Donnerstag, 28. März 2024

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Frauenhilfsprojekt in Sambia
"Ohne Unterstützung würden viel mehr Leute an Aids sterben"

Frauen und Mädchen würden in Sambia systematisch benachteiligt und seien deutlich stärker von Armut betroffen als Männer, sagte die Komikerin Carolin Kebekus im DLF. Auch sei für sie das Risiko höher sich mit HIV zu infizieren. Kebekus reiste mit der entwicklungspolitischen Lobbygruppe ONE und traf sich auch mit sambische Stand-up-Komikerinnen.

Carolin Kebekus im Gespräch mit Christoph Heinemann | 12.05.2017
    Die Komikerin Carolin Kebekus
    Die Komikerin Carolin Kebekus macht sich in Sambia ein Bild davon, wie die systematische Benachteiligung von Frauen und Mädchen verhindert werden kann. (dpa/picture alliance)
    Christoph Heinemann: Wenn wir den Finger auf der Weltkarte in Afrika, dort wo der Kontinent schlanker wird, von Westen (Angola) Richtung Osten (Mosambik) entlangfahren, dann berühren wir Sambia - das Land in der Mitte zwischen den beiden genannten Staaten. Dort bleiben wir jetzt. Die folgende Meldung stammt vom vergangenen Monat: Die Katholische Bischofskonferenz von Sambia hat der Regierung des Landes einen zunehmend autokratischen Führungsstil vorgeworfen. Das Land entwickele sich zur Diktatur, sagen die Bischöfe. Konkret geht es um die Verhaftung und die anschließende Anklage des Oppositionspolitikers Hichilema. Der Anführer der Vereinten Partei für nationale Entwicklung war im April festgenommen worden. Ihm wird vorgeworfen, bei einer Veranstaltung den Konvoi von Präsident Edgar Lungu blockiert und dadurch die Sicherheit des Staatsoberhaupts gefährdet zu haben. Nun muss er sich wegen Hochverrats verantworten; darauf stehen in Sambia mindestens 15 Jahre Gefängnis oder sogar – und das muss man sich vorstellen – die Todesstrafe.
    Die afrikanische Krankheit ist also auch in Sambia zu besichtigen. Korrupte Potentaten saugen ihr reiches Land aus. Menschen- und Bürgerrechte Pustekuchen. Die Bürger können sehen wo sie bleiben, und das gilt vor allem für die Bürgerinnen.
    Die Komikerin Carolin Kebekus hält sich zurzeit in Sambia auf. Sie reist mit der Organisation ONE im Rahmen von deren Kampagne "Armut ist sexistisch" zur Stärkung der Bildungschancen von Mädchen. ONE ist eine Lobby-Organisation, die sich weltweit für die Bekämpfung von Armut und vermeidbaren Krankheiten einsetzt. Wir haben Carolin Kebekus gestern in Lusaka erreicht. Ich habe sie gefragt, inwiefern Armut sexistisch ist.
    Carolin Kebekus: Armut ist sexistisch, weil hier Frauen und Mädchen natürlich viel stärker von der Armut betroffen sind als Männer und Jungen und weil die einfach benachteiligt sind im Bereich Gesundheit und Bildung, und die haben hier auch ein höheres Risiko, sich mit HIV zu infizieren. In Sambia sind 70 Prozent der Neuinfektionen Mädchen zwischen 10 und 19 Jahren.
    Auch im Bildungsbereich ist es so, dass sie benachteiligt sind. Es schließen zwar gleich viele Jungen und Mädchen die Grundschule ab, aber sobald die dann in die Pubertät kommen wird es schwierig. Die weiterführenden Schulen, da brechen die Zahlen dann komplett ein, weil die zum Beispiel nicht mehr in die Schule gehen, weil sie schwanger werden, oder die verpassen dann in der Pubertät ganz viele Schulstunden – ganz simpel, weil denen Hygieneartikel fehlen wie Binden und Tampons, und dann können die während ihrer Menstruation nicht in die Schule gehen. Oder es gibt vor Ort keine Toiletten für Mädchen und dann verpassen die schon mal 20 Prozent der Schulstunden, und das ist eine ganze Menge.
    Langsamer Wandel: Gewalt gegen Frauen wird thematisiert
    Heinemann: Klingt ein bisschen nach systematischer Benachteiligung.
    Kebekus: Ja, das kann schon sein, wobei ich glaube, dass ich das mitbekommen habe, dass es hier ein bisschen eine größere Aufmerksamkeit gibt. Auch Gewalt gegen Frauen wird thematisiert. Wir waren in einer Einrichtung, wo Anwälte umsonst für Frauen und Mädchen und Kinder gearbeitet haben, wo wir jede Menge Plakate gesehen haben. Ich glaube, das ist jetzt schon ein Thema, was ein bisschen mehr in den Fokus gerät.
