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Freihandelsabkommen Jefta
Wasserversorgung unter Privatisierungsdruck?

Die EU und Japan wollen ein Freihandelsabkommen unterzeichnen. Wolfgang Deinlein von den Stadtwerken Karlsruhe kritisiert im Dlf, dass das Abkommen die kommunale Handlungsfreiheit bei der Wasserversorgung einschränke. Außerdem sei ein Artikel im Abkommen weggefallen, der regele, dass Wasser keine Ware sei.

Wolfgang Deinlein im Gespräch mit Jule Reimer | 09.07.2018
    Arbeiten an einem Mischwassersammelkanal in Leipzig
    Arbeiten an einem Mischwassersammelkanal in Leipzig (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Jule Reimer: Am Mittwoch soll es feierlich unterschrieben werden, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan, JEFTA. [Anm. d. Redaktion: Wegen der schweren Unwetter in Japan wurde die Unterzeichnung mittlerweile auf 17. Juli verschoben.] Der seit 2013 vorbereitete Freihandelspakt wird der größte sein, den die EU jemals abgeschlossen hat. Japan ist nach den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und damit ein äußerst interessanter Absatzmarkt für europäische Unternehmen. Sinn des Abkommens, Zölle und andere Handelshemmnisse abzubauen.
    Handelshemmnisse - das kann auch so etwas sein wie die Entscheidungshoheit der Städte und Gemeinden im Bereich der Wasserversorgung, selber zu entscheiden, ob sie die Wasserversorgung öffentlich oder privat betreiben, das gilt bislang so in Deutschland. Genau dies sehen der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft und seine Mitgliedsunternehmen in Gefahr. Ein Unternehmen, dessen Mitarbeiter sich ganz besonders gut in die Thematik des Welthandels eingearbeitet haben, sind die Stadtwerke Karlsruhe. Am Telefon ist jetzt Wolfgang Deinlein von eben diesen Stadtwerken. Herr Deinlein, wieso sollte das Zugriffsrecht der Wasserversorger auf die Wasservorkommen durch das JEFTA-Abkommen überhaupt gefährdet sein?
    Wolfgang Deinlein: Guten Tag, Frau Reimer. Vielen Dank für die Frage. Zunächst einmal muss man dort differenzieren, um das zu verstehen. Es gibt zunächst mal die Wasserversorgung und dann gibt es die Wasservorkommen. Das sind zwei verschiedene Punkte, die getrennt im Abkommen behandelt werden. Als Wasserversorger ist es nicht ausreichend, wenn man eine Konzession, zum Beispiel eine Dienstleistungskonzession zur Wasserversorgung hat - eine Stadt mit Wasser versorgen darf - sondern man braucht auch noch das vorgelagerte Recht, Wasser zu entnehmen und auf die Wasservorkommen zugreifen zu können, zum Beispiel auf Grundwasservorkommen.
    Reimer: Wieso könnte das gefährdet sein?
    Deinlein: Bei diesen Wasservorkommen gab es im CETA-Abkommen mit Kanada einen allgemeinen Artikel in den einleitenden Bestimmungen. Der war ein bisschen kontrovers diskutiert worden, hat aber trotzdem festgehalten, dass Wasser keine Ware im Sinne dieses Abkommens ist, und dieser Artikel ist vollständig entfallen. Das heißt, dieser Schutz, den dieser Artikel geboten hat, findet sich im JEFTA-Abkommen nicht wieder.
    "Einschränkungen kommunaler Handlungsfreiheit"
    Reimer: Sie sagten, es gibt den Bereich des Zugriffsrechts - also die Wasserrechte - und dann die Versorgung und die Abwasserentsorgung. Jetzt hat die EU-Kommission darauf verwiesen, dass die Entscheidungshoheit der Städte und Gemeinden darüber, wer die Trinkwasserversorgung übernehmen darf, gar nicht in Frage gestellt wird durch JEFTA.
