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Freihandelsabkommen
Warum die Kunstszene die TTIP-Verhandlungen fürchtet

Das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA verspricht neue Jobs und mehr Wachstum. Kritiker befürchten amerikanische Zustände, und das nicht nur bei Lebensmitteln: Sie sehen das Kulturleben Europas in Gefahr.

Von Maria Ossowski | 19.05.2014
    Ein Zuhörer einer Europawahlkampfveranstaltung der SPD protestiert in Nürnberg (Bayern) mit einem Plakat mit der Aufschrift "Stoppen Sie TTIP" gegen das geplante EU-US-Freihandelsabkommen TTIP.
    Der Widerstand gegen TTIP, das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und USA, wächst. (Picture Alliance / dpa / Daniel Karmann)
    "Dieses Freihandelsabkommen hat eine große Bedeutung für - ganz allgemein gesagt - unser Kulturleben. Wir definieren uns als eine Kulturnation und sind stolz darauf. Und da muss man aufpassen, wenn da Verhandlungen geführt werden, wo die Kultur als ganz normale Ware behandelt werden soll. Das ist der Kampf."
    Heute startet die fünfte Verhandlungsrunde über das Freihandelsabkommen in Arlington, Virginia. Der Präsident der Akademie der Künste, Klaus Staeck, meint, dieses Abkommen könne auch unsere kulturellen Standards nachhaltig verändern. Die Kulturverbände fürchten um die Vielfalt des kulturellen Lebens nicht nur in Deutschland, sondern europaweit. Klaus Staeck:
    "Was da so alles vorgesehen ist an Standards, die als Handelshemmnisse definiert werden sollen, und, und, und. Nur ein Beispiel: Die Buchpreisbindung würde wahrscheinlich als erstes fallen, wenn die ganze Kultur als normale Handelsware behandelt würde. Amazon und viele Firmen sind jetzt schon dabei, sie auch zu unterlaufen, die wollen für ihre E-Books zum Beispiel eine Sonderstellung haben, um dann hinterher den ganzen Buchmarkt auch aufzurollen. Also, es ist höchste Alarmstufe angesagt."
    Die Kultur als Handelsware? Sind dann plötzlich Filme, Bücher, Theaterproduktionen oder Opernfestspiele allein dem freien Spiel ökonomischer Kräfte ausgesetzt? Wäre ein Handelsabkommen, das sich hauptsächlich nach US-amerikanischen Standards richtet, das Ende von staatlichen Kultur-Förderungen, Preisbindungen und auch das Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Denn all diese, durch demokratische Prozesse legitimierten und gewachsenen Errungenschaften in unserem Kulturraum existieren in den USA nicht.
    Verhandlungen hinter verschlossenen Türen
    Das große Thema dieser Verhandlungen sind die verschlossenen Türen, hinter denen sie stattfinden. Niemand weiß: Ist die Kultur nun ausgeklammert aus den Verhandlungen, wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters es verlangt? Sind die audiovisuellen Medien ausgenommen? Bleibt das Urheberrecht unangetastet? Nichts ist sicher, und das bereitet auch Siegmund Ehrmann (SPD), dem Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag, große Sorgen:
    "Transparenz ist in solchen Prozessen das A und O - und diese ist unzureichend gegeben. Mir ist bewusst, dass Verhandlungen auch einen diskreten Rahmen benötigen, um einfach Positionen auszuleuchten und vielleicht auch ohne Gesichtsverlust Positionen mal zu räumen. Wenn man sich öffentlich festlegt, ist das schwieriger. Gleichwohl ist es sehr wichtig, dass wir da auch zu Verabredungen kommen mit den federführenden Akteuren in der Bundesregierung, an welchen Stellen wir tatsächlich gegenüber unseren Partnern in der Öffentlichkeit, gegenüber den Kulturverbänden, aber auch den vielen, die im Bereich der Kultur wirtschaften. Ich nenne die Verlage, ich nenne die Musikindustrie, ich nenne auch den ganzen Bereich der sonstigen Medien, dass wir da deutlich machen, wir gehen sorgfältig mit unseren gemeinsamen Anliegen um, um in diesen Fragen des Abkommens nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten."
