Elke Durak: Diese Woche dürfte eine politische Woche der Ärzte werden. Dazu gleich mehr. Hier haben wir zwei Ärzte?
O-Ton Ärztin: Was ich am schlimmsten finde ist dieser Betrug, der stattfindet. Das heißt, der Patient kriegt gesagt, er bekommt ja alles, und uns Ärzten wird die Luft abgedrückt, und das macht einen krank.
O-Ton Arzt: Mit dem Geld, was ich im Moment verdienen kann, komme ich nicht klar. Ich verstehe es so, dass die Politik nicht vor hat, die Fachärzteschaft ihre Arbeit weiter machen zu lassen. Offenbar soll das Gesundheitssystem umgebaut werden hin zu Strukturen, wo angestellte Ärzte dann das organisieren.
Durak: Eine Allgemeinmedizinerin und ein Psychologe gestern in Mainz. Da hat der kleinere Ärzteverband "Freie Ärzteschaft" getagt. Mit dessen Präsidenten, Dr. Martin Grauduszus, sind wir jetzt verbunden. Guten Morgen noch einmal nach Mainz, Herr Grauduszus.
Martin Grauduszus: Guten Morgen!
Durak: Welcher Betrug ist denn da gemeint von der Kollegin?
Grauduszus: Der Betrug, dass immer mehr gezahlt wird von den Versicherten und in der Versorgung immer weniger Geld ankommt. Wir sehen ja, dass in Marketing, Werbung für die Krankenkassen, oder auch sicherlich oft unnötige Maßnahmen, Wellness-Programme, Freizeitgestaltung, die Kassen Geld speisen, aber in der Versorgung, wie ich schon sagte, immer weniger ankommt.
Durak: Sie nehmen doch auch am Deutschen Ärztetag teil, der morgen in Mainz beginnt, oder?
Grauduszus: Ja, ich beobachte den Ärztetag.
Durak: Kurz für die Hörer auch zum Verständnis. Wen vertritt Ihr Verband?
Grauduszus: Die "Freie Ärzteschaft" besteht seit fünf Jahren und es ist eine Basisbewegung und wir vertreten in erster Linie die niedergelassenen Ärzte, aber ich sage auch die Patienteninteressen.
Durak: Und trotzdem wollen Sie streiken, haben dazu aufgerufen für diese Woche. Weshalb muss das sein?
Grauduszus: Nun ja, die Versorgung, die wohnortnahe Versorgung durch den Arzt um die Ecke, egal ob durch Allgemeinmediziner oder durch Psychiater, ist stark bedroht. Es sollen Zentren kommen. In diesen Zentren - in aller Regel an Krankenhäusern - soll die ambulante Versorgung durchgeführt werden. Dann wird es für den Patienten kein langjähriges Arzt-Patienten-Vertrauen und -Verhältnis mehr geben, sondern er wird immer mit anderen Ärzten konfrontiert werden. Das ist die Sicht der Ärzte. Aus unserer Sicht werden wir aber unsere Praxen verlieren, wir werden unsere Mitarbeiter entlassen müssen, und damit verlieren wir eben unsere Existenz, aber natürlich auch unseren Beruf, denn wir haben ja nun auch ein Verhältnis über viele Jahre aufgebaut zu unserer Patientenschaft. Ich selbst bin seit 1992 niedergelassen in Erkrath bei Düsseldorf.
Durak: Ich als Patientin, Dr. Grauduszus, finde es aber gut, wenn ich so etwas wie ein Ärztehaus habe. Ich muss also nicht, wenn ich ein, zwei, drei anschließende Arztbesuche habe, oder sich darauf beziehende sozusagen, von Straße zu Straße hetzen, sondern kann alles in einem Haus erledigen. Das finde ich prima!
Grauduszus: Das sieht vordergründig gut aus. Damit wird geworben.
Durak: Das ist gut!
Grauduszus: Bitte?
Durak: Das ist einfach gut für den Patienten!
Grauduszus: Darüber muss man den Patienten aber vorher fragen und mit ihm diskutieren. Diese Neustrukturierung ist dem Patienten nicht bewusst. Wir wissen aus unseren Gesprächen mit den Patienten, dass 90 Prozent der Bevölkerung, unsere Patienten, diese Situation, wie wir sie heute haben, mit einem langjährig aufgebauten Arzt-Patienten-Verhältnis, dass das gewünscht wird und sie darauf auf gar keinen Fall verzichten wollen.
