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Frauenmoschee in Kopenhagen
Die Vorbeterinnen

In Kopenhagen wurde vor einem Jahr die erste Frauenmoschee Europas eröffnet. Weibliche Geistliche leiten hier das Freitagsgebet. Demnächst soll eine Akademie entstehen, an der Imaminnen ausgebildet werden. Das Interesse ist beachtlich, die Kritik daran auch.

Von Ulrike Hummel | 25.04.2017
    Sherin Khankan, Imamin der kopenhagener Mariam Moschee. Foto: Scanpix / AFP / Betina Garcia
    Die Imamin und Buchautorin Sherin Khankan (Scanpix / AFP / Betina Garcia)
    Freitagmittag in einer beliebten Einkaufsstraße mitten in Kopenhagen: Eine junge Frau, mit Schleier bedeckt und in sich gekehrt, erhebt die Stimme zum weiblichen Muezzinruf – es ist der Auftakt zum Freitagsgebet in der ersten Frauenmoschee Europas. Im Gebetsraum, der sich in der ersten Etage eines Stadthauses befindet, warten rund 30 Frauen auf die Imamin, die sie durchs Freitagsgebet führen wird. Genau genommen sind es zwei Imaminnen, die sich die Leitung der Gebete und das Vortragen der Khutbah, also der Predigt, teilen. Außerhalb Chinas gibt es weltweit wohl nur eine Handvoll frauengeführter Moscheen, doch es herrscht Aufbruchsstimmung unter den muslimischen Frauen, sagt Sherin Khankan. Die 42-jährige Imamin, Buchautorin und Mutter von vier Kindern, war maßgeblich am Gründungsprozess beteiligt:
    "Wir wollen patriarchalische Strukturen innerhalb religiöser Institutionen aufbrechen und der Welt zeigen, dass auch weibliche Imame im Islam möglich sind. Schon zu Lebzeiten des Propheten Mohammeds gab es weibliche Imame in der Hausmoschee in Medina. Aisha und Umm Salama haben die Gebete für die Frauen geleitet. Wenn also der Prophet das erlaubt hat, dann finde ich es sehr seltsam, dass manche Muslime heute, im Jahr 2017, meinen, sie müssten Frauen das Recht verwehren, die Gebete zu leiten oder eine Predigt zu halten."
    "Wir werden eine islamische Akademie eröffnen"
    Die zunehmende Islamfeindlichkeit in Europa habe dazu beigetragen, dass die Idee einer Frauenmoschee Wirklichkeit wurde. Damit zeige man der Welt, dass die Frau im Islam eben nicht unterdrückt werde und könne so das negative Islambild ein Stück weit korrigieren. Eröffnet wurde die "Mariam Mosque" im Frühjahr 2016. Die Freitagsgebete, zu denen auch Christinnen kommen, finden seit August letzten Jahres immer einmal im Monat statt. Seit der Eröffnung des Gotteshauses haben die Imaminnen von Kopenhagen schon zahlreiche Aktivitäten ins Leben gerufen. Sherin Khankan:
    "Wir haben die Freitagsgebete eingeführt, wir bieten islamische Sufi-Meditationen an und wir sind in der islamischen Seelsorge sehr aktiv, das ist eigentlich auch unsere Hauptaufgabe. Wir werden eine islamische Akademie eröffnen, wo wir Studien zum Sufismus - der spirituellen Ausrichtung des Islams - anbieten werden. Aber auch Studien zur islamischen Philosophie, Arabischkurse oder die Einweisung zur Leitung der Freitagsgebete."
    "Frauen können keine Imame sein"
    Auch wenn Khankan sagt, im Islam würden Frauen nicht unterdrückt: Die patriarchalische Tradition bekommt sie zu spüren. Das Thema Gleichberechtigung provoziert innerhalb der muslimischen Community. Ob es überhaupt Imaminnen geben darf, ist umstritten.
    Bis jetzt habe noch kein dänischer Imam die Frauenmoschee in Kopenhagen besucht, berichtet Sherin Khankan. Kritik an einer Frauenmoschee oder der Existenz von Imaminnen kommt vor allem aus konservativ-muslimischen Kreisen. Haydar Mahdi, 29 Jahre alt, betreibt einen orientalischen Imbiss in Kopenhagen. Er hat vor allem Bedenken, ob eine Frau als Imamin mit dem Islam überhaupt vereinbar sei:
    "Ich denke, Frauen können keine Imame sein, weil sie ihre Menstruation haben. Währenddessen dürfen sie beispielsweise im Ramadan nicht fasten und in dieser Zeit dürfen sie natürlich auch keine Moschee betreten. Das heißt, sie können dann auch keine Freitagspredigt halten. Wie sollten Frauen dann das Amt eines Imams ausfüllen können?"