    Die Kultur, so der Chefunterhändler auf europäischer Seite, Karel de Gucht, spiele keine Rolle, dort werde nichts verändert. Das hat er vor zwei Wochen erklärt, bei einer Anhörung im Wirtschaftsministerium. Zu dieser Anhörung war auch Alexander Skipis eingeladen, der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Bislang finden alle TTIP-Verhandlungen im Geheimen statt, lediglich einige ins Internet gestellte Dokumente beweisen die Brisanz der zu verhandelnden Punkte. Mit der Anhörung wollten die Verhandlungsführer Karel de Gucht und der amerikanische Chefunterhändler Michael Froman durch etwas mehr Transparenz um Verständnis werben und Ängste abbauen. Gelungen sei dies, so Alexander Skipis, nicht:
    "Ich bin weiterhin sehr, sehr skeptisch, weil diese Anhörung selbst in einer sehr, sehr freundlichen, aber geradezu erschütternden Unverbindlichkeit und Allgemeinplätzen abgehalten worden ist - sowohl von dem amerikanischen Chef-Unterhändler Michel Froman wie eben auch von Karel de Gucht. Dass man sich da eigentlich nur fragt, in welcher Distanz lebt die Europäische Kommission jedenfalls zur Bevölkerung, zu einer Gesellschaft, die mittlerweile einen hohen Anspruch auf Partizipation und einen Anspruch auf Mitgestaltung der Lebensverhältnisse hat? In welcher Ferne zu diesem Anspruch lebt diese Kommission eigentlich?"
    Kritik an Intransparenz der Verhandlungen
    Die mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen, die so weit geht, dass niemand weiß, wer außer den Verhandlungsführern eigentlich genau teilnimmt, ist einer der beiden wichtigsten Gründe, weshalb das Misstrauen gegenüber dem Freihandelsabkommen ständig wächst. Alexander Skipis:
    "Das ist auf der einen Seite diese unglaubliche Intransparenz der Verhandlungen, und auf der anderen Seite aber auch das vorhandene hohe Interesse amerikanischer großer Internetunternehmen, allen voran Amazon und Google, das hohe Interesse daran, die Preisbindung in Deutschland und in Europa zu Fall zu bringen, weil das für sie das größte Hemmnis auf dem Weg zum richtigen Monopolisten ist. Sie sind sicher schon fast Monopolisten. Aber das wäre dann die Vollendung des Werkes, und zwar des zerstörerischen Werkes für die Kultur. Das bedeutete nämlich, dass durch solche Unternehmen kulturelle Vielfalt und Qualität gnadenlos vernichtet werden würde. Und das ist eben unsere Sorge, dass dieses Interesse auf amerikanischer Seite besteht."
    Wechseln wir die Perspektive. Was wäre denn daran so furchtbar, wenn beispielsweise die Buchpreisbindung fiele? Kämen nicht billigere Bücher den Käufern zu Gute? Überregulieren wir nicht in Europa, vor allem in Deutschland den Markt in zu großem Maße? Warum sollte sich nicht nach amerikanischem Vorbild der erfolgreichste Autor mit einer hohen Auflage auf Kosten eines nur einem kleinen Leserkreis bekannten Lyrikers durchsetzen? Warum droht damit gleich der Untergang des Abendlandes? Alexander Skipis:
    "Wenn wir den Buchmarkt so hätten wie in Amerika, dann hätten wir einen Buchmarkt, in dem der Durchschnittspreis an Büchern teurer wäre, nicht billiger, sondern teurer wäre. Ich möchte jetzt nicht den amerikanischen Buchmarkt kritisieren, aber wir hätten nicht mehr das Maß an Qualität und Vielfalt, das wir in Deutschland haben. Im verlegerischen Bereich gerade, also im Buchherstellungsbereich ist 'trial and error' eine ganz wesentliche Komponente des Geschäftsmodells. Stellen Sie sich vor, Franz Kafka hat Zeit seines Lebens nie eine höhere Auflage als achtzehnhundert erlebt - und trotzdem ist er ein Gigant der Weltliteratur geworden. Solche Sachen würden in einem Buchmarkt ohne Buchpreisbindung überhaupt nicht mehr vorkommen.
    Staatliche Förderung von Kulturinstitutionen in Gefahr?
