Volmer: Guten Morgen.
Simon: Herr Volmer, die Verhandlungen für die Freilassung der 14 Sahara-Touristen in Mali sind jetzt wohl in der wirklich entscheidenden Phase. Wie beurteilen Sie die Chancen für eine Rückkehr der Geiseln vielleicht noch heute?
Volmer: Die Chancen sind gut, da die Weichen jetzt alle in diese Richtung gestellt sind, aber Erleichterung darf sich endgültig erst breit machen, wenn die Geiseln wohl behalten im deutschen Flugzeug sitzen und auf dem Weg in die Heimat sind. Bis dahin kann, wie auch Ihr Korrespondent berichtete, immer noch etwas schief gehen und deshalb sollte man nicht zu früh in Jubel ausbrechen.
Simon: Nach dem was Sie wissen, sind es mehr technische Schwierigkeiten gewesen, oder gibt es wirklich noch große inhaltliche Probleme?
Volmer: Nein. Meines Wissens verhalten sich die Dinge so, wie sie gerade dargestellt wurden. Man muss sich vorstellen, dass Mali eben ein armer Wüstenstaat ist, in dem die Infrastruktur längst nicht so ausgebaut ist wie etwa in Mitteleuropa. Da kann es dann zu solchen Verzögerungen kommen, wie vorhin dargestellt wurde.
Simon: Aus Ihren Erfahrungen in den Verhandlungen mit den Geiselnehmern in Jolo, was ist jetzt die größte Gefahr?
Volmer: Dass wie gerade auch schon berichtet wurde zwar die Geiseln aus der Hand der Entführer entkommen sind, dass diese aber vielleicht noch die Möglichkeit haben, doch wieder Einfluss zu nehmen auf den Prozess, weil einfach der zweite Schritt, nämlich sie von den Vermittlern nun weiterzuleiten an die deutschen Behörden, an unser Empfangskomitee, möchte ich mal sagen, nicht funktioniert. Aber im Moment gibt es keine konkreten Hinweise darauf, dass die Entführer noch mal versuchen, Einfluss zu nehmen.
Simon: Mitte Mai waren ja bereits einige Geiseln gewaltsam vom algerischen Militär befreit worden. Im Anschluss daran hatten einige der früheren Geiseln ihre Geschichte an die Medien verkauft. Wie sehr hat das denjenigen geschadet, die heute noch in Geiselhaft sind?
Volmer: Man muss verstehen, dass diejenigen, die damals befreit wurden, ihren Gefühlen Luft machen wollten und auch das Bedürfnis hatten, darüber der Öffentlichkeit Mitteilung zu machen. Auf der anderen Seite wurde dadurch verhindert, dass auf dem gleichen Wege auch die anderen Geiseln befreit wurden, denn die Entführer haben all das, was in den europäischen Medien darüber kommentiert wurde, natürlich auch mitbekommen. Die Welt ist ein globales Dorf und wenn in deutschen Medien etwas berichtet wird, dann weiß man das einen Tag später in jedem Winkel der Sahara. Deshalb waren die Geiselnehmer gewarnt. Damit war auch der Weg, den die algerische Regierung bis dahin erfolgreich eingeschlagen hatte, für die zweite Hälfte der Geiseln verbaut. Wenn man hier und da Kritik hört an mangelnder Kooperation der algerischen Seite - das habe ich zumindest in manchen Kommentaren gestern und heute gehört - so finde ich dies völlig unberechtigt. Die Algerier haben eine sehr positive Rolle gespielt. Nur war der Weg, der in Algerien möglich erschien, nämlich über den Zugriff des Militärs die Geiseln zu befreien, verbaut, nachdem der erste Akt eben nicht hatte geheim gehalten werden können.
Simon: Die Bundesregierung hat jetzt in Mali klargestellt, dass sie kein Lösegeld bezahlen will, um keine Nachahmer zu ermutigen. Wenn jetzt Mali das Lösegeld bezahlt und Berlin diesem bitterarmen Staat die Summe als Entwicklungshilfe nachreicht, dann ist das aber doch eigentlich auch nur Kosmetik?
