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Freies WLAN
"Privatleute sollten Nutzer kennen"

Es sei richtig, Café- oder Friseursalon-Besitzer aus der sogenannten Störerhaftung zu entlassen, sagte der CDU-Politiker Thomas Jarzombek im DLF. Auf diese Weise stünden den Nutzern in Zukunft mehr freie WLAN-Netze zur Verfügung. Privatleute sollten jedoch die Menschen gut kennen, die über ihren Hotspot im Internet surfen.

Thomas Jarzombek im Gespräch mit Thielko Grieß | 14.03.2015
    Thomas Jarzombek, CDU
    Thomas Jarzombek, CDU (imago/Galuschka)
    Bislang können Betreiber eines öffentlichen WLANs zur Rechenschaft gezogen werden, sollten Nutzer über den öffentlichen schnurlosen Internetzugang gegen Gesetze verstoßen. Abmahnungen drohen. Daher sei es sinnvoll, diese sogenannte Störerhaftung abzuschaffen. Das werde die Anzahl der freien WLAN-Netze in Deutschland erhöhen, sagte der CDU-Politiker Thomas Jarzombek im Deutschlandfunk.
    Diese von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geplanten besseren Bedingungen sollen jedoch für Privatleute nicht gelten. Ob dies sinnvoll sei, müsse man noch klären, so Jarzombek. Solange Privatleute noch dafür haften, was über ihr persönliches WLAN geschieht, sollten diese die Nutzer daher am besten sehr gut kennen. "Freies Surfen bedingt Verantwortung", so Jarzombek.

    Das Interview in voller Länge:
    Thielko Grieß: Wer durch Großbritannien, durch die Vereinigten Staaten oder zum Beispiel auch Israel reist und dort in Cafés oder auf öffentlichen Plätzen das Handy oder das Tablet nutzt, um ins Netz zu gehen, der weiß, das geht gut, und das geht komfortabel einfach an sehr vielen Orten per WLAN. Wenn der Reisende dann nach Deutschland zurückkehrt, wird er bemerken, eine einfach, komfortable und jederzeit mögliche Nutzung von WLAN ist der Deutschen Sache bislang nicht. Denn größer sind hierzulande die Beschränkungen, mit der Begründung, illegales Tun und Treiben im Internet verfolgen zu können. Denken wir zum Beispiel an das Herunterladen von Kinderpornografie oder Urheberrechtsverletzungen beim Download von Filmen oder Musik. Aber weil das Netz ja nun mal die Zukunft ist, muss sich jeder, der es beschränken will, stets auch den Vorwurf gefallen lassen, er wolle die Zukunft verbauen. Und diesen Vorwurf will sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel von der SPD nun nicht anheften. Das sagt er jedenfalls und hat deshalb einen Gesetzentwurf vorgelegt, der seit Ende dieser Woche bekannt ist. Katharina Hamberger fasst ihn zusammen.
    Einspielung Beitrag
    Grieß: Katharina Hamberger über den Gesetzentwurf, der die Nutzung von WLAN neu regeln soll. Und am Telefon begrüße ich jetzt Thomas Jarzombek von der CDU, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Digitale Agenda der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Jarzombek!
    Thomas Jarzombek: Schönen guten Morgen!
    Grieß: Stellen wir uns vor, ich bin Inhaber eines Cafés und soll nun, wenn ich WLAN anbiete, eine Seite vorschalten, auf der die Nutzer ein Häkchen und damit ihre Zusage anklicken sollen, dass sie sich rechtskonform verhalten werden. Täusche ich mich oder ist das bislang auch schon so, und darf ich also die Frage stellen, wo die Innovation in diesem Gesetz besteht?
    Jarzombek: Die Innovation besteht darin, dass Sie als beispielsweise Cafébetreiber oder Supermarktbetreiber oder Friseurladen, dass Sie halt eben aus der sogenannten Störerhaftung entlassen sind. Das heißt, diejenigen, die halt auf Ihrem Anschluss surfen und möglicherweise etwas tun, was eine Rechtsverletzung ist, dafür müssen Sie dann nicht haften. Und das ist heute anders.
