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Frauenquote
"Nicht ausreichend"

Die Frauenquote könne sicherlich nicht die Welt verändern, sagte Elke Holst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung im DLF. Schließlich betreffe sie nur relativ wenige Frauen - nämlich in großen Aufsichtsräten. Gleichwohl sei der Gesetzentwurf eine Voraussetzung dafür, dass Frauen überhaupt in Führungspositionen kämen.

Elke Holst im Gespräch mit Andreas Kolbe |
    Andreas Kolbe: Ein historischer Schritt ist es aus Sicht der Regierung, was heute der Bundestag beschlossen hat, vergleichbar mit der Einführung des Frauenwahlrechtes.
    O-Ton Manuela Schwesig: "So fremd uns heute die Vorstellung ist, dass Frauen politisch nicht mitbestimmen dürfen, so fremd muss in Zukunft die Vorstellung sein, dass Frauen in Unternehmen nicht mitbestimmen dürfen."
    Kolbe: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig von der SPD. - Sechs Anläufe hat die schwarz-rote Regierung gebraucht, bis sie sich auf einen Gesetzentwurf einigen konnte. Allein das zeigt: Die Frauenquote für die Wirtschaft war auch innerhalb der Großen Koalition in Berlin heftig umstritten. Doch mit dem Streit ist jetzt Schluss, der Bundestag hat die neuen Regelungen heute mit großer Mehrheit beschlossen.
    Über die Frauenquote habe ich kurz vor der Sendung gesprochen mit Elke Holst. Sie ist Forschungsdirektorin für Gender Studies am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. An sie ging zunächst die Frage: Ein historischer Tag für die Gleichberechtigung, sagt die Bundesfamilienministerin. Sehen Sie das auch so?
    Elke Holst: Es ist schon etwas ganz Besonderes, dass jetzt die Wirtschaft sozusagen fest Frauen verankern muss in Spitzengremien. Das ist schon etwas Besonderes. Aber es ist auch nur ein Einstieg, denn es betrifft ja nur relativ wenige Frauen.
    Kolbe: Das sind ungefähr 100 Unternehmen, die jetzt erst mal direkt betroffen sind, die ganz großen börsennotierten. Aber Frau Schwesig sagt, das wird ausstrahlen auf Millionen von Frauen. Können Sie das aus Sicht der Forschung bestätigen?
    Holst: Das wird sich zeigen müssen. Sie haben ja noch eine weitere Maßnahme beschlossen, und zwar, dass ungefähr 3.500 Unternehmen sich selber Zielgrößen setzen sollen in den Top-Funktionen, und das bedeutet, dass die Unternehmen natürlich nachdenken müssen darüber, wie sie ihre Ziele erfüllen wollen. Und das heißt wiederum, dass alle Führungsebenen eigentlich mit Frauen stärker besetzt werden müssen. Wir müssen ja auch sehen, dass die Unternehmen es bis jetzt freiwillig nicht geschafft haben, den Anteil der Frauen nachhaltig zu erhöhen in Führungspositionen, und insofern ist dies ein neuer Versuch, hier nun etwas mehr Anreiz zu geben.
    Kolbe: Aber es geht nicht nur um etwas mehr Anreiz, sondern das Ziel der Politik ist formuliert ein tief greifender Kulturwandel in der Arbeitswelt. Kann das mit den beschlossenen Maßnahmen denn tatsächlich gelingen?
    Holst: Die Frauenquote kann sicherlich allein nicht die Welt verändern. Da gehören viel mehr Sachen dazu. Aber es ist natürlich eine Voraussetzung, dass Frauen überhaupt erst mal in Führungspositionen kommen, um die Kultur in den Unternehmen auch darauf einzustellen, dass Frauen in Führungspositionen sind. Insofern geht so etwas immer Hand in Hand. Aber es ist nur Teil eines natürlich viel größeren Maßnahmenkataloges oder viel größerer Veränderungen, die nun notwendig sind.
    Kolbe: Jetzt ist ja die Frauenquote keine deutsche Erfindung. Es gibt schon europäische Länder, die eine Frauenquote seit Jahren haben. Hat sich dort so ein Kulturwandel eingestellt?
    Man braucht neue Karrieremodelle
    Holst: In diesen Ländern war bereits schon der Kulturwandel weiter fortgeschritten als bei uns. Nehmen wir mal einfach Norwegen. Dort war es wesentlich üblicher, dass Frauen auch Vollzeit arbeiten, Kinderbetreuung auch von jüngeren Kindern übernommen wurde extern. Oder schauen wir uns Frankreich an. Dort gibt es ja auch eine Frauenquote. Da ist es auch üblich, dass auch kleine Kinder in Krippen kommen und Frauen in Führungspositionen sozusagen wesentlich normaler sind als bei uns. Das Problem bei uns ist immer noch, dass viele Unternehmen glauben, wenn junge Frauen eine Führungsposition anstreben, dass sie ja möglicherweise Kinder bekommen und ein Loch in die Personaldecke reißen, sprich ihre Arbeitszeit entweder reduzieren oder unterbrechen, und das ist heute noch gar nicht vereinbar oder wird nicht praktiziert in den meisten Fällen in Führungspositionen. Deshalb sagen wir ja auch, man braucht neue Karrieremodelle, wo nicht nur zwischen 27 und 35 die Karriere eingefädelt werden kann, sondern auch noch danach.
    Kolbe: Das heißt, aus Ihrer Sicht sind die heute getroffenen neuen Regelungen zur Frauenquote nicht ausreichend?
    Holst: Sicherlich sind die nicht ausreichend. Es wäre eine Überforderung der Frauenquote. Die Frauenquote hat ja eigentlich auch das Ziel, mehr Chancengleichheit unter den Geschlechtern herzustellen, also den Bottleneck, den Flaschenhals zu vergrößern, dass Frauen überhaupt stärker in Führungspositionen kommen, in top Führungspositionen. Erwartet wird natürlich auch, dass sich dadurch etwas in den Unternehmen ändert. Ich bin natürlich zu stark Wissenschaftlerin, dass ich das natürlich auch erst mal abwarte und mir anschaue, wie sich die Entwicklung zeigen wird.
    Kolbe: Wenn die Frauenquote erst der Anfang ist, was muss noch danach passieren?
    Holst: Ja, das ist die Kultur in den Unternehmen sicherlich auch, die sich verändern muss, nämlich wir brauchen wesentlich mehr Flexibilität im Sinne der Arbeitnehmer, auch in Führungspositionen, wenn Wechselfälle des Lebens eintreten - sei es, dass Kinder da sind, sei es, dass Eltern gepflegt werden müssen, sei es, dass andere familiäre oder sonstige Belange da sind. Das ist ja auch heute nicht mehr so schwierig wie früher durch den Fortschritt der Technologie. Außerdem ist es schon heute viel mehr üblich, dass in Führungspositionen international die Führungskräfte unterwegs sind und insofern auch da eher virtuell miteinander kommuniziert wird. Es sind eben neue Führungsstile auch erforderlich.
    Kolbe: Nach der Politik sind nun erst einmal die Unternehmen gefragt, um für mehr Chancengleichheit zu sorgen, sagt Elke Holst, Forschungsdirektorin am DIW in Berlin.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.