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Freihandelsabkommen zwischen EU und Japan
"Die japanische Seite ist sehr, sehr intransparent"

Die Europäische Union und Japan verhandeln schon seit einiger Zeit über ein gemeinsames Freihandelsabkommen. Der Vorsitzende des EU-Handelsausschusses Bernd Lange (SPD) forderte im Dlf, alle Dokumente der Verhandlungen zu veröffentlichen.

Bernd Lange im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Bernd Lange lächelt vor einer Innentreppe in die Kamera.
    Der SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, Bernd Lange (imago stock&people)
    Jasper Barenberg: Am Telefon ist der SPD-Politiker Bernd Lange, der Vorsitzende im Handelsausschuss im Europaparlament. Schönen guten Morgen, Herr Lange.
    Bernd Lange: Ja, guten Morgen.
    Barenberg: Die Kritik sei nichts mehr als ein Sturm im Wasserglas, sagt die Kommission. Sagen Sie das auch?
    Lange: Nein, man muss es ganz nüchtern sehen. Es gibt in den Verhandlungen positive Elemente und auch kritische Elemente, und ich finde, ein breiter gesellschaftlicher Diskurs ist notwendig, um letztendlich ein gutes Abkommen zu erzielen. Deswegen finde ich jede intensive Auseinandersetzung richtig.
    "Das Verhandlungsmandat liegt in den Händen der Mitgliedsstaaten"
    Barenberg: Und deswegen finden Sie auch den Umstand, dass bisher so wenig darüber bekannt geworden ist, einen schweren Fehler der EU-Kommission?
    Lange: Ja, es ist nicht nur die Frage der EU-Kommission. Die hat ja sich etwas zumindest bewegt. Wir haben ja sehr stark dafür gestritten, dass die Protokolle der Verhandlungsrunden und auch einige Verhandlungsdokumente der EU-Seite auf der Webseite zu finden sind, und das sollte man auch wahrnehmen. Ich würde alle Dokumente darauf stellen und auch das Verhandlungsmandat, und da ist es richtig, das liegt in Händen der Mitgliedsstaaten. Die weigern sich. Das muss veröffentlicht werden. Und die japanische Seite in der Tat, die ist sehr, sehr intransparent.
    Barenberg: Das heißt, wenn Sie das so sagen, Sie würden sich wünschen, dass alle Dokumente veröffentlicht werden, auch das Verhandlungsmandat, dann schieben Sie den schwarzen Peter auch weiter an das Wirtschaftsministerium in Berlin, das von einer SPD-Politikerin geführt wird?
    Lange: Ja. Bloß Deutschland ist dafür. Das muss einstimmig beschlossen werden im Rat und es sind einige ganz wenige Länder, die das verhindern. Deutschland gehört da nicht zu.
    "Kein Zurück hinter dem Standard, den wir bei Kanada entwickelt haben"
    Barenberg: Dann lassen Sie uns über das sprechen, was Sie anfangs gesagt haben. Sie sehen da positive Elemente und negative Elemente. Was ist denn an negativen Elementen in diesem geplanten Handelsabkommen?
    Lange: Wir diskutieren ja schon seit längerer Zeit mit Japan und Japan hat in vielen Fragen bestimmte Vorstellungen. Zum Beispiel bei den intransparenten privaten Schiedsstellen möchten die dieses alte System für die Investitionsstreitbeilegung behalten. Wir sagen, nein, das geht überhaupt nicht. Wir wollen, wenn überhaupt, öffentliche Gerichte haben. Das ist ein Dissens, den kann man auch nicht lösen, und insofern könnte ich mir vorstellen, dass es in einem Abkommen, wenn es zustande kommt, überhaupt keine Regelung in dieser Frage gibt. Oder bei den Arbeitnehmerrechten haben wir auch ganz klar gesagt, die acht Kernarbeitsnormen, quasi das universelle Arbeitnehmer-Grundgesetz, muss umgesetzt werden. Japan hat von den acht Normen bisher nur sechs ratifiziert. Wir brauchen auch einen klaren Durchsetzungsmechanismus. Und in der Tat bei einzelnen Fragestellungen, bei der Anerkennung von Herkunftsbezeichnungen im Agrarbereich oder bei der Frage des Datenschutzes, liegen die Vorstellungen noch weit auseinander, und deswegen müssen wir da deutlich sagen, wo unsere Position in der Europäischen Union ist und wo auch die Grenzen sind, wo man überhaupt Kompromisse erzielen kann, und da hat das Europäische Parlament eine klare Position. Insofern wird es, um jetzt das Abkommen mit Kanada ins Spiel zu bringen, kein Zurück hinter dem Standard, den wir bei Kanada entwickelt haben, geben.
    "Das letzte Wort darüber hat das Europäische Parlament"
    Barenberg: Das heißt, Herr Lange, für Sie ist ganz klar, wenn es um den Schutz von Investoren geht, ohne dass man sich auf öffentliche Gerichtshöfe statt dieser privaten Schiedsgerichte einigt, ohne das werden Sie diesem Abkommen nicht zustimmen?
