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Frauenquote in der Filmbranche
"Hey, die sind ja genauso gut wie die Männer!"

Im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale laufen nur wenige Filme, die unter weiblicher Regie entstanden sind. Zu wenige, sagt Pro Quote Regie, ein Zusammenschluss deutscher Filmemacherinnen. Auch Claudia Rorarius gehört dazu. Dass Regisseurinnen in der Filmbranche weniger Chancen haben, müsse sich unbedingt ändern und zwar schnell, sagte Rorarius im Deutschlandfunk.

Claudia Rorarius im Gespräch mit Anja Reinhardt | 11.02.2017
    Das Studio in Kugelform der Gleichstellungsinitiative Pro Quote Regie bei der Berlinale 2016 am Potsdamer Platz in Berlin
    So wie hier auf der Berlinale 2016 sind die Regisseurinnen von Pro Quote Regie auch bei der Berlinale 2017 vertreten und organisieren Veranstaltungen in der "Bubble´". (Deutschlandradio / Manuel Czauderna)
    Claudia Rorarius: Ja, erst mal auf alle Fälle hat sich sehr viel verändert. Pro Quote Regie hat ganz explizit natürlich auch eine Aufmerksamkeit geschaffen, die es vorher nicht gab für diese Problematik. Ich erinnere mich selbst, dass ich immer mit Freunden und Bekannten drüber geredet habe und die dann sagten, das bildest du dir nur ein, das kann ja nicht sein, es geht ja immer um Qualität, und Qualität setzt sich durch, und so weiter, und so fort.
    Die polnische Regisseurin Agnieszka Holland.
    Der Film "Pokot" (Die Spur) der polnischen Regisseurin Agnieszka Holland läuft im Berlinale Wettbewerb 2017. (dpa/picture-alliance/Natalie Skrzypczak)
    Das stimmt natürlich nicht. Es gibt natürlich bestimmte Strukturen, die herrschen, also einmal natürlich in der Gesellschaft, aber auch in der Filmbranche, die dazu führen, dass Frauen viel weniger arbeiten, viel weniger Chancen haben. Und im Grunde geht es natürlich darum, darauf aufmerksam zu machen. Und das hat sehr viel bewegt, muss man sagen.
    "Jetzt wird auch speziell noch mal geguckt, wo sind denn die Frauen"
    Reinhardt: Also ist zum Beispiel der Deutsche Drehbuchpreis, der, ich glaube, gestern verliehen wurde an Angelina Maccarone – würden Sie sagen, dass das auch ein Ergebnis ist, dass so ein Preis an eine Frau geht?
    Rorarius: Ich denke, dass in jedem Fall jetzt eine ganz starke Aufmerksamkeit darauf liegt, auch wirklich die Projekte von Frauen zu prüfen und Frauen auch zu bestärken und speziell einzuladen, auch ihre Projekte einzureichen. Weil oft fängt das ja schon viel früher an, im Studium, dass man nicht ausreichend Rückendeckung hat, und dass dadurch Frauen eigentlich schon ganz am Anfang ihrer Karriere auf der Strecke bleiben, was halt schwierig ist.
    In jedem Fall, ich glaube, jetzt wird auch speziell noch mal geguckt, wo sind denn die Frauen, was machen die, was sind das für Projekte? Und dann wird tatsächlich festgestellt, hey, die sind ja genauso gut wie die Männer oder vielleicht sogar besser an manchen Stellen oder mit manchen Thematiken. Und dementsprechend werden die dann eben auch gefördert.
    "Das kann eigentlich auch ganz schnell gehen"
    Reinhardt: Jetzt ist es aber trotzdem so, dass im Wettbewerb dieses Jahr bei der Berlinale weniger als ein Viertel aller Filme von Frauen sind.(*) Müssen wir quasi noch warten, bis es auch Ergebnisse gibt? Ist das ein langer Prozess?
