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Frauen in Hollywood
Hat die #metoo-Debatte die Oscars verändert?

Hollywood hat ein Problem mit Vergewaltigung und sexueller Belästigung. Das prangerte die #metoo-Debatte vor über zwei Jahren an. Und auch die Oscar-Verleihung geriet in die Kritik: Zu wenige Frauen, zu wenige People of Color gewinnen, so der Vorwurf. Was hat sich seitdem getan?

Von Katharina Wilhelm | 08.02.2020
Die US-Regisseurin Kathryn Bigelow bei der 82. Oscar-Preisverleihung, 2010. Sie erhielt den Oscar als beste Regisseurin für ihren Film "Tödliches Kommando - The Hurt Locker".
Die US-Regisseurin Kathryn Bigelow bei der 82. Oscar-Preisverleihung, 2010. Sie erhielt den Oscar als beste Regisseurin für ihren Film "Tödliches Kommando - The Hurt Locker". (dpa / Hubert Boesl )
Wo sind die Frauen in Hollywood? Es ist eine Frage, die sich unweigerlich stellt, nachdem Anfang Januar 2020 die Nominierungen für die diesjährigen Oscars bekannt gegeben wurden. In der Kategorie "beste Regie" wurde keine einzige Frau nominiert. Dies verleitete die afroamerikanische Schauspielerin Issa Rae, die die Nominierungen verkündete, zu der Bemerkung, "all diesen Männern" zu gratulieren.

Als große Verliererin galt Regisseurin Greta Gerwig mit ihrem Film "Little Women" – dass sie als Regisseurin so missachtet wurde, war für viele Filmkritiker ein deutliches Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt in Punkto Geschlechteraufteilung in Hollywood. Der Comedian Trevor Noah fasste es in der Satiresendung "Daily Show" so zusammen:
"Das sind nicht nur männliche Regisseure - das sind alles sehr männliche Filme. Und: wo ist 'Little Women'? Es ist wirklich seltsam, weil er für sechs Preise nominiert wurde, darunter das beste Drehbuch und zwei Nominierungen für die Schauspieler, aber irgendwie wurde Greta Gerwig nicht für die Regie nominiert. Wie zum Teufel passiert das? Haben da zwei Leute gesagt: toller Film – der hat sich wohl selbst gedreht?"
Drei Frauen gehen in langen Kleidern im Garten spazieren
Filmkritiker Kyle Buchanan: „Es ärgert mich, dass Filme von Frauen mit Frauen in der Hauptrolle nicht im gleichen Maße wertgeschätzt werden" (www.imago-images.de / Columbia Pictures)
Filme von Frauen mit Frauen finden noch immer zu wenig Beachtung
Der Filmkritiker der "New York Times", Kyle Buchanan, meinte im Interview mit dem öffentlichen Radiosender KPCC, dass Frauen mit der Ausnahme von "Little Women" in diesem Jahr eiskalt übergangen wurden:
"Es ärgert mich, dass Filme von Frauen mit Frauen in der Hauptrolle nicht im gleichen Maße wertgeschätzt werden, wie ähnliche Geschichten, die von Männern handeln."
Filmkritiker Buchanan meint damit zum Beispiel das Gangster-Drama "Hustlers", gedreht von einer Frau mit einem weiblichen Schauspielerinnen-Ensemble, unter anderem Jennifer Lopez. Oder der Film "The Farewell", der davon handelt, wie eine Familie Abschied von der kranken Großmutter nehmen will, ohne dass sie davon weiß. Oder "Queen&Slim" , ein Roadmovie, bei dem sich ein schwarzes Pärchen auf der Flucht vor der Polizei befindet. Allesamt Filme, die von der Kritik bejubelt wurden und von Regisseurinnen gedreht wurden – und die bei den OscaräNominierungen leer ausgingen.
Harvey Weinstein verlässt in Tribeca in New York City das Polizeirevier in Handschellen. Er lacht.