    Grieß: Und warum geht Deutschland nicht den Weg, den auch andere Staaten beschreiten, nämlich einfach dieses Häkchen wegzulassen und den Zugang zu erleichtern. Denn es ist ja relativ kompliziert. Ich will meine Mails checken, dann muss ich erst den Browser öffnen, irgendein Häkchen setzen. Das dauert, und wenn ich das mehrfach machen muss, dann geht schon Lebenszeit drauf.
    Jarzombek: Wie die Verfahren hinterher genau aussehen werden, das muss man erst mal sehen. Ich glaube, Nutzer werden auch eine andere Möglichkeit haben, sich zu erklären, dass sie eben gegen keine Rechte verstoßen. Insbesondere sieht der Gesetzentwurf ja auch vor, dass es eine Verschlüsselung gibt, und das Passwort muss irgendwie sichtbar ausgehängt werden. Das kann man dann wahrscheinlich auch ins Schaufenster hängen beispielsweise oder auf die Bar von dem Café stellen. Ich glaube, dass das relativ einfach sein wird, und ich glaube auch, dass das zumutbar an der Stelle ist.
    Grieß: Also, als Passwort ist auch vorstellbar ein großer Zettel, da steht dann drauf, loggen Sie sich bitte ein mit A, B, C, D und E.
    Jarzombek: Genau das.
    Grieß: Das ist dann etwas, was ermöglichen soll ... was soll das ermöglichen? Dann kann man es auch gleich weglassen?
    "So gut wie keine Klagen gegen WLAN-Hotspot-Betreiber"
    Jarzombek: Na ja, es geht halt eben darum, dass man letzten Endes einen Sichtkontakt zu demjenigen einmal hat, der ein solches WLAN anbietet. Das ist die Idee dahinter, und dass man sozusagen sieht, dass man auch irgendwie gesehen wird bei dem, was man da tut. Das kann man jetzt so oder so beurteilen, wie die Wirkung dessen halt eben sein wird. Ich glaube aber, dass es nicht so schlecht ist, wenigstens einmal noch darauf hinzuweisen, Leute, macht hier keinen Unsinn. Ich glaube auch, dass es einen nicht besonders davon abhält, jetzt einfach in dieses WLAN zu kommen, weil man bei vielen Anbietern ja auch heute noch Zugangsdaten eingeben muss. Das ist natürlich eher kompliziert. Wollen wir mal sehen, wie sich die Sache entwickelt.
    Grieß: Okay. Also dann schauen sich Café-Betreiber und Nutzer einmal kurz tief in die Augen und dann lädt der Nutzer doch die illegale Musik herunter.
    Jarzombek: Das ist ein Kern der Diskussion, die Frage, ob Menschen, die sich in einen öffentlichen Bereich mit einem WLAN setzen, anfangen, irgendwelche Pornofilme oder was auch immer herunterzuladen. Wenn man jetzt mal mit den Betreibern von WLAN-Hotspots spricht – das haben wir getan, wir haben dazu ein Experten-Hearing gemacht als CDU/CSU-Fraktion – da haben wir herausgefunden, dass das de facto überhaupt nicht passiert, weil es gibt auch so gut wie überhaupt gar keine Klagen gegen WLAN-Hotspot-Betreiber von Menschen, die sich in ihren Rechten verletzt sehen. Also, ich glaube, die Annahme, dass jemand, der im öffentlichen Raum sitzt, da anfängt, die verrücktesten Dinge zu machen, diese Annahme teile ich definitiv nicht.
    Grieß: Sprechen wir über Privatleute. Jetzt haben wir zunächst mal über Geschäftsleute gesprochen. Sprechen wir jetzt über Privatleute. Die können ihr WLAN offen nicht anbieten. Sie müssen auch die Mitnutzer kennen, zum Beispiel in einer Familie oder in einer Wohngemeinschaft. Ist es zulässig, Privatleute anders zu behandeln als Geschäftsleute?
    Jarzombek: Das wird man jetzt in den nächsten Wochen diskutieren müssen, ob diese Lösung, die da jetzt in dem Gesetzentwurf drin steht, ob das jetzt wirklich der beste Weg ist. Ich hab da so persönlich meine Zweifel, wenn ich das so sagen kann.
    Grieß: Das können Sie, dazu sind wir verabredet.
    Jarzombek: Bitte?
    Grieß: Das können Sie und das sollen Sie, dazu sind wir zum Interview verabredet, Herr Jarzombek.