Durak: Da schließt doch ein Gesundheitszentrum nicht aus, dass man immer zu seinem Arzt geht, oder doch?
Grauduszus: Ja, so sieht es im Moment aus. Durch die Honorarreform sind im Moment mindestens 30 Prozent der Arztpraxen von Vertragsärzten existenziell bedroht. Da ist es zu solch starken Verwerfungen gekommen, dass eben Praxen zwischen 15 und 35 Prozent Umsatzrückgang haben, und das ist dann manchmal die Hälfte oder mehr des Einkommens eines Arztes, und dann ist unsere Existenz bedroht. Mir geht es ähnlich.
Durak: Was hat das aber jetzt mit Gesundheitszentren zu tun, gegen die Sie sich ausgesprochen haben?
Grauduszus: Ja, weil dem Patienten nicht klar gemacht wird und dem Bürger nicht klar gemacht wird, wenn er diese Zentren jetzt demnächst bekommt, dass dann die Ärzte verschwinden. Wir werden von der Politik, die gemacht wird, und dieser Neuentwicklung ja verdrängt.
Und dann müssen Sie sich noch Folgendes überlegen: Diese Zentren werden demnächst in erster Linie von Kapitalgesellschaften geführt werden, von den gleichen Kapitalgesellschaften, die auch demnächst noch weiter Krankenhäuser privatisieren wollen.
Durak: Die Heuschrecken im Gesundheitswesen, oder wie?
Grauduszus: Ja, so kann man das nennen, und das ist nicht weit hergeholt. Herr Pföhler von Rhön, der Vorstandsvorsitzende, hat zum Beispiel noch vor zwei Wochen veröffentlicht, dass man im Rahmen der jetzt kommenden Wirtschaftskrise davon ausgeht, dass man noch viel mehr Krankenhäuser zum Ende des Jahres hin privatisieren kann.
Durak: Um wen handelt es sich? Wer ist das?
Grauduszus: Das ist der Vorstandsvorsitzende der Rhön-Kliniken AG. Zum Beispiel im Aufsichtsrat dieses Rhön-Krankenhauskonzerns ist unter anderem Herr Professor Lauterbach, der Politikberater der SPD, aber auch Brigitte Mohn ist im Aufsichtsrat. Da wissen wir, dass dort Profitinteressen demnächst im Vordergrund stehen bei solch einem Konzern. Es gibt aber noch andere Krankenhauskonzerne, die eben flächendeckend die Versorgung übernehmen wollen.
Durak: Herr Grauduszus, Sie fordern mehr Geld, mehr Honorar, klagen gegen die Honorarordnung für Ihren Verband. Wer soll denn das bezahlen?
Grauduszus: Nun ja, ich habe gerade schon gesagt, dass wir zunächst einmal feststellen, dass eine unglaubliche Honorarverwerfung stattfindet. Das heißt, viele Praxen bekommen viel weniger Geld, und wir bezweifeln auch, dass tatsächlich das angekündigte mehr Geld wirklich in der Versorgung für die Patienten ankommt.
Durak: Der Deutsche Ärztetag, Herr Hoppe, der Präsident, hat schon gesagt, dieses zugesagte Geld, von dem Sie sprechen, reicht ohnehin nicht aus. Da hat die Bundesgesundheitsministerin eine Idee. Sie sagte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" heute Morgen, der Gesundheitsfonds, der braucht mehr Steuergeld, und ob der Fonds wie im Gesetz vorgesehen die Steuerzuschüsse 2011 an die Staatskasse zurückzahlen müsse, das hat sie offen gelassen. Auch hier tut sich ein riesiger Finanzbedarf auf. Sind Sie der Meinung von Frau Schmidt, dass mehr Steuergeld aufgewendet werden muss?
Grauduszus: Nun ja, wenn die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung durch die schlechte Wirtschaftslage sinken, dann wird man, wenn es geht, Steuermittel zusätzlich verwenden müssen. Aber deshalb ist ja noch nicht mehr Geld dann im Topf der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir müssen aber sehen, dass immerhin 167 Milliarden zur Verfügung stehen, und wir, die wir jetzt auf die ambulante Versorgung aufmerksam machen, stellen fest, dass bis vor einigen Jahren über 20 Prozent des Geldes der gesetzlichen Krankenkassen für ambulante Versorgung ausgegeben wurde, also für die Praxen, in denen dann die Versorgung realisiert wird. Das sind heute nur noch 15 Prozent von diesen 167 Milliarden. Da sehen Sie also, dass die Wertschätzung der Versorgung in den Praxen nicht groß ist und man den Geldhahn da insgesamt in den letzten Jahren abgedreht hat.