    Die Buchpreisbindung ist nicht die einzige staatliche Regulierung, die bei einem amerikanisch dominierten Handelsabkommen in Gefahr geriete. Wettbewerbsnachteile für rein ökonomisch ausgerichtete Unternehmen ergäben sich auch durch die staatliche Förderung unserer Kulturinstitutionen. Ein großes Musical, allein privat finanziert, könnte plötzlich Subventionen einklagen. Mit dem Argument, sonst wäre der Wettbewerb verzerrt. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann:
    "Unsere öffentlichen Museen, Theater, kulturellen Zentren oder was auch immer, die wir ja quasi aus dem Markt herausgenommen haben und öffentlich finanzieren, sind natürlich für einen kommerziellen Anbieter ein Handelshemmnis. Also, wenn ich sage, ich habe in der Stadt ein öffentliches finanziertes Stadttheater, und ich möchte mich morgen dort als Privattheater ansiedeln und möchte etwas machen, habe ich einen erheblichen Konkurrenzdruck, weil ich natürlich dieses öffentlich finanzierte Theater habe. Also, mir wäre es dann als privater Unternehmer lieber, das öffentlich finanzierte Theater würde entweder verschwinden, also keine Finanzierung mehr erhalten oder ich krieg dasselbe."
    Das klingt zunächst absurd, wer würde einer solchen Klage schon stattgeben? Aber es geht hier um ein zentrales Anliegen der großen Konzerne bei diesem Freihandelsabkommen. Es geht um das sogenannte Investitionsschutzabkommen. Dies beinhaltet, dass private Schiedsstellen entscheiden, ob einem Unternehmen durch staatliche Eingriffe Gewinne entgehen. Und Kultursubventionen oder die Buchpreisbindung sind staatliche Eingriffe. Olaf Zimmermann:
    "Dann könnte aber so ein Unternehmen wie Amazon kommen und könnte sagen: Wir haben das Freihandelsabkommen unterschrieben. Jetzt haben wir dieses Streitschlichtungsverfahren auf privater Ebene - ich verklage die Bundesrepublik Deutschland auf den entgangenen Gewinn und zwar auf den entgangenen Gewinn, den ich doch eigentlich gehabt hätte, wenn es diese Buchpreisbindung nicht geben würde. Dann hätte ich mich nämlich als großes amerikanisches Unternehmen, das ja jetzt schon eine wichtige Rolle auf dem deutschen Markt spielt, doch viel weiter ausdehnen können, wenn ich mich nicht an die Buchpreisbindung hätte halten müssen. Und deswegen verklage ich die Bundesrepublik Deutschland. Und dann gehen sie nicht vor ein ordentliches deutsches Gericht, sondern sie würden vor eine private Schiedsstelle gehen. Diese private Schiedsstelle, auch die verhandelt im Geheimen, auch die ist zumindest doch sehr intransparent besetzt, die entscheidet dann, und diese Entscheidungen sind nicht anfechtbar."
    Freihandelsbefürworter sehen Antiamerikanismus
    Wann immer die Gegner des TTIP, des Freihandelsabkommens, gegen die übermächtig scheinenden Konzerne und deren Lobbys in Brüssel oder Washington argumentieren, fürchten die Befürworter des freien Handels einen latenten Antiamerikanismus. Der hat in vielen europäischen Gruppierungen eine lange Tradition. Gegen diesen Vorwurf wehren sich die Kulturverbände. Der Geschäftsführer des deutschen Kulturrates:
    "Die Vereinigten Staaten von Amerika sind ein wichtiger Kulturexporteur und auch ein wichtiger Kulturimporteur. Ich selbst war früher Kunsthändler. Sie können heute keinen erfolgreichen Kunsthandel mehr machen, der nur national ausgerichtet ist. Die Vereinigten Staaten sind der größte Handelspartner auch von Deutschland im Bereich des Kunsthandels. Letztendlich bevorzugt dieses Freihandelsabkommen die großen Unternehmen: Google, Amazon, Youtube. Die werden, wenn dieses Freihandelsabkommen umgesetzt wird, letztendlich den Markt im Kulturbereich dann in Europa wie auch in den Vereinigten Staaten von Amerika beherrschen."