    "Im Islam sind Männer und Frauen gleichberechtigt"
    Zuspruch erhalten die Imaminnen der "Mariam Mosque" vor allem von Frauen und jungen Muslimen, wie von dem aus Pakistan stammenden Studenten Najeeb Ullah:
    "Das ist ein gutes Zeichen für alle Nicht-Muslime und zeigt: im Islam sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Frauen sollten die gleichen Rechte haben wie Männer auch. In Pakistan, in Afghanistan, im Irak und in Saudi-Arabien haben Frauen nicht dieselben Rechte wie Männer, aber das hat nichts mit uns Muslimen oder dem Islam zu tun."
    Das Aufbrechen patriarchalischer Strukturen oder der Kampf gegen die wachsende Islamfeindlichkeit seien jedoch nicht die einzigen Gründe, die die Imaminnen von Kopenhagen zur Gründung einer Frauenmoschee bewogen haben. Innerhalb der muslimischen Gemeinschaft in Dänemark gebe es einen Bedarf an weiblichen Imamen: Denn bei Gewalt gegen Frauen in der Ehe und einem daraus resultierenden Scheidungswunsch seitens der Frauen etwa, finde sich in ganz Dänemark kein männlicher Imam, der eine islamische Scheidung durchführe. Diese Möglichkeit sei nun gegeben, erklärt die Imamin.
    Vom Master zur Imamin
    Dass es überhaupt zur Gründung des Gotteshauses kam, verdanken Sherin Khankan und ihre Mitstreiterinnen einem Zufall - und einem Mann. Ein anonymer Stifter hatte von der Vision einer reinen Frauenmoschee in der Zeitung gelesen und war von der Idee so fasziniert, dass er der Autorin Sherin Khankan prompt die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hat. Nicht irgendwelche Räume in einem schäbigen Industriegebiet am Rande der Stadt, sondern gleich eine ganze Etage eines repräsentativen Altbaus in einem der teuersten Viertel Kopenhagens. So wurde die Vision Wirklichkeit. In Kürze werden die Frauen der "Mariam Mosque" eine Islamische Akademie eröffnen - eine kleine Sensation. An Europas erster Imaminnen-Ausbildungsstätte sollen sich studierte Islamwissenschaftlerinnen künftig zur Imamin weiterbilden können.
    Sherin Khankan sagt: "Um in der 'Mariam Moschee' als Imamin tätig zu sein, braucht man einen Master im Fach Islamwissenschaft. Dann muss man die islamische Akademie besuchen, die wir in Kürze eröffnen: Da wird es 17 Kurse mit unterschiedlichen Schwerpunkten geben, die die auszubildenden Imaminnen durchlaufen müssen. Es wird Veranstaltungen zum Familienrecht geben und besonders wichtig für künftige Imaminnen sind spezielle Kurse zur islamischen Seelsorge. Natürlich muss man dann auch in der Lage sein, den Koran zu rezitieren, das Freitagsgebet zu leiten, islamische Eheschließungen und Scheidung durchzuführen. Wir werden die Akademie dazu nutzen, weibliche Imame für Dänemark auszubilden."
    Ehrenamtliche Seelsorge
    Zum Gründungszeitpunkt hatte die Frauenmoschee lediglich zwei Imaminnen. Inzwischen gibt es fünf weibliche Imame und zwei Predigerinnen, die sich die Arbeit teilen. Die dem Sufismus - das heißt der spirituellen Ausrichtung des Islams - nahe stehende Moscheegemeinde fühlt sich in erster Linie der islamischen Seelsorge verpflichtet. Jede der ehrenamtlich tätigen Imaminnen sei für ein bestimmtes Gebiet zuständig. Zu den Angeboten der "Mariam Mosque" gehören Sufi-Meditationen, Eheschließungen, Scheidungen, islamische Bestattungen und Lesungen ebenso wie die Freitagsgebete und das künftige Betreiben der Islamischen Akademie.