Durak: Wo ist denn das Geld hingegangen?
Grauduszus: In andere Bereiche, sonstige Ausgaben, Verwaltungskosten, schauen Sie sich die Paläste und die Einkommen der Vorstände der Krankenkassen an. Von sorgsamer und sparsamem Umgang mit den Mitteln kann ich da nichts feststellen.
Durak: Es gibt noch eine Idee. Der "Marburger Bund" hat getagt und möchte eine staatlich geförderte private Zusatzkrankenversicherung haben, hat vorgeschlagen so eine Art Gesundheits-Riester. Sonst werde es Leistungseinschränkungen geben. Was halten Sie von der Idee?
Grauduszus: Wissen Sie, die Einnahmesituation der gesetzlichen Krankenversicherung ist so, wie sie heute ist, sicherlich nicht solide finanziert, und da braucht man sicherlich einen großen Wurf. Den haben wir in dieser Legislaturperiode nicht bekommen, weil sich die Krankenkassen nicht einigen können. Es gibt jetzt einen Gesundheitsfonds, der auf dem sogenannten Risikostrukturausgleich basiert. Dieses Neuverteilen unter den Krankenkassen ist aber manipulationsfähig und von daher auch schon gescheitert.
Unser Anliegen ist ja, dass wir auch sehen, dass die Praxen verschwinden sollen, dass wie Sie schon sagen die Heuschrecken einsteigen in dieses Geschäft Gesundheit und dass es für den Bürger demnächst dann viel, viel teuerer werden soll und man Profite generiert. Da brauchen wir im Moment jetzt auch im Wahlkampf eine Positionierung der Politiker und der Kandidaten für den Bundestag, ob sie diese Entwicklung weg von den kleinen, mittelständischen Praxen hin zu großen Organisationen begrüßen, oder ob sie uns Ärzte vor Ort eben weiterhin ein Existenzrecht gönnen. Wie gesagt, die Bevölkerung und die Bürger und Patienten - so haben wir den Eindruck - wollen das unbedingt.
Durak: Herr Grauduszus, Sie könnten natürlich auch Ihren Wohnort und Arbeitsort verlagern. Im Osten fehlt es flächendeckend an Hausärzten und an Fachärzten.
Grauduszus: Wissen Sie, das ist so ein schöner Gedanke. Ich bin seit 1992, wie ich schon sagte, als Hausarzt niedergelassen und ich kenne meine Patienten über viele Jahre und sie kennen mich. Das ist eine Versorgungskultur, die wir in Deutschland haben. Die Patienten haben ja nicht nur ihren Hausarzt, sondern auch ihren vertrauten Frauenarzt oder den Orthopäden. Diese Versorgungskultur kostet den Bürger nicht mehr als in vielen anderen Ländern. Sie wissen, dass die Pro-Kopf-Ausgaben in Deutschland im Verhältnis zu anderen Ländern deutlich gesunken sind. Man kann eine Praxis, die ja eine Institution darstellt in einem Ort, nicht einfach mal eben so verlagern.
Durak: Aber die neuen Jungen könnten dort hingehen?
Grauduszus: Wenn ich in der heutigen Situation eine Praxis aufmache in den neuen Bundesländern, überhaupt heute schon eine Praxis zu übernehmen, ist nicht mehr ein Wagnis, sondern ich kann keinem jungen Kollegen empfehlen, in dieser Situation, in der die Praxen verdrängt werden, überhaupt sich jetzt selbständig zu machen. Wir erleben es ja seit einigen Jahren, dass die Honorare immer wieder anders verteilt werden. Es kommt immer zu schweren Einschlägen, mal in der einen Fachgruppe in dem einen Bundesland, dann bei der anderen Fachgruppe in einem anderen Bundesland. Es gibt zum Beispiel in Thüringen heute auch viele Fachärzte, denen es gar nicht besser geht als im vergangenen Jahr, obwohl die Politik das groß versprochen hat.
Durak: Herr Grauduszus, wir müssen einen Punkt setzen. Das Gespräch wird sicherlich an anderer Stelle fortgesetzt. - Dr. Martin Grauduszus, Präsident der "Freien Ärzteschaft". Danke!