    Für Google, Amazon und Youtube gibt es in Europa eine entscheidende Schranke, die eine unbegrenzte Expansion verhindert. Das ist unser Urheberrecht. Es schützt Autoren, Regisseure, kreative Künstler. Der Rechtsanwalt Gerhard Pfennig ist der Sprecher der Initiative Urheberrecht und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der deutschen Verwertungsgesellschaft für Bildende Kunst. Er gilt als der Urheberrechtsexperte in Deutschland:
    "Aus unserer Sicht ist Urheberrecht eine ganz wesentliche Grundlage des Kulturstaates, und das Urheberrecht sichert nach unserem Verständnis auch sehr stark die Lebensfähigkeit, die Überlebensfähigkeit der kreativen Menschen, gerade die persönlichkeitsbezogenen Aspekte des Urheberrechts und die vergütungsbezogenen Aspekte des Urhebervertragsrechts - und das findet überhaupt keine Entsprechung im amerikanischen Recht. Und wenn darüber jetzt verhandelt wird und noch dazu sehr geheim verhandelt wird, kann man sich aus der Sicht der Urheber nichts Gutes vorstellen, und deswegen sind wir nicht berufsmäßig beunruhigt, sondern wir sind beunruhigt, weil wir einfach nicht wissen, was da gespielt wird."
    Wer hat die Urheberrechte?
    Was heißt das ganz konkret? In der Filmwirtschaft beispielsweise gibt es grundlegende Unterschiede zwischen dem amerikanischen Urheberrecht und dem europäischen, also dem französischen, dem italienischen oder dem deutschen Urheberrecht. Gerhard Pfennig:
    "Wenn Sie in Amerika einen Film produzieren, dann gilt das sogenannte Prinzip des 'work made for hire', des Werks auf Bestellung. Das heißt, wenn Steven Spielberg für ein Studio einen Film als Regisseur gestaltet, ist der Inhaber des Urheberrechts der Produzent, während in Europa umgekehrt der Urheber eines Films der Regisseur ist und nicht der Produzent. Klar ist, dass die Urheber - der Drehbuchautor, der Regisseur, Kameramann, Cutter und so weiter - Urheber sind und auch bleiben. Sie können darüber mitreden und entscheiden, ob dieser Film später vielleicht umgestaltet wird, während in Amerika der Produzent alleine darüber entscheidet, ob in Utah für die Mormonen eine Filmversion entsteht, aus der Kussszenen herausgeschnitten werden oder andere Dinge oder ob Filme, auf Flugzeugsitzen auf quadratischen Bildschirmen gezeigt werden, die in 16:9-Formaten gedreht worden sind. Da wird ja immer auf jeder Seite ziemlich viel abgeschnitten. Das kann man in Europa ohne Zustimmung des Autors nicht machen, aber in Amerika kann der Produzent das machen, weil ihm die Rechte sozusagen von Gesetzes wegen zustehen."
    Ähnliches gilt für die bildende Kunst. Es mag zunächst eher unwichtig klingen, aber die Verwertung von Kunstwerken in Museumsshops ist ein Markt, in dem viele Millionen umgesetzt werden. Ein Urheberrecht im amerikanischen Sinne erschließt den Fabrikanten der Souvenirs neue Möglichkeiten. Gerhard Pfennig:
    "Werke europäischer Künstler, die nach Amerika eingeführt wurden, sind dort nicht geschützt, wenn sie nicht registriert worden sind. Deswegen finden Sie in amerikanischen Museumsshops aus unserer Sicht grauenhafte, kitschige Artikel, herausgeschnittene Figuren aus Werken von Max Ernst oder von anderen bedeutenden Künstlern wie Chagall, die in Europa gar nicht auf den Markt kommen können, weil sie aus Werken abgeleitet worden sind, die nach Amerika importiert wurden, ohne dass die Rechte registriert wurden damals. Und das sind so Dinge, die bei diesen Handelspolitiker - um das mal so salopp zu sagen - natürlich keine große Rolle spielen, denn denen geht es um die Produkte und die Märkte, auf denen Produkte möglichst reibungslos abgesetzt werden können."
