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Freihandelsabkommen TTIP
Beirat der Bundesregierung zieht erste Bilanz

Fehlende Standards im Verbraucher- und Tierschutz sowie Verhandlungen hinter verschlossenen Türen: Kritik an den laufenden Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit den USA gibt es schon lange. Die Bundesregierung hat deshalb bereits 2014 einen Beirat eingerichtet, der die Verhandlungen begleiten soll. Der hat nun eine Zwischenbilanz gezogen.

Von Dieter Nürnberger | 30.01.2015
    Menschen demonstrieren in Berlin gegen die Freihandelsabkommen Ceta und TTIP.
    Menschen demonstrieren in Berlin gegen die Freihandelsabkommen Ceta und TTIP. (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    Der TTIP-Beirat wurde ja im Mai 2014 von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ins Leben gerufen. Und in der Tat sind darin auch einige erklärte Gegner oder zumindest Kritiker des geplanten Freihandelsabkommens mit den USA vertreten. Immerhin traten heute zwölf eher TTIP-kritische Institutionen - von insgesamt 24 Mitgliedern im Beirat - gemeinsam vor die Presse, also die Hälfte.
    Im Beirat sind Wirtschafts- und Kulturvertreter ebenso dabei, wie kirchliche Vertreter oder auch Gewerkschaften oder Verbraucher- und Umweltorganisationen. Und man gab auch Einblicke, wie denn genau die Mitarbeit im TTIP-Beirat funktioniert: Felix Prinz zu Löwenstein ist Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft:
    "Wir führen Gespräche in dieser Runde sehr offen. Wir haben die Vereinbarung, dass dort jeder auch frei sagen kann, was er möchte. Und was die Transparenz betrifft: Das Problem liegt hier ja nicht auf der Ebene des Bundeswirtschaftsministeriums, das Problem ist eher, dass der gesamte Prozess so intransparent abläuft. Dass uns die eigenen Politiker sagen müssen, es tut uns leid, wir dürfen gar nicht Einblick nehmen - oder wenn doch, sind wir aus Geheimhaltungspflichten gebunden, darüber nichts zu erzählen. Das ist ja der Irrsinn an dem Ganzen."
    Und da haben wir auch schon einen ganz wichtigen Kritikpunkt gehört, es fehle bei den Verhandlungen auf politischer Ebene leider an Offenheit und Transparenz.
    Ein breites Kritikerbündnis
    Das heutige Bündnis ist recht breit: Mit dem DGB, ver.di und der IG-Metall kritisieren beispielsweise gleich drei der wichtigsten Arbeitnehmervertretungen in Deutschland die gegenwärtigen Verhandlungen.
    Beispiel: So seien einige Kernpunkte auch der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen, kurz: ILO, innerhalb von TTIP nicht gesichert. Stefan Körzell ist Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des DGB:
    "Die Vereinigten Staaten haben nur zwei der acht ILO-Kern-Arbeitsnormen anerkannt: Dabei handelt es sich um die Kern-Arbeitsnorm gegen Kinder- und auch gegen Sklavenarbeit. Aber beispielsweise sind die Fragen der kollektiven Verhandlungs- und Vereinigungsfreiheit in den USA nicht anerkannt.
    Zu was das führen kann, zeigte sich im vergangenen Jahr: Als VW versucht hat, im Werk in Chattanooga eine betriebliche Mitbestimmung zu installieren, ist das nicht zustande gekommen."
    Streit um Investorenschutz
    Zu den Punkten, die sowohl Arbeitnehmervertreter und auch Umweltverbände besonders kritisch sehen, gehört auch die Ablehnung von überstaatlichen Schiedsgerichtsverfahren. Hier geht es um den umstrittenen Investorenschutz. In Streitfällen dürfe jedoch nicht nur der wirtschaftliche Aspekt im Vordergrund stehen, sagt Stefan Körzell vom DGB:
    "Dass Streitigkeiten zwischen Unternehmen, beziehungsweise vor privaten Schiedsgerichten, ausgetragen werden sollen, lehnen wir ab. Die sind zum Teil sehr undurchsichtig - da sitzt manchmal der Schiedsrichter als Richter vorne, beim nächsten Verfahren kann der Schiedsrichter aber auch als Anwalt eines der klagenden Unternehmen dabei sein. Das brauchen wir nicht, wir haben gesicherte Rechtssysteme."
    Standards im Verbraucherschutz
    Natürlich geht es dem kritischen Bündnis auch um Standards. Nicht nur bei Arbeitnehmerrechten, sondern auch beispielsweise beim Verbraucherschutz. Beide Verhandlungsseiten hätten bislang zumindest unterschiedliche Prinzipien, nach denen Verbraucherschutz funktioniere. Felix Prinz zu Löwenstein vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft:
    "Verbraucherschutz in Amerika beruht darauf zu sagen: Wenn Du etwas auf den Markt bringen willst und wir Dir nicht beweisen können, dass es schädlich ist, dann darfst du es auf den Markt bringen. Du hast aber hinterher eine enorme Haftungsübernahme, wenn etwas schief geht.
    Bei uns läuft das komplett anders: Bei uns muss man beweisen können, dass etwas keinen Schaden anrichten kann, um es auf den Markt zu bringen. Auf der anderen Seite haben wir aber nicht den recht starken Haftungshintergrund."
    Viel Kritik somit am derzeitigen Verhandlungsstand beim geplanten Freihandelsabkommen - soweit dieser denn bekannt ist. Entscheiden werden es die Politiker, doch bis dahin aber wollen die Mitglieder des Beirats Einfluss nehmen.