Der Filmproduzent Harvey Weinstein soll über Jahre Frauen missbraucht und teils vergewaltigt haben (imago stock&people, 83358020)
Der Fall Harvey Weinstein und die F olgen
Wollte die Filmindustrie nicht eigentlich alles besser machen? Inklusiver sein - für People of Color, also für Nicht-Weiße – und auch Frauen? War der große Missbrauchs-Skandal um den Filmproduzenten Harvey Weinstein keine Lehre gewesen?
Rückblick Herbst 2017: In Hollywood schlug die Enthüllungsgeschichte der "New York Times" ein wie eine Bombe: Der mächtige Filmproduzent Harvey Weinstein soll jahrelang Frauen missbraucht haben, einige sogar vergewaltigt. Zu den Opfern sollen Schauspielerinnen gehören wie Rose McGowan, Rosanna Arquette, Daryl Hannah, Uma Thurman und rund 80 weitere Frauen.
Was die Berichte noch zu Tage fördern: Von einem regelrechten System ist die Rede, von Helfern, Menschen, die wegsahen, Schweigegeld, das bezahlt wurde oder Überwachung und Drohungen gegen die, die auspacken wollten. Seit Anfang Januar läuft nun der Prozess gegen Weinstein in New York. Das Ende ist noch völlig offen.

Nicht nur im Filmbusiness, auch im Bereich Journalismus, Politik oder Sport werden auf einmal Anschuldigungen laut. Die Frauen in Hollywood reagierten erst einmal lautstark – und sichtbar. Bei den Golden Globes 2018 erschienen sie geschlossen in schwarzen Roben, solidarisierten sich. Der emotionale Höhepunkt in dieser Zeit: die Rede von Talkshowmoderatorin Oprah Winfrey bei den Golden Globes. "Die Zeit für Männer, die ihre Macht missbrauchen, ist um", rief sie dem Publikum entgegen:
"So I want all the girls to know watching here tonight that a new day is on the Horizon."
Ein Smartphone mit dem Hashtag "#MeToo"
Mit einem Skandal in Hollywood hat es angefangen - inzwischen wird weltweit über Sexismus diskutiert (dpa-Zentralbild)

Die Time's-Up-Bewegung, die unter anderem von Oprah Winfrey und Schauspielerin Reese Witherspoon gegründet wurde, wollte nach dem Weinstein- Skandal Frauen stark machen, untereinander vernetzen und in wichtige Positionen in Hollywood bringen. Der Gedanke dahinter: mehr Frauen in Machtpositionen bedeutet: weniger Männer, die ihre Vormachtstellung ausnutzen.
Die Time's-Up-Bewegung, Female Foward, Women and Hollywood - all dies sind Initiativen, die versuchen, Frauen in der Industrie zu fördern und über Ungleichheiten aufzuklären. Time's Up sammelte Millionen für einen Rechtshilfefonds für die, die rechtlich gegen Belästigungen jeder Art vorgehen wollen.
Oprah Winfrey hält bei der Golden-Globes-Verleihung eine bewegende Rede (7. Januar 2018).
Die Time's-Up-Bewegung wurde unter anderem von Oprah Winfrey und Schauspielerin Reese Witherspoon gegründet (dpa / Paul Drinkwater)
Eine übergroße Oscar-Statue steht in Los Angeles
Vor den Oscars - Hollywood, die Academy und die #metoo-Debatte
In Hollywood nahm die aktuelle Debatte um sexuellen Missbrauch in der Filmindustrie im Oktober 2017 ihren Anfang. Vor der Oscar-Verleihung läuft sie weiter auf Hochtouren. Ist für Frauen und andere unterrepräsentierte Gruppen der Wendepunkt erreicht?
Studien, die Hoffnung machen
Es gibt aktuelle Studien, die Hoffnung machen, dass sich tatsächlich etwas ändert, wenn auch nur langsam.
Doctor Stacy Smith beispielsweise von der Universität USC Annenberg in Los Angeles hat die Anzahl von Regisseurinnen in Hollywoodfilmen in den vergangenen Jahren untersucht. Auf der Bühne des AFI-Filmfests in Los Angeles im Herbst 2019 sprach sie von einem positiven Ergebnis.