    "Freiheit bedingt auch immer Verantwortung"
    Jarzombek: Also da ist natürlich die Frage, ob man tatsächlich Privatbenutzer anders behandeln kann als gewerbliche. Aber auch hier ist der Kern der Diskussion natürlich die Frage, ob man überhaupt noch jemals jemanden wegen Rechtsverstößen dran bekommen kann. Also, wenn beispielsweise Ihre Kinder andere Kinder auf Facebook mobben oder auf EBay Dinge einstellen in betrügerischer Absicht oder Urheberrechtsverletzungen begangen werden, dann ist es heute so, dass man halt herausfinden kann, wer ist derjenige gewesen, und da Ansprüche geltend machen. In einer Lösung, wie sie da jetzt vorgestellt ist, kann es natürlich künftig so sein, dass Sie immer behaupten können, da gibt es zehn Namen, die surfen auf meinem WLAN-Hotspot, ich kann euch die einfach mal so sagen, aber ich weiß nicht, wer es gewesen ist. Und das ist die Diskussion, die man wird führen müssen.
    Grieß: Sagen Sie uns noch mal konkret, in welche Richtung Sie die Diskussion führen wollen und welche Schlüsse Sie daraus ziehen. Muss ich das wissen, was meine Kinder tun oder meine Mitbewohner?
    Jarzombek: Ehrlich gesagt glaube ich, dass das eine gute Idee ist, weil Freiheit bedingt auch immer Verantwortung, und ich bin der Überzeugung, dass halt eben jemand sich schon überlegen soll, was er da im Internet macht. Und wenn wir auf das Thema Mobbing kommen, das ist gerade bei jungen Menschen ein häufiges Thema, dann glaube ich, ist das schon ganz gut, dass man denjenigen, die sich da unfair verhalten, auch irgendwann mal entgegentreten kann. Und diese Lösung, die da jetzt in dem Gesetzentwurf drin steht, die bringt am Ende gar nichts, denn Sie können sich letzten Endes auch zehn fiktive Namen aufschreiben und sagen, die sind es gewesen. Es gibt technisch überhaupt keine Möglichkeit, am Ende zuzuordnen, welcher WLAN-Nutzer was begangen hat, weil ja alle mit der gleichen IP-Adresse nach draußen gehen.
    Grieß: Ist es denn überhaupt auch Ihr Anliegen, das Urheberrecht zu retten und die Durchsetzung desselben?
    Jarzombek: Also, es geht ja nicht nur um das Urheberrecht, deshalb sage ich auch mal ganz bewusst, es geht um Mobbingfälle im Internet, es geht um Betrügereien bei EBay oder anderen Plattformen. Also, wir haben eine ganze Reihe von Dingen, und ich glaube, dass das in Deutschland gut ist, dass man am Ende, wenn man Dinge tut, dafür auch zur Verantwortung gezogen werden kann. Es ist ja kein Automatismus. Wir haben auch in der letzten Periode eine Reihe von Initiativen gestartet, um dieser Massenabmahnungen ein Stück weit Herr zu werden, indem man da Streitwerte begrenzt hat und Anwaltskosten begrenzt hat. Das hat auch das ganze Abmahnwesen zurückgefahren. Ja, da gab es natürlich Auswüchse, aber vom Grundsatz her glaube ich, auf alles zu verzichten, das kann auch nicht die Lösung sein.
    Grieß: Da Sie die Abmahnwelle, die Abmahnindustrie gerade ansprechen, möchte ich hier eine Frage anfügen: Ist das ein Gesetz, so wie es jetzt gerade vorliegt, das mit seinen Unklarheiten vor allem ein Konjunkturprogramm für die Abmahnindustrie darstellt?
    Jarzombek: Das glaube ich jetzt erst mal nicht, denn am Ende ist ja immer die Frage, an wen kann man denn mit der Abmahnung herantreten? Und speziell ist es ja jetzt so, wenn Sie beispielsweise – als gewerblicher Betreiber sind Sie ja ohnehin aus der Störerhaftung entlassen. Wenn also in Ihrem Café dieses Schild steht und Ihnen der Kaffeetrinker einmal gesagt hat, ich mach nichts Böses, dann sind Sie da raus. Das ist sicher ein guter Fortschritt. Als privater Anbieter wird es natürlich so sein, dass dann weiterhin bei Rechtsverstößen die Ansprüche gegen Sie geltend gemacht werden. Aber dann können Sie im Zweifelsfall immer sagen, ich hab jetzt 10 Leute oder 20 Leute, die sind bei mir auf dem Hotspot gewesen – das muss ja nicht nur die Familie sein oder halt eben Mitbewohner, das können ja auch zehn Gäste sein, Menschen, die irgendwie in der Nachbarschaft wohnen. Und damit sind Sie im Prinzip bei all diesen Sachen raus aus dem Schneider.
