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Frauen mit Kindern zuerst

Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat in Magdeburg getagt. Das120-köpfige Kirchenparlament äußert sich in seiner so genannten "Kundgebung" an die 26 Millionen Protestanten im Land unter anderem sehr kritisch zum Umgang mit Frauen und Kindern in Deutschland. "Kinder dürfen nicht länger ein Armutsrisiko sein und nicht als 'Karrierekiller’ angesehen werden" heißt es da. Und: "Pädagogische Kompetenzen müssen bei Bewerbungen und Aufstiegschancen angemessen berücksichtigt werden. Die Kinderarmut erzeugt eine Armut an Zukunftschancen, an Phantasie, an Lebensfreude, eine Armut an Toleranz und Gemeinsinn." Soweit die evangelischen Kirchenabgeordneten.

Von Herbert A. Gornik |
    Besorgnis allein reicht nicht. Aber Besorgnis kann der Anfang von Einsicht und Veränderung sein. "Angemessen berücksichtigt werden" ist auch noch zu schwach: Eltern, die Kinder aufziehen, müssen beim Wiedereintritt in den Beruf oder bei Neuaufnahme bevorzugt werden, also Pluspunkte erhalten. Die Protestanten beklagen völlig zurecht: Von Generationengerechtigkeit kann gar keine Rede sein, wenn es die zukünftige Generation nur als kleines Häuflein gibt. In der Geburtenstatistik liegt Deutschland an fünftletzter Stelle aller Staaten auf der Welt.

    In diesem Land gelten Kinder als lärmendes notwendiges Übel, werden Schwangerschaft und Geburt wie chronische Krankheiten als Risikofaktor behandelt und mit Beitragserhöhung zum Beispiel in der Krankenversicherung bestraft. Schon der Erfinder des heute gültigen Generationenvertrags, unseres Rentensystems, Wilfried Schreiber hat vor 50 Jahren dies bitter beklagt: " Wer kinderlos oder kinderarm ins Rentenalter geht und, mit dem Pathos des Selbstgerechten für gleiche Beitragszahlungen gleiche Rente verlangt und erhält, der zehrt parasitär an den Mehrleistungen der Kinderreichen, die seine Minderleistungen kompensiert haben." 50 Jahre später ist die parasitäre Grundhaltung der kinderlosen Gesellschaft ausgeprägter denn je. Das ist keine Diskriminierung von Kinderlosen. Ganz im Gegenteil: Es steht eine " Bonifizierung " an, ein Bonussystem für Kinder in die Welt setzende , Kinder erziehende und Familienarbeit leistende Frauen und Männer. 1992 hatte das Bundesverfassungsgericht wieder in einem Urteil festgestellt: "Die bisherige Ausgestaltung der Rentenversicherung führt im Ergebnis zu einer Benachteiligung der Familie, namentlich der Familie mit mehreren Kindern." Was ist das für ein Land, was ist das für eine Gesellschaft, was sind das für Politiker, die ihre eigene Renten- und Sozialphilosophie und ihr eigenes Verfassungsgericht nicht ernst nehmen und ignorieren? Kinder gibt es nicht zum Nulltarif. Die müssen gesellschaftlich finanziert werden.

    Wir subventionieren in diesem Land Hühnerställe, Legebatterien und Gülleverbrennungsanlagen, Flugbenzin für Hobbyflieger mit pädagogischem Auftrag, Futtermittel für Hängebauchschweine im Zoo und wir finanzieren Versuche zur Vermehrung von widerstandfähigen Regenwürmern. Die , bei denen es wirklich zählt, subventionieren wir nicht. Frauen und Männer mit Kindern werden bei den Rentenbeiträgen und der Pflegeversicherung behandelt, als hätten sie nichts geleistet. Als sei die Lebensarbeit mit Kindern und für Kinder und damit für die Gesellschaft nur ein Privatvergnügen.

    Frauen und Männer dürfen für Familienarbeit nicht mehr mit späterer Anstellungsverweigerung, Karriereentzug und drohender Verarmung gleichsam bestraft werden.

    "Ladies and Children first", heißt es im Notfall auf See - beim Einstieg in die Rettungsboote. Frauen u n d Kinder zuerst. Mittlerweile haben wir den allgemeinen Notstand in der Generationenfrage erreicht. Frauen m i t Kindern zuerst – muss die Devise lauten - auch auf der Brücke, das heißt an den beruflichen und sozialen Schaltstellen des Lebens.

    Die Synodalen in Magdeburg haben das ausgesprochen und dafür gebührt ihnen Dank.