Volmer: Über Geld reden wir eigentlich nicht. Das war auch bei der Jolo-Entführung so. Die Bundesregierung zahlt kein Lösegeld und wenn sie es tun würde, würde sie es nie zugeben. Das wäre auch richtig so. Auf der einen Seite muss man auf die Forderungen von Entführern teilweise eingehen, weil man sonst die Geiseln nicht bekommt, und das wichtigste bei einer Geiselnahme ist aus unserer Sicht immer der Schutz der Geiseln gewesen. Auf der anderen Seite darf man nicht so weit entgegenkommen, dass vielleicht Nachahmer ermutigt werden und sich so was wie ein regelrechter Markt für Geiseln entwickelt, wie wir es aus anderen Ländern, etwa aus Kolumbien kennen. Dazwischen muss ein Weg gefunden werden. Das verlangt sehr viel Geschick und es verlangt vor allen Dingen internationale Kooperation. Deshalb dürfen wir den Regierungen von Algerien und jetzt insbesondere auch von Mali sehr dankbar dafür sein, dass sie so konstruktiv sich verhalten haben.
Simon: Wie sieht das eigentlich auf der parlamentarischen Ebene aus? Auch wenn Sie sagen, die Geiseln gehen vor, über Geld redet man nicht, wir sind ja ein demokratischer Staat, wir haben keinen Reptilienfonds für so etwas. Ist das Parlament zu aller Zeit über den Fortgang der Verhandlungen mit den Geiselnehmern informiert gewesen?
Volmer: Ja. Es gab regelmäßige Unterrichtungen durch die Bundesregierung, insbesondere an die Obleute des auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses. In dem Sinne waren wir immer auf dem Laufenden und die Bundesregierung konnte auch sicher sein, dass sie für ihre Aktivitäten die Zustimmung des Parlamentes hat. Die politisch auswertende Diskussion werden wir führen in den Ausschüssen, wenn die Dinge zum guten Ende gebracht worden sind.
Simon: Wird Mali - das ist ja, wie in dem Bericht erwähnt, eines der zehn ärmsten Länder der Welt und jetzt schon stark von Deutschland unterstützt - wenn alles gut ausgeht, von Deutschland ähnlich bevorzugt behandelt werden, wie es zum Beispiel auch viele Jahre nach Mogadischu 1977 für Somalia der Fall war?
Volmer: Wir haben sehr gute Kontakte zu zahlreichen Staaten der sogenannten "Dritten Welt" Afrikas. Diese sind uns sehr gewogen aufgrund unserer internationalen Politik, aufgrund unseres Agierens bei regionalen Konflikten. Auf dieser gewachsenen Basis von Vertrauen, Freundschaft und Kooperation kann so verfahren werden, wie dies nun getan worden ist. Wir wissen natürlich zu schätzen, wenn einzelne Länder in zugespitzten Situationen unsere Interessen mit vertreten, sich auf unsere Seite stellen. Wir vergessen unsere Freunde nicht!
Simon: Das heißt es wird nicht zum Nachteil von Mali und Algerien sein, dass sie zur Zusammenarbeit jeder Zeit bereit waren?
Volmer: Nein, denn man muss solche Ereignisse dann auch nutzen, um die Beziehungen weiter auszubauen, zu vertiefen. Das sind ja auch Dinge, die weiter Vertrauen schaffen, und wir haben ja ein Interesse daran, zu möglichst vielen Ländern der Welt enge Beziehungen zu haben, um nicht nur in solchen Krisensituationen zu kooperieren, sondern auch bei all den Fragen, die ansonsten anstehen und wo internationale Kooperation nötig ist.
Simon: Herr Volmer, mit Rückblick auf Jolo, jetzt geht es vor allem darum, die Geiseln nach Hause zu holen. Sie werden garantiert betreut werden müssen. Gibt es eigentlich für die Geiseln, wenn sie einmal zurück sind, in der Form ein etwas unangenehmes Erwachen, dass der Staat von ihnen eine Beteiligung an den entstandenen Kosten verlangt?
Volmer: Auch diese Diskussion gab es damals. Es wurde damals eine Rechnung gestellt. Das war notwendig, weil der Staat aufgrund des Konsulargesetzes zwar Hilfe für Deutsche im Ausland leisten muss und natürlich auch gerne leistet. Auf der anderen Seite sind das keine Leistungen, die dem Steuerzahler, also der Staatskasse insgesamt in Rechnung gestellt werden können. Die Entführten leisten einen gewissen Eigenbeitrag. Im Falle Jolo war das aber damals so dimensioniert, dass das für die betroffene Familie gut zu verkraften war und bestimmte Kosten wären der Staatskasse ohnehin angefallen. Die hat man dann natürlich nicht extra noch in Rechnung gestellt.