O-Ton Ärztin: Was ich am schlimmsten finde ist dieser Betrug, der stattfindet. Das heißt, der Patient kriegt gesagt, er bekommt ja alles, und uns Ärzten wird die Luft abgedrückt, und das macht einen krank.
O-Ton Arzt: Mit dem Geld, was ich im Moment verdienen kann, komme ich nicht klar. Ich verstehe es so, dass die Politik nicht vor hat, die Fachärzteschaft ihre Arbeit weiter machen zu lassen. Offenbar soll das Gesundheitssystem umgebaut werden hin zu Strukturen, wo angestellte Ärzte dann das organisieren.
Durak: Eine Allgemeinmedizinerin und ein Psychologe gestern in Mainz. Da hat der kleinere Ärzteverband "Freie Ärzteschaft" getagt. Mit dessen Präsidenten, Dr. Martin Grauduszus, sind wir jetzt verbunden. Guten Morgen noch einmal nach Mainz, Herr Grauduszus.
Martin Grauduszus: Guten Morgen!
Durak: Welcher Betrug ist denn da gemeint von der Kollegin?
Grauduszus: Der Betrug, dass immer mehr gezahlt wird von den Versicherten und in der Versorgung immer weniger Geld ankommt. Wir sehen ja, dass in Marketing, Werbung für die Krankenkassen, oder auch sicherlich oft unnötige Maßnahmen, Wellness-Programme, Freizeitgestaltung, die Kassen Geld speisen, aber in der Versorgung, wie ich schon sagte, immer weniger ankommt.
Durak: Sie nehmen doch auch am Deutschen Ärztetag teil, der morgen in Mainz beginnt, oder?
Grauduszus: Ja, ich beobachte den Ärztetag.
Durak: Kurz für die Hörer auch zum Verständnis. Wen vertritt Ihr Verband?
Grauduszus: Die "Freie Ärzteschaft" besteht seit fünf Jahren und es ist eine Basisbewegung und wir vertreten in erster Linie die niedergelassenen Ärzte, aber ich sage auch die Patienteninteressen.
Durak: Und trotzdem wollen Sie streiken, haben dazu aufgerufen für diese Woche. Weshalb muss das sein?
Grauduszus: Nun ja, die Versorgung, die wohnortnahe Versorgung durch den Arzt um die Ecke, egal ob durch Allgemeinmediziner oder durch Psychiater, ist stark bedroht. Es sollen Zentren kommen. In diesen Zentren - in aller Regel an Krankenhäusern - soll die ambulante Versorgung durchgeführt werden. Dann wird es für den Patienten kein langjähriges Arzt-Patienten-Vertrauen und -Verhältnis mehr geben, sondern er wird immer mit anderen Ärzten konfrontiert werden. Das ist die Sicht der Ärzte. Aus unserer Sicht werden wir aber unsere Praxen verlieren, wir werden unsere Mitarbeiter entlassen müssen, und damit verlieren wir eben unsere Existenz, aber natürlich auch unseren Beruf, denn wir haben ja nun auch ein Verhältnis über viele Jahre aufgebaut zu unserer Patientenschaft. Ich selbst bin seit 1992 niedergelassen in Erkrath bei Düsseldorf.
Durak: Ich als Patientin, Dr. Grauduszus, finde es aber gut, wenn ich so etwas wie ein Ärztehaus habe. Ich muss also nicht, wenn ich ein, zwei, drei anschließende Arztbesuche habe, oder sich darauf beziehende sozusagen, von Straße zu Straße hetzen, sondern kann alles in einem Haus erledigen. Das finde ich prima!
Grauduszus: Das sieht vordergründig gut aus. Damit wird geworben.
Durak: Das ist gut!
Grauduszus: Bitte?
Durak: Das ist einfach gut für den Patienten!
Grauduszus: Darüber muss man den Patienten aber vorher fragen und mit ihm diskutieren. Diese Neustrukturierung ist dem Patienten nicht bewusst. Wir wissen aus unseren Gesprächen mit den Patienten, dass 90 Prozent der Bevölkerung, unsere Patienten, diese Situation, wie wir sie heute haben, mit einem langjährig aufgebauten Arzt-Patienten-Verhältnis, dass das gewünscht wird und sie darauf auf gar keinen Fall verzichten wollen.
