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Fred Sandback
Eine Kunst der Stille und Leere

Im Kunstmuseum Winterthur zeigt eine Ausstellung derzeit Arbeiten des amerikanischen Künstlers Fred Sandback (1943-2003). Während die Skulptur für ihn eine intuitive Setzung war, galt ihm die Zeichnung als Experimentierfeld und Erinnerungsraum.

Von Christian Gampert | 12.05.2014
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    Eine Arbeit des amerikanischen Künstlers Fred Sandback auf der "Art 42 Basel", aufgenommen am 13. Juni 2011. (dpa / picture alliance / Georgios Kefalas)
    Im Vorraum der Ausstellung sind einige Skulpturen von Fred Sandback zu sehen - diese dünnen bunten Fäden, die von der Wand in den Raum gespannt sind. Sie haben etwas Feines und Verletzliches, jederzeit können sie durch eine Unachtsamkeit zerstört werden, aber alle gehen ehrfurchtsvoll um sie herum. Sind das überhaupt Skulpturen? Volumina sind das eigentlich nicht, eher Linien, Geraden, die natürlich auch einen ganz schmalen Körper haben, aber eher wie Zeichnungen wirken, die sich ins Dreidimensionale verselbstständigt haben.
    Das wunderbar Leichte, das diesen Elementen eigen ist, war Fred Sandbacks Sache eigentlich nicht; die Kunst, die er machte, war der Gegenentwurf zu den schweren, trüben Gedanken, die ihn zeitlebens bedrückten. Depression kann ein Fluch sein, sagt der Winterthurer Museumsdirektor Dieter Schwarz.
    "Er war ein zurückhaltender ruhiger Mann, der lange gewartet hat, bis er seine Skulpturen installiert hat. ....Ich hab mit ihm im Museum nichts mehr organisieren können, denn er starb zu früh. 2003 hat er sich das Leben genommen im Atelier. Man denkt ja immer, man macht bald eine Ausstellung mit einem Künstler, und plötzlich ist er nicht mehr da, das ist dann schmerzhaft."
    Sandback hat trotzdem ein reiches Werk hinterlassen, in Kanten und Ecken geschmiegte Fäden oder aufgereihte gleiche Stahlelemente, die quasi die Umrisse eines imaginären Raums bilden. Aber alles ist an die Wand gelehnt oder scheint aus ihr herauszuwachsen, und bevor man das psychologisch interpretiert, muss man auf die virtuose Konstruktion dieser Gebilde verweisen, deren Herkunft aus der Zeichnung unverkennbar ist.
    Die Skulptur war für ihn eine intuitive Setzung
    Und doch hatte die Zeichnung eine andere Funktion für Sandback. Die Skulptur war für ihn eine intuitive Setzung, eine Geste in den Raum hinein, durchaus im Sinne des Abstrakten Expressionismus, meint jedenfalls Museumsleiter Dieter Schwarz. Die Zeichnung dagegen war Experimentierfeld, Erinnerungsraum und Zukunftsvision.
    "Er hat gesagt: Eine Zeichnung kann man anschauen, man kann damit etwas ausdenken oder erinnern. Das ist die Funktion der Zeichnung. Und die Skulptur kann man nur erleben, wenn sie da ist. Und insofern ist die Zeichnung immer getrennt von der Erfahrung der Skulptur."
    Die meisten Sandback-Zeichnungen deuten architektonische Situationen an; aber zunächst, im Frühwerk, sind da nur in einem Vakuum schwebende Winkel oder die entschlossenen rote Geraden, die später dann Räume vollständig durchschneiden, oft auch mehrere Räume, und noch später komplizierte Verbindungen eingehen. Dann wieder gibt es auf diesen Blättern leporelloartig aneinandergefaltete Flächen oder Flächen, die eine Wand schiefwinklig zu verdoppeln, zu verschieben scheinen. Das klingt vertrackt, sieht aber ganz einfach und leicht aus - eine Kunst der Stille und Leere, auf das Wesentliche und Existentielle beschränkt. Der Minimalist Sandback selber bestand auf dem Eigenleben jeden Strichs: "Four lines do not constitute a structure", sagte er. "They are four separate identities..."
    Die Skulptur als "bewohnbare Zeichnung"
    Sandback nutzte verschiedenste Materialien, Schellack, Acrylfarbe, den Bleistift natürlich, Pastellkreiden. Das zeichnerische Werk behält immer diese Erinnerungs-Funktion - Sandback entwirft noch in den 1980iger Jahren Elemente für Galerieräume, die schon längst geschlossen sind, für die Münchner Heiner-Friedrich-Galerie zum Beispiel. Dann die Entwicklung hin zu größeren Formaten, in denen Mikado-artige Stäbchen im Raum hängen oder rasterartige Strukturen dominieren. Sol LeWitt fällt einem ein, aber auch Franz Kline - die späteren Zeichnungen sind schwarz und gestisch-entschlossen; am Ende werden nur noch Geraden in Karton geschnitten.
    Die Skulptur sei für ihn "eine Schnittstelle" zwischen sich, der Umgebung und den anderen, sagte Sandback. Sie sei eine "bewohnbare Zeichnung". Diese Ausstellung zeigt aufs Schönste, wie Fred Sandback wohnte.