Freitag, 26. April 2024

Archiv


Frauen ticken anders

Ingenieure und Naturwissenschaftler werden von der Wirtschaft händeringend gesucht. Doch in Deutschland entscheiden sich nur wenige Studenten für einen technisch orientierten Studiengang; vor allem Frauen immatrikulieren sich nur selten für entsprechende Fächer. Um dies zu ändern, hat die Hochschule Bremen die Gendertage ausgerufen, bei denen das Wechsel- und Zusammenspiel von Mann und Frau thematisiert werden.

Von Christina Selzer | 29.11.2007
    Was ist das: Gender? Eine kleine Umfrage unter Studenten der Hochschule Bremen

    "Ich habe Gender noch nie gehört, den Namen. Da kann ich mir darunter nichts vorstellen."

    "Gleichberechtigung, das ist für mich ein Begriff, ja, aber der englische Name Gender, der war mir so noch nicht geläufig."

    "Ich persönlich finde es überflüssig für mich, aber ich weiß ja nicht wie der Rest da informiert ist, Wie es bei den anderen Köpfen aussieht, aber für mich spielt es keine Rolle mehr."

    Immerhin: Einer der Befragten weiß ganz gut bescheid.

    "Ich glaube, Gender ist ein Wechselspiel zwischen Mann und Frau, ob das nun in der Bildung ist oder in der Wirtschaft oder in der Familienpolitik."

    Doch das hat sich noch nicht überall herumgesprochen. Ein Grund für die Hochschule Bremen, in dieser Woche Vorlesungen in allen Fächern anzubieten, die das Thema aufgreifen. "Studieren mit Kind" ist zum Beispiel der Titel einer Vorlesung. Oder: Ein Seminar zu den Ursachen der unterschiedlichen Entlohnung von Männern und Frauen im internationalen Vergleich. Gender ist überall. Und: Gender heißt, dass sich Männer über die ungleichen Voraussetzungen bewusst sind. Die Frauenbeauftragte der Hochschule Bremen, Anna Müller möchte erreichen, dass nicht nur Studierende, sondern auch die Dozenten sich des Themas bewusst werden:

    "Für mich als Frauenbeauftragte sind diese Gendertage ein ausdrücklicher Inhalt eines Qualitätsprogramms, das wir in der Hochschule verabschiedet haben, und zwar im Jahr 2005."

    Während die Sozial- und Kulturwissenschaften sich schon seit vielen Jahren mit solchen Fragen befassen, tun sich die Ingenieurswissenschaften, die klassischen Männerdomänen oft noch etwas schwer damit. Doch das wird sich schon noch ändern, da ist sich Anna Müller sicher:

    "Der Mensch und seine Verortung in der sozialen Umwelt und wie entsteht ein Mensch, wie identifiziert er sich da, sind ganz originäre sozialwissenschaftliche Fragestellungen, aber das ist zu kurz gedacht, wenn man sagt, das ist nur etwas, was die Ingenieurswissenschaften am Rande betrifft, weil Ingenieurswissenschaften leben von der Anwendung, und die Anwendung wird von Menschen gemacht oder genutzt. Technik und Entwicklungen nutzen Menschen. Und spätestens da muss man sich bei der Produktentwicklung zum Beispiel mal Gedanken machen, aber auch Technik-Folgenabschätzung ist ein anderer Aspekt, wo das Soziale und Gesellschaften eine Rolle spielt."

    Sigrid Michel ist Professorin an der Fachhochschule Dortmund. Sie hat in Bremen den Einführungsvortrag für die Aktionstage gehalten. Frauen, sagt sie, werden in ihrem Alltag oft mit technischen Konstruktionen konfrontiert, die sie als potenzielle Nutzerinnen gar nicht ansprechen.

    "Auf der Ebene des Autobaus zum Beispiel, da geht es um ein Segment, ein Kundensegment. Es gibt nicht nur den Kunden, es gibt auch die Kundin. Und wenn ich die anspreche und für die Produkte entwickle, die auf deren Bedürfnisse zugeschnitten sind, dann habe ich als Wirtschaftsunternehmen Wettbewerbsvorteile. Und das gleiche gilt natürlich für die Hochschule auch. Wenn ich nicht nur Studenten sondern auch Studentinnen anspreche, dann habe ich gegenüber den anderen Hochschulen Wettbewerb, weil ich dieses Kundensegment bediene."

    Dass Frauen auf andere Themen ansprechen als Männer, und auch anders lernen, darüber besteht in der Geschlechterforschung Konsens. Zum Beispiel scheitern Frauen oft an der Mathematik, weil sie sich nicht angesprochen fühlen. So fanden Umfragen heraus, dass Frauen sich viel eher mit Aufgaben anfreunden können, die einen praktischen Bezug haben. Erfolgreiches Lernen hängt davon ab, wie sehr die Inhalte mit dem eigenen Leben zu tun haben. Uwe Apel, der Konrektor der Hochschule Bremen sieht das auch so:

    "Das wir beispielsweise in dem Bereich der Mathematik halt dafür sorgen müssen, dass wir unterschiedliche Lehr- und Lernformen öffnen und parallel anbieten unabhängig vom Geschlecht sondern abhängig vom Gender, also von der Einstellung des einzelnen dazu und seinen Fähigkeiten zu lernen, und das man darüber wahrscheinlich eine geringere Abbrecherquote in den technischen Fächern erreichen kann, eine größere Akzeptanz der Studiengänge durch Frauen."

    Übrigens: Gender fängt schon bei vermeintlich banalen Dingen wie Toiletten an. Wenn Frauen in Unis oder anderen öffentlichen Gebäuden immer Schlange stehen müssen, weil 80 Prozent der Toiletten für Männer konzipiert wurden, dann ist da wohl etwas falsch gelaufen. Und damit solche Fehler in Zukunft nicht mehr vorkommen, müssen die Bauingenieure wissen, dass heute auch Frauen Karriere machen. Und wenn sie das verstanden haben, dann hat das Gender-Mainstreaming funktioniert.