Reese Witherspoon, Eva Longoria, Salma Hayek, Ashley Judd bei der Verleihung der diesjährigen Golden Globes. Um gegen Sexismus und Machtmissbrauch zu protestieren, trugen viele Stars in diesem Jahr schwarz
Reese Witherspoon, Eva Longoria, Salma Hayek, Ashley Judd bei der Verleihung der diesjährigen Golden Globes: Um gegen Sexismus und Machtmissbrauch zu protestieren, trugen viele Stars in diesem Jahr schwarz (imago/UPI)
Zum ersten Mal steige die Zahl der Regisseurinnen bei den Top 100 erfolgreichsten Filmen in den USA von zuvor etwa vier Prozent auf eine Zahl zwischen zwölf und 14 Prozent. Rein faktisch saßen also im vergangenen Jahr mehr als doppelt so viele Frauen im Regiestuhl. Trotzdem kein Grund zu feiern, meint die Schauspielerin Eva Longoria, mit der Stacy Smith auf der Bühne sitzt, um über Inklusion zu sprechen.
"Wandel ist möglich, aber wir zelebrieren die reinen Zahlen – und das finde ich schlecht. Studios beklatschen sich, wenn sie 100 Prozent mehr Frauen einstellen, das heißt dann: Wow, wir haben nicht 1 Frau eingestellt, sondern 2! Wir haben die Zahl verdoppelt. Und man denkt sich – das ist keine Verbesserung! Wir müssen dran bleiben, denn die Studios verstecken sich manchmal hinter schönen Pressetexten."
Viele Männer finden es immer noch schwierig, eine Frau als Chefin zu haben
Ein Café auf der hippen Melrose Avenue in Los Angeles, dort treffe ich Vicky Petela, sie trägt einen brünetten Bob und ist von ihrem Büro her gehetzt, ein Termin jagt den nächsten, gerade will sie ein neues TV-Projekt angehen. Petela arbeitet als freie Produzentin für Spielfilme und TV-Serien größtenteils im Independentbereich. Sie sagt: Es ist nach wie vor in ihrer Branche noch schwierig als Frau in einem Job zu arbeiten, in dem man eine Chefposition innehat:
"Es ist schon erstaunlich, wie viele Männer es noch schwierig finden, eine Frau zum Chef zu haben. Und noch mehr eine junge Frau."
22.01.2020, USA, New York: Harvey Weinstein (M), Filmproduzent aus den USA, und der Anwalt Arthur Aidala (r) kommen zum Gerichtsgebäude.
Ex-Hollywood-Produzent Weinstein - Der Prozess ist ein Gewinn
Es habe sich viel bewegt seit #Metoo, findet Antje Passenheim. Und der Prozess gegen den ehemaligen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein werde noch mehr bewegen. Denn durch das Verfahren werde der Kultur des Totschweigens eine Kultur des Hinsehens und des sich Wehrens entgegengesetzt.

Die 33-Jährige lebt und arbeitet seit vielen Jahren in Los Angeles. Als Producerin kümmert sie sich unter anderem um die Finanzierung von Projekten, stellt eine Crew zusammen, ist auch am kreativen Prozess des Films beteiligt, findet Drehbücher und entwickelt sie und ist natürlich auch am Set dabei. Als Frau sei man immer wieder bestimmten Schwierigkeiten ausgesetzt – so wie in anderen Branchen auch:
"Wir kennen das Thema sexuelle Belästigung in unserer Industrie. Ich habe es erlebt, und ich kenne keine Frau, die es nicht auch schon erlebt hat. Ich kenne Situationen, dass dich jemand einstellen will und sagt, dass man "nett zu ihm sein müsste", um den Job zu bekommen. Ich wurde am Set schon schikaniert, angeschrien. Es gibt diese Mikro-Aggressionen am Set, dass jemand zu mir sagte: Jetzt weine bloß nicht, nicht vor der Crew! Aber wenn ein Regisseur weint, weil es eine emotionale Szene ist, wird er applaudiert. Bei Frauen heißt es: Sie ist instabil sie ist verrückt!"

