossenes Studium. Die Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt. Jetzt lässt sich aber ganz einfach ein bisschen Wasser in diesen Wein gießen, denn eine weitere Karriere im Wissenschaftsbetrieb machen offensichtlich nur die wenigsten dieser Frauen. Nur jede fünfte Professur in Deutschland ist weiblich besetzt. Jutta Dalhoff ist Leiterin vom Kompetenzzentrum für Frauen in Wissenschaft und Forschung. Ich grüße Sie!
    Jutta Dalhoff: Guten Tag!
    "Es gibt strukturelle Schwierigkeiten im Wissenschaftsbetrieb"
    Gebert: Letztes Jahr hatten wir sogar einen Rückgang der Habilitationen von Frauen. Wollen die Frauen nicht oder werden sie aktiv an einer Karriere im Wissenschaftsbetrieb gehindert?
    Dalhoff: Beides würde ich nicht bejahen, weil das zur kurz greifen würde in der Erklärung. Die Tatsache, dass bei den Habilitationen die Zahlen zurückgegangen sind, ist rein statistisch zu begründen. Deswegen kann man aus dieser Zahl nicht so viel ablesen, und richtig aktiv gehindert werden diese Wissenschaftlerinnen in den wenigsten Fällen, sondern es gibt strukturelle Schwierigkeiten im Wissenschaftsbetrieb, der doch noch sehr von tradierten Rollenzuschreibungen ausgeht, der Wissenschaftlerinnen aus ganz verschiedenen Gründen daran hindert, mehr Führungspositionen in der Wissenschaft zu bekleiden, als sie das bisher tun.
    "Spielregeln sind von Männern geprägt"
    Gebert: Jetzt wird immer wieder behauptet, Männer würden in dem Wissenschaftsbetrieb die Spielregeln bestimmen, ein hoher Konkurrenzdruck wäre zum Beispiel da und ein Argument ist, dass Frauen sagen, das ist mir eigentlich zu viel Stress, da habe ich keine Lust drauf, deshalb mache ich da nicht mit. Erleben Sie das auch?
    Dalhoff: Ja, die Begründungen werden so genannt, nämlich, dass es natürlich zu einer erhöhten Konkurrenz gekommen ist um die dich relativ wenigen reputativ hochwertigen Professuren in Deutschland, und ausgehend von der Meldung von gestern, dass es eben viel mehr Studienabschlüsse von Frauen gibt, ist natürlich der Pool derjenigen, die für diese Karrieren infrage kommen, auf dieser Leiter der Nachwuchskräfte irgendwie höher geworden. Ob Frauen darauf keine Lust haben, da spüre ich schon einen großen Widerstand, weil das ist keine Frage von habe ich Lust auf etwas oder nicht, sondern das sind ganz klare Spielregeln, die von Männern geprägt sind nach wie vor.
    Gebert: Klassischerweise wird auch als ein Argument immer wieder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf genannt, weshalb Frauen keine Karriere machen. Passt das auch für den Wissenschaftsbetrieb, denn Lehre und Forschung sind ja eigentlich ganz gut mit der Familienphase vereinbar, weil nicht ständige Präsenz nötig ist?
    Dalhoff: Ja, es ist zwar keine ständige Präsenz nötig, aber man geht auch im Wissenschaftsbetrieb - diejenigen, die über die Besetzung von entsprechenden Positionen zu befinden haben - von einer 24-stündigen Verfügbarkeit dieser Person, die in diesem Bereich Karriere machen möchten, aus. Und das entspricht nach wie vor immer noch dem männlichen Normalbild sozusagen, den auch diejenigen erst im Kopf haben, wenn es an Entscheidungen geht, wer bekommt einen solchen Posten, ja oder nein.
    Quotenregelungen "haben einen Webfehler"
    Gebert: Zu wenige Frauen im Management, zu wenige Frauen in Führungspositionen - als Allheilmittel gilt da ja oft die Quote. Ist das ein Werkzeug, das Sie für geeignet halten?
    Dalhoff: Ich halte dieses Werkzeug für sehr geeignet. Es ist allerdings auch im Wissenschaftsbetrieb so wie ansonsten in Deutschland auch. Es gibt zwar Regelungen, sogenannte Zielquoten, auch in der Wissenschaft, die zum Teil sogar in Hochschulgesetzen verankert sind, in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel, aber alle haben einen Webfehler. Alle diese Regelungen haben einen Webfehler, und der ist: Es hat keinerlei Konsequenzen, wenn solche selbstgesetzten Quoten nicht erreicht werden. Und solange sich das nicht ändert, kann man sich die Quoten auch sparen.
    Gebert: Was wären denn Sanktionen, die wirklich wehtun würden und auch umsetzbar wären?
    Dalhoff: Umsetzbar wären, dass eine solche Professur dann zum Beispiel nicht besetzt werden kann, wenn nachzuweisen ist, diese selbstgesetzte Quote wird im vereinbarten Zeitraum nicht besetzt mit Frauen werden können, dann bleibt der Platz frei.
    "Arbeitskultur in der Wissenschaft muss sich ändern"
    Gebert: Das wäre eine Möglichkeit. Wie sieht es denn aus mit möglichen Mentorenprogrammen, um auch das Positive zu unterstreichen, nicht nur zu sanktionieren, sondern auch zu sagen, wir bestätigen Frauen einfach darin, sich für Führungspositionen auch selbst zu bewerben? Ist das eine Stellschraube?
    Dalhoff: Das ist eine Stellschraube. Die probieren wir allerdings schon seit ungefähr 25 Jahren. Das ist das hervorragende Instrument, aber unterm Strich ändern die natürlich nichts an diesen Strukturen, die tatsächlich eben die Karrieren von Frauen behindern zumindest, und auch an der Arbeitskultur in der Wissenschaft. Dass sich daran etwas verändern muss, um den Wissenschaftsbetrieb übrigens auch für Männer, aber eben auch für Frauen lebbarer zu machen, eine gute Alternative zu bieten und als Arbeitgeber in diesem Bereich auch für die jüngere Generation attraktiv zu sein.
    Gebert: Trotz eines steigenden Frauenanteils im Studium lehren nur wenige Frauen an der Hochschule oder leiten eine Einrichtung. Gegenmaßnahmen hat Jutta Dalhoff beschrieben. Sie ist Leiterin vom Kompetenzzentrum für Frauen in Wissenschaft und Forschung. Herzlichen Dank fürs Gespräch!
    Dalhoff: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.