    Grieß: Jetzt haben Sie vorhin gesagt, Sie haben Zweifel, ob man Privatleute anders behandeln kann als Geschäftsleute. Wenn Sie daran gehen, beide Positionen anzunähern, gehen wir jetzt eher in die liberalere Richtung, Stichwort Geschäftsleute, oder in die restriktive, Stichwort Privatmenschen?
    Jarzombek: Na ja, also jedenfalls glaube ich, muss man dann, wenn, auch ganz klar mal definieren, wenn man eine Unterscheidung vornimmt, warum man sie vornimmt. Und die Unterscheidung kann man meines Erachtens nicht vornehmen anhand der WLAN-Benutzer, weil ich bleibe dabei, ich kann es mir nicht vorstellen, dass sich Menschen irgendwo in den öffentlichen Raum setzen, entweder zum Besuch bei Oma und Opa auf einen Kaffee oder halt eben auch in einen Friseursalon setzen und da jetzt anfangen, irgendwie die allerwildesten Dinge zu machen. Ich kann mir aber sehr wohl vorstellen, dass Menschen zu Hause mit ihren Anschlüssen Dinge machen, die nicht immer in Ordnung sind. Und jetzt muss man überlegen, um wen geht es jetzt? Geht es jetzt um die Leute, die sich in ein WLAN einklinken oder geht es um die Anschlussinhaber, die am Ende die WLAN-Nutzer als Argument benutzen, um ihre eigenen Urheberrechtsverstöße auf Dritte zu schieben.
    Grieß: Interessante Unterscheidung, die Sie da treffen, Herr Jarzombek. Das ist ein Entwurf, der jetzt aus dem Bundeswirtschaftsministerium kommt. Der ist offenbar ja auch schon, zumindest in Ansätzen, abgestimmt mit dem Bundesinnenministerium, und die Fassung, die Version betrachte ich, kommentiere ich jetzt kurz mal als sehr restriktiv. Wissen Sie, könnte das für Sie als Netzpolitiker in der großen Koalition ein Test sein, wie gut Sie sind, dem Ministerium doch noch Änderungen aus den Rippen zu leiern?
    Jarzombek: Ich glaube, jeder Gesetzentwurf ist immer wieder ein Test, wie sich das Parlament gegen die Regierung durchsetzen kann. Ich teile Ihre Auffassung, dass der restriktiv ist, nicht, weil ich glaube, wenn es darum geht, das Ziel zu erreichen, dass Sie in Deutschland mit Ihrem Smartphone in möglichst viele WLANs kommen, dann wird das gar nicht entscheidend sein, ob in irgendeiner Wohnung in der vierten Etage der Nachbar da mitsurfen kann, weil sehr viel weiter reichen diese Netze in der Regel nicht, bis auf die Straße reicht es meistens auch nicht. Sondern die Frage wird sein, ob es einfach möglich sein wird, in jedem Café, in jedem Restaurant, in jedem Supermarkt und in jedem Friseursalon ein solches WLAN zu öffnen für die Kunden. Und ich glaube, dass das mit diesem Gesetzentwurf geht. Und deshalb begrüße ich gerade diesen Teil der gewerblichen Anbieter sehr. Und ich glaube, dass das Gesamtziel, damit flächendeckende WLANs zu öffnen, dass dieses Gesamtziel damit gut erreicht werden kann.
    Grieß: Deutschland sucht Anschluss im WLAN an das Ausland. Über Wege dahin habe ich gesprochen mit Thomas Jarzombek, Sprecher der Arbeitsgruppe Digitale Agenda in der Unionsfraktion. Herzlichen Dank, Herr Jarzombek!
    Jarzombek: Sehr gerne!
    Grieß: Ein schönes, vielleicht auch internetfreies Wochenende wünsch ich!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.