    Deinlein: Ja gut, das ist eine Frage des Blickwinkels. Für die EU-Kommission ist es auch keine Einschränkung der kommunalen Handlungsfreiheit, wenn eine Ausschreibungspflicht zum Beispiel für diese Konzessionen der Wasserversorgung eintritt. Und das kann man sehr wohl als Einschränkung der Hoheit der Kommunen sehen, wenn sie nicht selbst darüber entscheiden dürfen, wen sie mit der Wasserversorgung betrauen, sondern wenn das Ausschreibungspflichten unterliegt und vergaberechtlichen Regelungen, die dann vielleicht sogar dazu führen, dass eine Kommune jemand anders nehmen muss, als sie eigentlich selbst gerne hätte, nämlich es selber machen.
    Reimer: Aber eigentlich kann man doch in Ausschreibungen berücksichtigen, dass nicht nur das billigste Angebot zum Zuge kommt – das ist, glaube ich, Ihre qualitative Sorge -, sondern dass auch Umweltkriterien dort berücksichtigt werden müssen.
    Deinlein: Ja. Aber man kann jetzt zum Beispiel keine kommunalen Kriterien einbringen, dass man es selber machen möchte, und darum geht es ja, die kommunale Handlungsfreiheit.
    Weitreichende Befugnisse
    Reimer: Jetzt zählt in Freihandelsabkommen das Kleingedruckte. Sie werfen den EU-Unterhändlern vor, sie hätten außerdem noch an anderer Stelle Hintertürchen für die Privatisierung der Wasserversorgung geöffnet mit diesem Abkommen, wenn es denn dann komplett durchkommt.
    Deinlein: Genau. Das JEFTA-Abkommen setzt - wie das CETA-Abkommen übrigens auch - ungefähr am Ende eines jeden Kapitels einen eigenen Ausschuss ein, der für die Umsetzung des Kapitels verantwortlich ist, für die weitere Umsetzung im späteren. Und nicht nur das, sondern es gibt auch manche Ausschüsse, die haben Befugnisse zur nachträglichen Änderung des Abkommens. Da ist dann die Frage, welche Befugnisse sind vorhanden beziehungsweise welche Einschränkungen gibt es. Es gibt zum Beispiel einen Ausschuss – der gemischte Ausschuss - und der darf den Anhang zu diesem Vergabekapitel ändern. Wenn ein Ausschuss im Nachhinein zum Beispiel Dienstleistungskonzessionen zur Wasserversorgung aufnehmen möchte, dann muss geprüft werden, welche Einschränkungen gibt es dafür? Gibt es dann auch eine parlamentarische Kontrolle, oder kann das der Ausschuss selbst entscheiden? Da gibt es eigentlich nur die Einschränkung, so wie ich und verschiedene Juristen das jetzt gesehen haben, dass das nur noch eines diplomatischen Notenwechsels bedarf, und der verlangt keine parlamentarische Abstimmung darüber.
    "Stimmt das EU-Parlament nicht zu, wird es nicht ratifiziert"
    Reimer: Die Qualität der Telefonleitung ist nicht ganz so einfach. Sagen Sie uns bitte noch ganz kurz: Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, auch Deutschland, haben am Freitag in einem stillen Zustimmungsverfahren dieser anstehenden JEFTA-Unterzeichnung zugestimmt. Ist das Kind damit in den Brunnen gefallen?
    Deinlein: Nein. Es gibt noch die Vertragsunterzeichnung selbst. Die soll am Mittwoch stattfinden. Und dann natürlich die Entscheidung im EU-Parlament. Wenn das EU-Parlament nicht zustimmt, dann wird es nicht ratifiziert in der EU.
    Reimer: Das heißt, wir warten jetzt ab, wie es weitergeht, ob Ihre Proteste gehört werden. Es sind über 550.000 Unterschriften gegen JEFTA bei der Bundesregierung abgegeben worden. Vielen Dank für diese Informationen zur Sorge um die Wasserversorgung und um Privatisierungsdruck im anstehenden Freihandelsabkommen EU-Japan. Das war Wolfgang Deinlein von den Stadtwerken in Karlsruhe.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.