    Lange: Ganz genau, und vor allen Dingen auch ohne vernünftige Absicherung von Arbeitnehmerrechten werde ich dem nicht zustimmen, und da sehe ich eine Mehrheit im Parlament für.
    Barenberg: Und wenn die Staaten aber trotzdem zustimmen im Rat?
    Lange: Ja, das hilft ja nichts. Das letzte Wort darüber hat das Europäische Parlament. Wir haben in der letzten Legislaturperiode auch schon zwei Abkommen abgelehnt, weil sie nicht hinreichend waren, und ich glaube, das wissen die Verhandlerinnen und Verhandler auch sehr genau. Ohne ein Ja des Europäischen Parlaments kann es kein Handelsabkommen geben und deswegen gilt es, die Standards, die wir gesetzt haben, auch umzusetzen.
    Vorsorgeprinzip rechtlich absichern
    Barenberg: Lassen Sie uns noch über ein anderes Detail sprechen, was immer wieder diskutiert wird: das sogenannte Vorsorgeprinzip im Unterschied zum Nachsorgeprinzip, wenn es um Verbraucherrechte und Verbraucherschutz geht. Wie ist da Ihre Einschätzung zunächst einmal, was das geplante Abkommen angeht? Ist da das Vorsorgeprinzip ausreichend geschützt?
    Lange: Zum einen muss man natürlich sagen, Japan ist ja nun nicht ein Land, wo Lebensmittel minderer Qualität angeboten werden. Man kann, glaube ich, nicht nur sagen, dass unsere Herangehensweise immer besser als die anderer ist. Aber wir haben bestimmte Prinzipien. Das ergibt sich aus dem Artikel 191 des europäischen Grundlagenvertrages. Dieses Prinzip müssen wir rechtlich einwandfrei absichern, damit keiner auf die Idee kommen kann, über ein Handelsabkommen das Vorsorgeprinzip, so dass wir beim kleinsten Anzeichen von Problemstellungen auch Produkte vom Markt fernhalten können, anzugreifen. Deswegen klar: Wie beim Kanada-Abkommen auch muss das rechtlich eindeutig festgelegt werden.
    Barenberg: Es muss, sagen Sie. Aber ist es jetzt schon im vorliegenden Vertragstext ausreichend abgesichert?
    Lange: Es gibt ja noch keinen vorliegenden Vertragstext. Da gibt es unterschiedliche Ansätze. Aber auch da gehe ich davon aus, da wird keine Kommission mit einem Vertragsergebnis um die Ecke kommen, wo das nicht genauso klar geregelt ist wie in Kanada. Und das wissen die Verhandler, das weiß auch die japanische Seite. Wenn man sich da nicht einigen kann, dann kann es kein Abkommen geben.
    Barenberg: Wenn man sich durchliest, was so alles geschrieben wird über die Texte, die jetzt öffentlich geworden sind – da steht ja immer viel von soll und sollte und könnte und wenig von muss. Wer kontrolliert eigentlich, was dort verabredet wird?
    "Geopolitisch macht es Sinn, dass man zueinander kommt"
    Lange: Wir haben im Europäischen Parlament eine sogenannte Monitoring-Gruppe, die sehr intensiv die Verhandlungen begleitet, und schon da ist eindeutig klar, dass, wenn die Interessen des Parlaments nicht berücksichtigt werden, man nicht weiterkommt. Deswegen sind die Verhandlungen ja auch schon lange am Laufen, sehr zäh, und ich weiß jetzt auch nicht, ob es gelingen wird, eine politische Einigung bis zur nächsten Woche zu erzielen, weil in vielen Fragen die Positionen auseinander liegen. Aber nichts desto trotz, glaube ich, lohnt es sich. Japan ist ein wichtiger wirtschaftlicher Partner. Geopolitisch, angesichts von Herrn Trump, angesichts der Situation im asiatischen Raum, macht es auch schon Sinn, dass man zueinander kommt. Aber eben nicht um jeden Preis.
    Barenberg: Sind Sie denn ganz zuversichtlich, dass das noch gelingen kann, um dieses Signal, das gewünschte, auch in Richtung USA auszusenden?
    Lange: Man muss es versuchen. Der europäische Verhandler Mauro Petriccione ist in Tokio und es wird rund um die Uhr verhandelt. Hat natürlich auch ein bisschen was mit Taktik zu tun. Ich kann es wirklich nicht einschätzen. Wir versuchen es, aber wenn es nicht geht, dann geht es halt nicht.
    Barenberg: … sagt der SPD-Politiker Bernd Lange, der Vorsitzende im Handelsausschuss des Europaparlaments. Danke für das Gespräch heute Morgen.
    Lange: Sehr gerne. Alles Gute.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.