    Heinemann: Die Menschenrechte in Sambia werden ja nicht unbedingt respektiert. Aber diese Themen kann man offen ansprechen?
    Kebekus: Zumindest da, wo wir waren, ja. Es gibt ja so viele Statistiken und so was. Wenn man dann die Leute vor Ort trifft, die tatsächlich diese Arbeit machen und die total engagiert sind, dann kriegt man ein ganz anderes Bild davon und sieht dann auch, wie wichtig diese Arbeit vor Ort ist.
    Heinemann: Wie weit ist die Aids-Prävention in Sambia, insbesondere auch für Frauen und Mädchen?
    Kebekus: Das Land wird unterstützt in der HIV-Prävention von internationalen Organisationen, und ich bin ja hier mit ONE, und ONE ist ja so ein bisschen dafür da, die Regierung unter Druck zu setzen, dass da auch die richtigen Organisationen unterstützt werden. Und was die Regierung jetzt selber zur Prävention macht, das kann ich jetzt gar nicht genau sagen.
    "Zivilgesellschaft ist gefragt"
    Heinemann: Haben Sie denn den Eindruck, dass sich die sambische Regierung für die Stärkung ihrer Mitbürgerinnen einsetzt?
    Kebekus: Ja. Es gibt jetzt auf jeden Fall ein Gesetz, das jetzt, glaube ich, erlassen wurde, dass die Mädchen, die minderjährigen Mädchen, die schwanger sind, zurückkommen müssen, wenn sie das Kind bekommen haben. Vorher war das nicht so. Da gibt es auf jeden Fall eine Verbesserung. Ja, aber trotzdem ist vor allem die Zivilgesellschaft gefragt. Gerade in der Aufklärung zum Impfen oder zur Aids-Prävention, da sind unheimlich viele Leute, die wir hier kennengelernt haben, die sich ganz stark engagieren, wie zum Beispiel ganz simpel so kleine Theatergruppen, die dann auf dem Marktplatz – das haben wir gesehen – ein kleines Schauspiel machen, wie die Mutter das Kind impfen lassen will und der Vater sich dann fürchterlich aufregt und die Frau dann aber doch geht, und dann ist das so ein bisschen lustig verpackt, dass dann ein Freund kommt und sagt, Mensch, das Impfen ist doch ganz toll, und dann lachen sich alle kaputt und so bringen die das Thema dann richtig in die Gesellschaft.
    Heinemann: Frau Kebekus, was entgegnen Sie Menschen, die sagen, diese milliardenschwere Entwicklungshilfe der vergangenen Jahrzehnte hat bisher vor allem korrupten Potentaten genutzt, sonst würden ja auch nicht so viele Migranten nach Europa kommen? Wieso muss man einem potenziell reichen Land wie Sambia obendrein noch helfen?
    Kebekus: Natürlich funktioniert da nicht alles so, wie es sollte in den Regierungen. Natürlich sind die dafür verantwortlich. Aber die Menschen dürfen darunter ja nicht leiden. Wir haben hier vor Ort auf jeden Fall gesehen, wie die Unterstützung ankommt und wie diese einzelnen Organisationen arbeiten und wie wichtig das ist, dass man da investiert. Wir waren auch bei einem College, wo junge Frauen zu Grundschullehrerinnen ausgebildet werden, und gerade wenn man überlegt, dass sich bis 2050 die afrikanische Bevölkerung verdoppeln wird und wie wichtig das Thema Bildung da ist, und wir haben so viele junge Mädchen und Frauen, die so eine Energie haben, die so ein großes Potenzial haben, und die zu unterstützen und denen die Möglichkeit zu geben, sich zu bilden, damit die zu kritischen Menschen werden, die dann diese Regierung auch zur Rechenschaft ziehen können, dann ist das der richtige Weg und dann müssen diese Projekte auch weiter unterstützt werden.
    Heinemann: Sie haben in Lusaka sambische Comedians getroffen.
    Kebekus: Ja!
    Stand-up-Comedy in Sambia
    Heinemann: Wie frei dürfen Ihre Kolleginnen in Sambia arbeiten?
