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Freihandelsabkommen
Die zwei Seiten des Atlantiks

Bei jeder neuen NSA-Enthüllung rückt das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa in den Blickpunkt. Auf beiden Seiten des Atlantiks formieren sich seine Gegner. Unternehmer hoffen dennoch weiterhin auf erfolgreiche Verhandlungen.

Von Michael Braun | 04.02.2014
    Bernhard Mattes greift tief in die Geschichte. Der Chef von Ford Deutschland und Präsident der amerikanischen Handelskammer in Deutschland erinnert an die gut fünf Millionen Deutschen, die im 19. Jahrhundert in die Vereinigten Staaten einwanderten, an den Marshall-Plan zum Wiederaufbau der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg, an die Berliner Luftbrücke, an die transatlantische Politik, die schließlich zum Fall der Berliner Mauer führte. Die Botschaft des Handelskammerpräsidenten: Ein Snowdon und eine NSA-Affäre könnten all das nicht überlagern:
    "Richtig ist, dass die NSA-Affäre das Vertrauen und die Freundschaft angekratzt hat. Ich betone aber angekratzt. Denn gerade jetzt wieder auf der Münchner Sicherheitskonferenz habe ich persönlich erlebt, wie klar das Bekenntnis auch vieler Politiker beiderseits des Atlantiks war, dass wir auf der einen Seite Aufklärung und Transparenz schaffen müssen und zum anderen aber auch weiter an diesem Freihandelsabkommen arbeiten müssen, weil es eben riesig große Chancen bietet."
    Mattes: 160.000 Arbeitsplätze für Deutschland
    Deshalb müsse das Freihandelsabkommen zwischen EU und Amerika kommen. Es könne die gesamtwirtschaftliche Leistung der USA um jährlich 130 Milliarden Dollar steigern, die der EU um 160 Milliarden Dollar. Es würden in der EU 400.000 Arbeitsplätze entstehen, alleine in Deutschland 160.000. Er selbst, sagte Mattes, habe als Chef von Ford Deutschland nicht die Sorge, dass via NSA sein Fertigungswissen etwa im Motorenbau beim amerikanischen Konkurrenten GM lande:
    "Natürlich gibt es immer wieder Versuche, geistiges Eigentum von Firmen zu stehlen. Das sind kriminelle Akte. Aber die NSA hat andere Zielsetzungen als Wirtschaftsspionage. Sie betreibt sie nicht, sondern sie hat die Sicherheit weltweit im Auge, natürlich für Amerika, aber auch für die gesamte Welt."
    Kritik an Benachteiligung Dritter
    Doch die Skepsis gegenüber dem Freihandelsabkommen existiert nicht nur in Europa. Der amerikanische Kongress hat Präsident Obama gerade signalisiert, ein gesetzgeberisches Verfahren nicht unterstützen zu wollen, das internationale Handelsverträge schnell und bevorzugt durchs Parlament bringen würde. Das bremst Obamas Plan, die Exporte bis 2015 auf das Doppelte des Niveaus von 2010 bringen zu wollen. Es sind nicht nur die Farmer in Wyoming, die um ihre Milchverkäufe bangen angesichts drohender EU-Importe. Professor Rolf Langhammer, Handelsexperte des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel sieht viele weitere Stolpersteine:
    "Es geht um Fragen, wie man mit den Exportsubventionen, wenn es denn wirklich welche gäbe, in der Luftfahrtindustrie – Stichwort Boeing und Airbus – umgehen muss. Wenn natürlich dann noch Industriestandards hinzukommen, dass also eben Fracking oder andere industriepolitische Maßnahmen im Bereich der Energie noch hinzukommen, kann man sich vorstellen, dass das auf erhebliche Probleme gerade bei den Nichtregierungsorganisationen in Europa stößt."
    Er kritisiert an einem bilateralen Abkommen, dass es Dritte benachteiligen könne:
    "Man schließt gerade die Partner im Welthandel aus, die am dynamischsten sind. Und das sind die Schwellenländer. Das ist zum Beispiel China. Und die Gefahr besteht natürlich, dass die USA, die ja gegenüber China gewisse Vorbehalte beispielsweise dem sogenannten oder vermuteten Wechselkursprotektionismus haben, versuchen werden, die Europäer da auf ihre Seite zu ziehen, um eine harte Haltung gegenüber China einzunehmen."
    Das bremst. Denn käme es so, stünde das bilaterale Handelsabkommen dem Welthandel entgegen.