Simon: Das war Ludger Volmer, der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. - Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Volmer!
Link: Interview als RealAudio
Simon: Herr Volmer, die Verhandlungen für die Freilassung der 14 Sahara-Touristen in Mali sind jetzt wohl in der wirklich entscheidenden Phase. Wie beurteilen Sie die Chancen für eine Rückkehr der Geiseln vielleicht noch heute?
Volmer: Die Chancen sind gut, da die Weichen jetzt alle in diese Richtung gestellt sind, aber Erleichterung darf sich endgültig erst breit machen, wenn die Geiseln wohl behalten im deutschen Flugzeug sitzen und auf dem Weg in die Heimat sind. Bis dahin kann, wie auch Ihr Korrespondent berichtete, immer noch etwas schief gehen und deshalb sollte man nicht zu früh in Jubel ausbrechen.
Simon: Nach dem was Sie wissen, sind es mehr technische Schwierigkeiten gewesen, oder gibt es wirklich noch große inhaltliche Probleme?
Volmer: Nein. Meines Wissens verhalten sich die Dinge so, wie sie gerade dargestellt wurden. Man muss sich vorstellen, dass Mali eben ein armer Wüstenstaat ist, in dem die Infrastruktur längst nicht so ausgebaut ist wie etwa in Mitteleuropa. Da kann es dann zu solchen Verzögerungen kommen, wie vorhin dargestellt wurde.
Simon: Aus Ihren Erfahrungen in den Verhandlungen mit den Geiselnehmern in Jolo, was ist jetzt die größte Gefahr?
Volmer: Dass wie gerade auch schon berichtet wurde zwar die Geiseln aus der Hand der Entführer entkommen sind, dass diese aber vielleicht noch die Möglichkeit haben, doch wieder Einfluss zu nehmen auf den Prozess, weil einfach der zweite Schritt, nämlich sie von den Vermittlern nun weiterzuleiten an die deutschen Behörden, an unser Empfangskomitee, möchte ich mal sagen, nicht funktioniert. Aber im Moment gibt es keine konkreten Hinweise darauf, dass die Entführer noch mal versuchen, Einfluss zu nehmen.
Simon: Mitte Mai waren ja bereits einige Geiseln gewaltsam vom algerischen Militär befreit worden. Im Anschluss daran hatten einige der früheren Geiseln ihre Geschichte an die Medien verkauft. Wie sehr hat das denjenigen geschadet, die heute noch in Geiselhaft sind?
Volmer: Man muss verstehen, dass diejenigen, die damals befreit wurden, ihren Gefühlen Luft machen wollten und auch das Bedürfnis hatten, darüber der Öffentlichkeit Mitteilung zu machen. Auf der anderen Seite wurde dadurch verhindert, dass auf dem gleichen Wege auch die anderen Geiseln befreit wurden, denn die Entführer haben all das, was in den europäischen Medien darüber kommentiert wurde, natürlich auch mitbekommen. Die Welt ist ein globales Dorf und wenn in deutschen Medien etwas berichtet wird, dann weiß man das einen Tag später in jedem Winkel der Sahara. Deshalb waren die Geiselnehmer gewarnt. Damit war auch der Weg, den die algerische Regierung bis dahin erfolgreich eingeschlagen hatte, für die zweite Hälfte der Geiseln verbaut. Wenn man hier und da Kritik hört an mangelnder Kooperation der algerischen Seite - das habe ich zumindest in manchen Kommentaren gestern und heute gehört - so finde ich dies völlig unberechtigt. Die Algerier haben eine sehr positive Rolle gespielt. Nur war der Weg, der in Algerien möglich erschien, nämlich über den Zugriff des Militärs die Geiseln zu befreien, verbaut, nachdem der erste Akt eben nicht hatte geheim gehalten werden können.
Simon: Die Bundesregierung hat jetzt in Mali klargestellt, dass sie kein Lösegeld bezahlen will, um keine Nachahmer zu ermutigen. Wenn jetzt Mali das Lösegeld bezahlt und Berlin diesem bitterarmen Staat die Summe als Entwicklungshilfe nachreicht, dann ist das aber doch eigentlich auch nur Kosmetik?