Durak: Da schließt doch ein Gesundheitszentrum nicht aus, dass man immer zu seinem Arzt geht, oder doch?
Grauduszus: Ja, so sieht es im Moment aus. Durch die Honorarreform sind im Moment mindestens 30 Prozent der Arztpraxen von Vertragsärzten existenziell bedroht. Da ist es zu solch starken Verwerfungen gekommen, dass eben Praxen zwischen 15 und 35 Prozent Umsatzrückgang haben, und das ist dann manchmal die Hälfte oder mehr des Einkommens eines Arztes, und dann ist unsere Existenz bedroht. Mir geht es ähnlich.
Durak: Was hat das aber jetzt mit Gesundheitszentren zu tun, gegen die Sie sich ausgesprochen haben?
Grauduszus: Ja, weil dem Patienten nicht klar gemacht wird und dem Bürger nicht klar gemacht wird, wenn er diese Zentren jetzt demnächst bekommt, dass dann die Ärzte verschwinden. Wir werden von der Politik, die gemacht wird, und dieser Neuentwicklung ja verdrängt.
Und dann müssen Sie sich noch Folgendes überlegen: Diese Zentren werden demnächst in erster Linie von Kapitalgesellschaften geführt werden, von den gleichen Kapitalgesellschaften, die auch demnächst noch weiter Krankenhäuser privatisieren wollen.
Durak: Die Heuschrecken im Gesundheitswesen, oder wie?
Grauduszus: Ja, so kann man das nennen, und das ist nicht weit hergeholt. Herr Pföhler von Rhön, der Vorstandsvorsitzende, hat zum Beispiel noch vor zwei Wochen veröffentlicht, dass man im Rahmen der jetzt kommenden Wirtschaftskrise davon ausgeht, dass man noch viel mehr Krankenhäuser zum Ende des Jahres hin privatisieren kann.
Durak: Um wen handelt es sich? Wer ist das?
Grauduszus: Das ist der Vorstandsvorsitzende der Rhön-Kliniken AG. Zum Beispiel im Aufsichtsrat dieses Rhön-Krankenhauskonzerns ist unter anderem Herr Professor Lauterbach, der Politikberater der SPD, aber auch Brigitte Mohn ist im Aufsichtsrat. Da wissen wir, dass dort Profitinteressen demnächst im Vordergrund stehen bei solch einem Konzern. Es gibt aber noch andere Krankenhauskonzerne, die eben flächendeckend die Versorgung übernehmen wollen.
Durak: Herr Grauduszus, Sie fordern mehr Geld, mehr Honorar, klagen gegen die Honorarordnung für Ihren Verband. Wer soll denn das bezahlen?
Grauduszus: Nun ja, ich habe gerade schon gesagt, dass wir zunächst einmal feststellen, dass eine unglaubliche Honorarverwerfung stattfindet. Das heißt, viele Praxen bekommen viel weniger Geld, und wir bezweifeln auch, dass tatsächlich das angekündigte mehr Geld wirklich in der Versorgung für die Patienten ankommt.
Durak: Der Deutsche Ärztetag, Herr Hoppe, der Präsident, hat schon gesagt, dieses zugesagte Geld, von dem Sie sprechen, reicht ohnehin nicht aus. Da hat die Bundesgesundheitsministerin eine Idee. Sie sagte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" heute Morgen, der Gesundheitsfonds, der braucht mehr Steuergeld, und ob der Fonds wie im Gesetz vorgesehen die Steuerzuschüsse 2011 an die Staatskasse zurückzahlen müsse, das hat sie offen gelassen. Auch hier tut sich ein riesiger Finanzbedarf auf. Sind Sie der Meinung von Frau Schmidt, dass mehr Steuergeld aufgewendet werden muss?
Grauduszus: Nun ja, wenn die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung durch die schlechte Wirtschaftslage sinken, dann wird man, wenn es geht, Steuermittel zusätzlich verwenden müssen. Aber deshalb ist ja noch nicht mehr Geld dann im Topf der gesetzlichen Krankenversicherung. Wir müssen aber sehen, dass immerhin 167 Milliarden zur Verfügung stehen, und wir, die wir jetzt auf die ambulante Versorgung aufmerksam machen, stellen fest, dass bis vor einigen Jahren über 20 Prozent des Geldes der gesetzlichen Krankenkassen für ambulante Versorgung ausgegeben wurde, also für die Praxen, in denen dann die Versorgung realisiert wird. Das sind heute nur noch 15 Prozent von diesen 167 Milliarden. Da sehen Sie also, dass die Wertschätzung der Versorgung in den Praxen nicht groß ist und man den Geldhahn da insgesamt in den letzten Jahren abgedreht hat.