    Rorarius: Ich finde, das kommt ein bisschen darauf an, wer dahinter steht oder wer sich überhaupt um diese Auswahl kümmert. Man sieht ja zum Beispiel am Max-Ophüls-Festival, da hat ein Wechsel in der Leitung stattgefunden – ich weiß jetzt nicht, ob das unbedingt damit zu tun hat, aber in diesem Jahr waren ja beim Ophüls, ich glaube, sogar mehr Filme von Frauen im Wettbewerb.
    Das ist jetzt bei der Berlinale noch nicht so. Vielleicht muss da auch mal ein bisschen sich bewegen oder noch stärker ein Fokus gesetzt werden. Aber das kann auch ganz schnell gehen. Es geht ja auch immer darum, wer setzt sich dafür ein, und wer guckt wirklich hin, und wer hat auch ein Interesse, dass Frauen an entsprechenden Stellen eben auch Regie führen oder wie auch immer Karriere machen oder ihre Projekte realisieren. Und von daher denke ich, nein, das kann eigentlich auch ganz schnell gehen.
    "Das ist ein Hot Topic"
    Reinhardt: Sie haben letztes Jahr auf der Berlinale, das haben Sie mir vorhin erzählt, vor allen Dingen Akquise betrieben, dieses Jahr sind Sie etwas entspannter unterwegs. Aber merken Sie, dass das ein Thema ist, das besprochen wird?
    Rorarius: Ja, immer wieder. Wir haben ganz viele natürlich auch Aktionen jetzt halt mit Pro Quote Regie, die sind ja auch direkt hier am Potsdamer Platz mit der Bubble unterwegs, da gibt es ganz viele Veranstaltungen. [Anm. d. Red.: Die Multimedia Bubble ist ein Veranstaltungsort] Grundsätzlich wird aber sehr viel drüber diskutiert. Ich kann jetzt auch nur zum Beispiel vom Meeting Bundesverband Regie sprechen, da gab es eben auch heiße Diskussionen natürlich noch mal um die Rolle der Frauen und prozentuale Beteiligung und so weiter, und so fort. Nein, das ist ein Hot Topic, würde ich sagen.
    "Es ist nicht nur ein Problem einer einzelnen Person"
    Reinhardt: Aber ich würde gern noch mal auf Ihre persönliche Situation zurückkommen und noch mal fragen: Haben Sie das Gefühl, dass Sie es als Frau schwerer haben, Filme zu machen?
    Rorarius: Ja.
    Reinhardt: Warum?
    Rorarius: Kann ich einfach mit Ja beantworten. Ich habe tatsächlich, als ich angefangen habe, Filme zu machen, habe ich mir da gar keine Gedanken drüber gemacht. Ich kann jetzt rückblickend sagen, dass natürlich, weil ich das ja auch im Vergleich sehe zu meinen männlichen Kollegen und auch zu der Arbeitsleistung, die man bringt, oder auch zu den Chancen, die man bekommt, da ist ganz klar, meine männlichen Kollegen viel mehr Chancen hatten in ihrer Karriere bisher, und dass das natürlich – ja, es ist natürlich total doof.
    Man ärgert sich ja auch, und dann denkt man, ach, liegt es irgendwie an den Projekten und so. Und wenn man dann vergleicht, stellt man fest, nein, stimmt gar nicht. Die sind genauso gut. Und dann sucht man irgendwie nach Gründen, und deswegen ist es jetzt auch sehr hilfreich, einfach diese Vereinigung zu haben, wo sich die Frauen untereinander austauschen, die Regisseurinnen und man auch mal vergleichen kann, wie läuft es bei euch, wie läuft es bei dir. Und dadurch stellt sich heraus, es ist ein generelles Problem. Es ist nicht nur ein Problem einer einzelnen Person, sondern einfach ein übergreifendes Problem. Von daher würde ich sagen, nee, wir müssen da ganz viel machen. Ich habe auch, ehrlich gesagt, keine Lust mehr auf diese Situation, und ich möchte da sehr schnell und unbedingt was ändern, natürlich.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    (*) Anmerkung der Redaktion: In der Sendefassung des Gesprächs wurde an dieser Stelle gesagt, nur ein einziger Film im Berlinale-Wettbewerb sei von einer Regisseurin. Das ist nicht korrekt und wurde für diese Schriftfassung korrigiert.