Nina Franoszek kennt solche Situationen aus der Schauspielerinnenperspektive. Franoszek pendelt zwischen Deutschland und den USA – spielt in Hollywood oft den Typ blonde Europäerin, aus Deutschland Frankreich oder Schweden. Rollen hatte sie unter anderem in Erfolgsserien wie "Weissensee" oder "Mad Men" : In "Mad Men" geht es um die Werbebranche und männliche Machtstrukturen in den 60er-Jahren – Frauen kommen fast nur als Sekretärinnen vor. Die Serie zeigt, welch weiten Weg die Gesellschaft gegangen ist. Trotzdem meint Franoszek gibt es auch heute immer wieder unangenehme Situationen, in denen Männer ihre Macht ausspielen, wenn sie bekannt sind. Das erlebte sie schon selbst – auch bei einem Abendessen mit einem bekannten deutschen Schauspieler in LA.
"Er rutsche mich in die Bank rein, also ich kam da nicht raus. Und da war sofort die Hand auf dem Knie und er fing an, die Journalistin zu dekradieren. Und bei mir wurde er handgreiflich und dann griff er mir in die Haare und nahm mir die Spange raus und machte dann so eine Bemerkung: 'Du siehst so viel lockerer aus, mach dich mal locker.' Jetzt bist du aber in der Situation, wo du immer noch denkst, den kenne ich doch aus diesen Filmen. Ich hatte mich gefreut auf dieses Essen. Und gleichzeitig dachte ich: Wer bezahlt jetzt das Essen? Und dann bin ich da raus."
Dezember 2018 - USA - Das Hollywood-Schild in den Hollywood Hills
Auch 2020 wurde in der Kategorie "Beste Regie" keine Frau für den Oscar nominiert (imago / ZUMA Press / Dreamstimex)
Wer sich wehrt, gilt als stur und bockig
Auch wenn nichts Schlimmeres passiert ist - es sind diese manchmal erst subtilen Momente, in denen getestet wird, was möglich ist. Und wer geht, wer sich wehrt, gelte natürlich als stur, bockig – schlecht für eine Branche, in der man vor allem über Kontakte an Jobs kommt.
Franoszek weiß, wie man sich wehrt. Sie ist Mitglied in der amerikanischen Schauspielergewerkschaft SAG und weiß, dass es Notfallnummern gibt, die man wählen kann, wenn es am Set zu Übergriffen kommt.
Und doch merkt man im Gespräch, dass sie sich fragt, ob sie nicht die eine große Rolle verpasst haben könnte, weil sie zu für sich Grenzen definiert hat.
Hollywood ist nach wie vor DIE Traumfabrik. Gerade für junge Schauspielerinnen sei das immer noch mit Fallstricken verbunden, meint Franoszek. Denn auch, wenn Harvey Weinstein mittlerweile vor Gericht steht, gibt es offenbar immer noch Männer, die sprichwörtlich auf die Besetzungscouch bitten – also Gegenleistungen für Rollen verlangen.
"Ich hatte einen Fall einer jungen, wirklich wunderschönen Schauspielerin, die wollte eine Karriere hier haben. Die hatte ein Treffen mit einem sehr renommierten Agenten, die rief mich an und sagte, sie wäre wohl zu dem nach Hause hingefahren und nicht in die relativ bekannte Agentur.
Und der öffnet die Tür im Bademantel. Und der Satz war: 'Oh, so you wanna be an actress?' Und sie hat dann aber super reagiert und hat gesagt: 'I am an actress, please call me a cab'."
"#MeToo"-Protest in Hollywood, Opfer von protestieren gegen sexuelle Gewalt und Belästigung.
"#Metoo"-Protest in Hollywood (AFP/Mark Ralston)
Noch immer dominieren Männer die Filmbrance
Der zweite Stock eines Bürogebäudes in West Hollywood. Hier treffe ich mich mit Robin Jonas, einer Filmproduzentin für die Firma "Voltage Pictures".
Die Firma produzierte zum Beispiel das Drama "The Hurt Locker" mit, der Film der Regisseurin Kathryn Bigalow, die als erste Frau überhaupt einen Regie-Oscar gewann - das war vor zehn Jahren.