    Ökonomie darf nicht blind machen
    Das zentrale Ziel aller Kulturverbände ist es, die kulturelle Vielfalt in Deutschland und in Europa zu erhalten. Auch, wenn manches den großen Konzernen zu kompliziert erscheint. Die kulturelle Vielfalt, so Olaf Zimmermann, schütze letztendlich unsere Identität:
    "128 verschiedene Sprachen werden in Europa gesprochen. Natürlich sagen manche, wäre es nicht alles viel einfacher, wir würden englisch sprechen? Ja, wär' es. Aber, es wäre ein unglaublicher Kulturverlust. Es wär genauso, als wenn wir sagen würden, die Maler sollen nur noch blaue Bilder malen, dann könnte man die Farbe in größerer Menge einkaufen. Dann wäre sie billiger. Würde auch keiner sagen ist sinnvoll. Wir müssen, glaube ich, wirklich aufpassen, dass die Ökonomie uns nicht blind macht."
    Für den Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag, Siegmund Ehrmann, gilt es, Chancen und Gefahren des Freihandelsabkommens abzuwägen und die Verhandlungsführer immer wieder darauf hinzuweisen, dass im kulturellen Bereich andere Prioritäten gälten als ausschließlich ökonomische:
    "In dem angestrebten Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika steht sicherlich ökonomisch eine große Chance. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass die kulturelle Vielfalt als ein Merkmal oder bestimmte soziale Standards, die sich hier in unserem Land in Jahrhunderte langer Tradition entwickelt haben, einem anderen Betrachtungshorizont unterordnen. Wir wissen, dass amerikanische Traditionen anders gestaltet sind als alte europäische Tradition. Insofern ist es wichtig bei dem Freihandelsabkommen, die kulturelle Vielfalt und die kulturelle Infrastruktur zu bewahren. Und das Verhandlungsmandant für das Freihandelsabkommen, was der EU-Kommission ja übertragen ist, hat genau diesen Haltepunkt eingezogen. Dieses Mandat verweist auf die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt, die die europäischen Staaten weitestgehend unterzeichnet haben. Das ist etwas, was die EU-Kommission bindet. Das darf sie nicht missachten und unterschreiten, auch wenn die Vereinigten Staaten ihrerseits selbst diesem Abkommen nicht beigetreten sind. Aber das ist eine Verhandlungsposition, die für uns sehr wichtig ist.
    Kulturellen Standard sichern und verteidigen
    Der Urheberrechtsexperte Gerhard Pfennig spitzt dies zu, wenn er für die kulturellen Interessensverbände folgendes Ziel formuliert:
    "Wenn es um den Punkt Kultur geht, setzen wir uns dafür ein, - und das ist verhandlungstechnisch schwierig zu erreichen - dass der gesamte Komplex der Kultur- und Medienpolitik gerade wegen der verfassungsrechtlichen Verpflichtungen, der Steuerfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in manchen europäischen Staaten, nicht von diesem Abkommen berührt wird. Es muss möglich sein, dass die Europäer auch in einem Handelsabkommen, was für viele sehr wichtig sein mag, diesen kulturellen Standard, der zur Infrastruktur der Informationsgesellschaft gehört, verteidigt und sichert. Das ist unser Wunsch an die Bundesregierung. Die muss in Brüssel der Kommission auf die Bude rücken und sagen, das ist unser Ziel, und das wollen wir berücksichtigt haben. Das schafft sie ja auch, wenn es ihr um bestimmte Abgasregelungen bei großen Autos geht, und wir finden, das sollte sie als Regierung eines Kulturstaates hier zur Geltung bringen."
    Die Akademie der Künste lädt Dienstagabend in Berlin zu einem prominent besetzten Akademiegespräch ein, unter dem Titel "Verteidigt die Kultur! Das Freihandelsabkommen". Das Grußwort wird die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, sprechen. Der Präsident der Akademie, Klaus Staeck, wünscht sich von ihr wie von allen entscheidenden Politikern ein klares Machtwort gegen die Kultur als reines Handelsgut:
    "Wenn die Politik wirklich - ich sage mal das harte Wort - uns verkauft, unsere Demokratie infrage stellt, also praktisch sich selber auch infrage stellt, dann ist für mich der Fall erreicht, wo man auch nicht mehr als treuer Staatsbürger alles hinnimmt, was da irgendwo beschlossen wird. Das ist für mich eine ganz, auch wirklich politische, persönliche und ganz existenzielle Frage."