    Kebekus: Die haben uns nichts davon erzählt, dass sie irgendwelche Einschränkungen hatten auf der Bühne. Die haben auch ziemlich gute Dinger rausgehauen, als wir da am Tisch saßen. Ich hätte auch nicht gedacht, dass es tatsächlich Stand-up-Komikerinnen sind. Ich hätte jetzt gedacht, das es eher so Richtung Theater oder Boulevard-Schauspieler oder so was geht. Aber die machen wirklich Stand-up-Comedy genauso wie ich. Die gucken genauso die amerikanischen Kollegen an bei YouTube. Wir haben uns ausgetauscht und das war sehr, sehr spannend, auch sehr, sehr lustig, und die sind unheimlich leidenschaftlich in ihrer Arbeit. Die machen unheimlich viele Proben und die haben jetzt eine große Show in Lusaka im Juli, wo die vor 1.500 Leuten spielen. Das ist wirklich einfach mal eine riesige Menge. Und ja, ich glaube, dass die ganz frei sprechen können. Die kamen mir auch ganz schön tuff vor.
    Heinemann: Können Sie von Ihren sambischen Kolleginnen etwas lernen?
    Kebekus: Ich will auf jeden Fall mir mal ein paar Sachen von denen angucken. Jetzt bräuchte ich nur jemanden, der mir das noch übersetzt. Aber jetzt kenne ich ja hier ein paar Menschen aus Sambia, die mir da bestimmt bei helfen können. Ich habe die jetzt nicht auf der Bühne gesehen, aber ich finde es schon beeindruckend, mit was für einer Leidenschaft die diesen Job machen und auch sich durchsetzen, dass sie auch ihren Männern zuhause sagen, so ich mach das jetzt, ich mach jetzt Stand-up-Comedy. Ich meine, das ist jetzt in Deutschland schon, wenn man seinen Eltern oder irgendjemandem sagt, ich mache jetzt Stand-up-Comedy, dann gucken die auch erst mal komisch. Aber das in einem Land wie Sambia zu machen, ist schon mal eine andere Hausnummer und das war schon beeindruckend.
    Heinemann: Frau Kebekus, warum sind Sie nach Sambia gereist?
    Kebekus: Ich habe ONE ja schon, glaube ich, vor zwei Jahren angefangen, die ein bisschen zu unterstützen bei dieser "Armut ist sexistisch"-Kampagne. Und die haben mich eingeladen, nach Sambia zu fahren, und ich habe einfach mal zugesagt. Es ist Zufall gewesen, dass ich überhaupt Zeit hatte. Und dann bin ich relativ naiv hier runtergefahren und dachte, ja, dann gucke ich mir das alles mal an und gehe aber jetzt wirklich mit einem Koffer voller ganz beeindruckender Geschichten nach Hause.
    Heinemann: Wie haben denn die Männer und Jungen reagiert, als Sie gesagt haben, Sie interessieren sich vor allem für die Rechte von Frauen und Mädchen?
    Kebekus: Alle Männer, die wir hier getroffen haben, die involviert waren in den Projekten, waren extrem engagiert. Ich weiß noch: Wir waren in einer Grundschule und da haben die kleinen Kinder uns Gedichte vorgetragen und Sprüche. Und da war ein kleiner Junge: "Every Girl should be treated equal", sollte er sagen, aber er kam nicht auf das Wort. Aber er hat mit den Händen wie so eine Waage gezeigt und das fand ich total süß, weil dann weiß man, ja, der weiß genau, worum es geht, und das will er auch sagen, aber ihm fällt das Wort jetzt nicht ein.
    Kleine Geschichten zeigen die Wirksamkeit der Hilfe
    Heinemann: Kommen Sie optimistisch zurück?
    Kebekus: Ja, total, weil ich hier vor Ort auf jeden Fall gesehen habe, wie konkret hier diese Hilfe umgesetzt wird, wie das hier ankommt. Wir waren dabei, wie Kinder geimpft wurden. Wir waren in einer Klinik in einem Hospiz, wo viele Frauen mit den Aids-Medikamenten versorgt werden konnten. Ohne die Unterstützung würden hier unglaublich viel mehr Leute an Aids sterben. Und da konkret wirklich diese Geschichten zu sehen – wir haben eine Frau kennengelernt, die hier, glaube ich, seit 20 Jahren HIV-positiv ist. Die hat drei ihrer Kinder an Aids verloren und hat aber jetzt dank dieser Medikamente, die sie bekommen kann, eine gesunde Tochter noch bekommen, die jetzt, glaube ich, vier ist oder so. Die war dabei und das waren wirklich ganz reale Geschichten. Plötzlich steht dann hinter dieser Hilfe mit diesen ganzen Projekten, die man da auf irgendwelchen Papieren hat, ein Mensch vor einem, ein kleines Mädchen, die tatsächlich das Resultat von dieser Hilfe ist.
    Heinemann: Frau Kebekus, vielen herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für die weitere Reise und vor allen Dingen eine gute Rückkehr.
    Kebekus: Ja, danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.