Jonas, kurze braune Haare, weiße Bluse, schwerer Goldschmuck, ist seit drei Jahrzehnten im Filmbusiness. Jonas hat für Harvey Weinstein in seiner Produktionsfirma "Miramax" gearbeitet.
"Ich denke, so wie viele andere, dass Harvey schlimme Dinge getan hat und dass er dafür bezahlen muss. Aber ich bin auch im inneren Konflikt, denn ich wusste so wie viele andere Frauen nicht, was genau vor sich ging. Klar, wir wussten von Affären. Aber das ist mein Business, das machen viele Leute. Aber ich muss auch sagen, dass meine Erfahrung bei Miramax einfach fantastisch war, ich konnte an großartigen Filmen arbeiten."
Im vergangenen Jahr waren 20 Prozent mehr Frauen an den Top-100-Filmen in den Bereichen Regie, Autorenschaft und Produktion beteiligt. Im Jahr 2018 waren es 16 Prozent. Es tut sich also etwas.
Und trotzdem: 80 Prozent aus dem produzierenden, eher technischen Gebiet des Films sind noch immer männlich besetzt. Filmproduzentin Robin Jonas findet es ebenfalls schade, dass in diesem Jahr keine Frau in der Kategorie "beste Regie" bei den Oscars nominiert wurde – aber:
"Je mehr Frauen Filme machen, desto mehr Frauen können auch nominiert werden. Es ist hart, es sind ja nur fünf Plätze und ich glaube nicht, dass man einfach eine Frau nehmen sollte und nominiert, einfach um eine Frau zu haben."
Warum aber gibt es so wenige Regisseurinnen? Die Gründe dafür lägen an den Filmen selbst und mangelnden Vorbildern, meint Filmproduzentin Vicky Petela:
"Wenn ich mich daran erinnere, welche Filme es zu meiner Zeit gab, die eine weibliche Perspektive hatten, dann waren das Disney-Filme mit Prinzessinnen. Oder romantische Komödien. Aber nichts mit einer interessanten Geschichte. Ich denke, dass das unterbewusst bei Frauen dazu führt, dass sie denken: Warum sollte ich Regisseur werden, meine Geschichten sind nicht willkommen."
Der Filmkritiker der "New York Times", Kyle Buchanan meint, dass auch die Oscars immer noch die falschen Impulse setzen. Schließlich werden hier Filme einem großen Publikum nochmal ganz besonders nahegebracht, Prädikat Oscar sozusagen.
"Es ist eine Art Kreislauf: Filme mit bestimmten Darstellern und über bestimmte Themen werden gedreht, weil wir von den Oscars gesagt bekommen: Diese Themen sind wichtig. Und die Akademie sagt: Wir können ja nur die Filme nominieren, die auch auf dem Markt sind. Dabei gab es diese Filme durchaus, nur messen wir Filmen mit Frauen immer noch nicht die Bedeutung zu, wie Filme mit Männern, die dramatische und brutale Dinge tun."
Eine riesige Oscar-Statuette, aufgenommen beim 88. Academy Awards Nominees Luncheon.
Die Filmindustrie gebe vor, welche Themen wichtig seien, und das seien vor allem weiße, männliche Themen, meinen Kritiker (dpa-Bildfunk / Invision / Danny Moloshok)
Die Academy der alten weißen Männer
Die Oscar Academy stand in den vergangenen Jahren immer wieder auch wegen der Zusammensetzung ihrer Mitglieder in der Kritik. 2012 waren nach einer Erhebung der "Los Angeles Times" 94 Prozent ihrer Mitglieder weiß, 77 Prozent männlich und nur 14 Prozent jünger als 50 - daher hat die Academy auch ihren Ruf, ein Verein alter, weißer Männer zu sein.
Die Oscar Academy hat seit der Kritik an ihren Mitgliedern mehr Frauen und People of Color eingeladen. Die Zahl weiblicher Mitglieder soll bis 2020 verdoppelt werden. Doch überprüfbar sind die Ergebnisse von außen nicht. Und: bis wirklich Diversität erreicht ist dürfte Zeit vergehen, denn wer einmal Mitglied ist, der ist dies auf Lebenszeit.