Durak: Wo ist denn das Geld hingegangen?
Grauduszus: In andere Bereiche, sonstige Ausgaben, Verwaltungskosten, schauen Sie sich die Paläste und die Einkommen der Vorstände der Krankenkassen an. Von sorgsamer und sparsamem Umgang mit den Mitteln kann ich da nichts feststellen.
Durak: Es gibt noch eine Idee. Der "Marburger Bund" hat getagt und möchte eine staatlich geförderte private Zusatzkrankenversicherung haben, hat vorgeschlagen so eine Art Gesundheits-Riester. Sonst werde es Leistungseinschränkungen geben. Was halten Sie von der Idee?
Grauduszus: Wissen Sie, die Einnahmesituation der gesetzlichen Krankenversicherung ist so, wie sie heute ist, sicherlich nicht solide finanziert, und da braucht man sicherlich einen großen Wurf. Den haben wir in dieser Legislaturperiode nicht bekommen, weil sich die Krankenkassen nicht einigen können. Es gibt jetzt einen Gesundheitsfonds, der auf dem sogenannten Risikostrukturausgleich basiert. Dieses Neuverteilen unter den Krankenkassen ist aber manipulationsfähig und von daher auch schon gescheitert.
Unser Anliegen ist ja, dass wir auch sehen, dass die Praxen verschwinden sollen, dass wie Sie schon sagen die Heuschrecken einsteigen in dieses Geschäft Gesundheit und dass es für den Bürger demnächst dann viel, viel teuerer werden soll und man Profite generiert. Da brauchen wir im Moment jetzt auch im Wahlkampf eine Positionierung der Politiker und der Kandidaten für den Bundestag, ob sie diese Entwicklung weg von den kleinen, mittelständischen Praxen hin zu großen Organisationen begrüßen, oder ob sie uns Ärzte vor Ort eben weiterhin ein Existenzrecht gönnen. Wie gesagt, die Bevölkerung und die Bürger und Patienten - so haben wir den Eindruck - wollen das unbedingt.
Durak: Herr Grauduszus, Sie könnten natürlich auch Ihren Wohnort und Arbeitsort verlagern. Im Osten fehlt es flächendeckend an Hausärzten und an Fachärzten.
Grauduszus: Wissen Sie, das ist so ein schöner Gedanke. Ich bin seit 1992, wie ich schon sagte, als Hausarzt niedergelassen und ich kenne meine Patienten über viele Jahre und sie kennen mich. Das ist eine Versorgungskultur, die wir in Deutschland haben. Die Patienten haben ja nicht nur ihren Hausarzt, sondern auch ihren vertrauten Frauenarzt oder den Orthopäden. Diese Versorgungskultur kostet den Bürger nicht mehr als in vielen anderen Ländern. Sie wissen, dass die Pro-Kopf-Ausgaben in Deutschland im Verhältnis zu anderen Ländern deutlich gesunken sind. Man kann eine Praxis, die ja eine Institution darstellt in einem Ort, nicht einfach mal eben so verlagern.
Durak: Aber die neuen Jungen könnten dort hingehen?
Grauduszus: Wenn ich in der heutigen Situation eine Praxis aufmache in den neuen Bundesländern, überhaupt heute schon eine Praxis zu übernehmen, ist nicht mehr ein Wagnis, sondern ich kann keinem jungen Kollegen empfehlen, in dieser Situation, in der die Praxen verdrängt werden, überhaupt sich jetzt selbständig zu machen. Wir erleben es ja seit einigen Jahren, dass die Honorare immer wieder anders verteilt werden. Es kommt immer zu schweren Einschlägen, mal in der einen Fachgruppe in dem einen Bundesland, dann bei der anderen Fachgruppe in einem anderen Bundesland. Es gibt zum Beispiel in Thüringen heute auch viele Fachärzte, denen es gar nicht besser geht als im vergangenen Jahr, obwohl die Politik das groß versprochen hat.
Durak: Herr Grauduszus, wir müssen einen Punkt setzen. Das Gespräch wird sicherlich an anderer Stelle fortgesetzt. - Dr. Martin Grauduszus, Präsident der "Freien Ärzteschaft". Danke!