Ein anderer Vorschlag, der in den vergangenen Wochen geäußert wurde. Muss man vielleicht auch bei den Oscars eine Quote einführen – oder eine eigene Kategorie, für weibliche Regisseure? Doch die meisten Frauen sind nicht davon begeistert, wie beispielsweise Indie-Producerin Vicky Petela:
"Ich glaube nicht, dass Greta Gerwig eine Mitleidsnominiereung will. Sie will nominiert werden, weil sie einen guten Film gemacht hat."
Der Inclusion Rider: Ein Papier für mehr Vielfalt und Diversität
Eine andere Idee kommt von Professorin Stacy Smith, die zu Frauen um Film forscht – sie entwickelte den so genannten "Inclusion Rider" mit – jenes Papier, das Schauspielerin Frances McDormand in ihrer Oscar-Dankesrede 2018 dem Publikum benannte:
Der Inclusion Rider – das ist eine Vertragsklausel, in der beispielsweise Schauspieler von Regisseuren oder dem Studio verlangen können, dass die Besetzung der Produktionscrew eines Films möglichst divers ist. Stacy Smith erläutert dieses Vertragskonstrukt im uni-eigenen YouTube-Kanal:
"Schauspieler, Regisseure und andere können dies in ihren Vertrag schreiben und verlangen, dass mindestens 50 Prozent der Filmcrew divers ist. So soll sichergestellt werden, dass Frauen und People of Color also Menschen unterschiedlichster Hautfarbe mitarbeiten Mit dieser klaren Vertragssprache wollen wir gleich wenn es um die Einstellungsgespräche oder Castings geht auf zu Vielfältigkeit achten."
Das Problem mit diesem Papier: Es ist kaum nachvollziehbar, wer diese Klausel bisher genutzt hat. Melissa Silverstein, die die Initiative "Women and Hollywood" gegründet hat wird regelrecht wütend, wenn es um das Thema geht:
"Leute wie Matt Damon und Ben Affleck sagten, dass sie das nutzen würden. Tuns sie das? Es gibt gute Presse, wenn man sagt, das man etwas Gutes tut, und dann prüft das niemand nach."
Zahlen, Nachweise, wie oft diese Klausel schon zum Einsatz gekommen ist, fehlen. Vicky Petela kann als Produzentin eigene Impulse setzen – sie versuche Frauen für ihre Projekte zu finden. Dabei gehe es nicht darum, nur Frauen einzustellen, aber es wenigstens zu versuchen.
Die deutsche Schauspielerin Nina Franoszek glaubt, dass der Wandel langsam kommt. Die MeToo-Bewegung habe viel ausgelöst – Positives aber auch Ängste:
"Also, es werden viel mehr Frauen angestellt, es werden vor allem auch Frauen mit ethnischem Background angestellt, das hat sich auch in den Besetzungen sogar verändert."
Die Vorbereitungen für die Oscarsverleihung am Dolby Theater in Hollywood.
Ein Wandel in Hollywood ist möglich, braucht aber Zeit. Noch dominieren alte weiße Männer das Filmbusiness (imago images / ZUMA Press)
Ein vor allem für weiße Männer schmerzhafter Prozess
Serien wie "Orange is the New Black", "Killing Eve oder "Big Little Lies" sind von Frauen und zeigen Frauen fernab des Sterotyps. TV und Streaming wirken seit Jahren oft moderner, als Hollywoods Filmindustrie. Sie können im besten Sinne ein Vorbild sein, für die oft verkrustet wirkenden Strukturen der Filmstudios.
Der Wandel braucht wahrscheinlich Zeit – und er wird nicht einfach meint Producerin Vicky Petela, die mit ihren 33 Jahren noch am Anfang ihrer Karriere steht:
"Es ist schmerzhaft und gerade für weiße Männer. Sie fühlen sich wahrscheinlich, als ob man ihnen etwas wegnimmt, wenn Frauen dazukommen und People of Color. Tatsächlich wird der Tisch aber nicht kleiner, sondern größer."