Volmer: Über Geld reden wir eigentlich nicht. Das war auch bei der Jolo-Entführung so. Die Bundesregierung zahlt kein Lösegeld und wenn sie es tun würde, würde sie es nie zugeben. Das wäre auch richtig so. Auf der einen Seite muss man auf die Forderungen von Entführern teilweise eingehen, weil man sonst die Geiseln nicht bekommt, und das wichtigste bei einer Geiselnahme ist aus unserer Sicht immer der Schutz der Geiseln gewesen. Auf der anderen Seite darf man nicht so weit entgegenkommen, dass vielleicht Nachahmer ermutigt werden und sich so was wie ein regelrechter Markt für Geiseln entwickelt, wie wir es aus anderen Ländern, etwa aus Kolumbien kennen. Dazwischen muss ein Weg gefunden werden. Das verlangt sehr viel Geschick und es verlangt vor allen Dingen internationale Kooperation. Deshalb dürfen wir den Regierungen von Algerien und jetzt insbesondere auch von Mali sehr dankbar dafür sein, dass sie so konstruktiv sich verhalten haben.
Simon: Wie sieht das eigentlich auf der parlamentarischen Ebene aus? Auch wenn Sie sagen, die Geiseln gehen vor, über Geld redet man nicht, wir sind ja ein demokratischer Staat, wir haben keinen Reptilienfonds für so etwas. Ist das Parlament zu aller Zeit über den Fortgang der Verhandlungen mit den Geiselnehmern informiert gewesen?
Volmer: Ja. Es gab regelmäßige Unterrichtungen durch die Bundesregierung, insbesondere an die Obleute des auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses. In dem Sinne waren wir immer auf dem Laufenden und die Bundesregierung konnte auch sicher sein, dass sie für ihre Aktivitäten die Zustimmung des Parlamentes hat. Die politisch auswertende Diskussion werden wir führen in den Ausschüssen, wenn die Dinge zum guten Ende gebracht worden sind.
Simon: Wird Mali - das ist ja, wie in dem Bericht erwähnt, eines der zehn ärmsten Länder der Welt und jetzt schon stark von Deutschland unterstützt - wenn alles gut ausgeht, von Deutschland ähnlich bevorzugt behandelt werden, wie es zum Beispiel auch viele Jahre nach Mogadischu 1977 für Somalia der Fall war?
Volmer: Wir haben sehr gute Kontakte zu zahlreichen Staaten der sogenannten "Dritten Welt" Afrikas. Diese sind uns sehr gewogen aufgrund unserer internationalen Politik, aufgrund unseres Agierens bei regionalen Konflikten. Auf dieser gewachsenen Basis von Vertrauen, Freundschaft und Kooperation kann so verfahren werden, wie dies nun getan worden ist. Wir wissen natürlich zu schätzen, wenn einzelne Länder in zugespitzten Situationen unsere Interessen mit vertreten, sich auf unsere Seite stellen. Wir vergessen unsere Freunde nicht!
Simon: Das heißt es wird nicht zum Nachteil von Mali und Algerien sein, dass sie zur Zusammenarbeit jeder Zeit bereit waren?
Volmer: Nein, denn man muss solche Ereignisse dann auch nutzen, um die Beziehungen weiter auszubauen, zu vertiefen. Das sind ja auch Dinge, die weiter Vertrauen schaffen, und wir haben ja ein Interesse daran, zu möglichst vielen Ländern der Welt enge Beziehungen zu haben, um nicht nur in solchen Krisensituationen zu kooperieren, sondern auch bei all den Fragen, die ansonsten anstehen und wo internationale Kooperation nötig ist.
Simon: Herr Volmer, mit Rückblick auf Jolo, jetzt geht es vor allem darum, die Geiseln nach Hause zu holen. Sie werden garantiert betreut werden müssen. Gibt es eigentlich für die Geiseln, wenn sie einmal zurück sind, in der Form ein etwas unangenehmes Erwachen, dass der Staat von ihnen eine Beteiligung an den entstandenen Kosten verlangt?
Volmer: Auch diese Diskussion gab es damals. Es wurde damals eine Rechnung gestellt. Das war notwendig, weil der Staat aufgrund des Konsulargesetzes zwar Hilfe für Deutsche im Ausland leisten muss und natürlich auch gerne leistet. Auf der anderen Seite sind das keine Leistungen, die dem Steuerzahler, also der Staatskasse insgesamt in Rechnung gestellt werden können. Die Entführten leisten einen gewissen Eigenbeitrag. Im Falle Jolo war das aber damals so dimensioniert, dass das für die betroffene Familie gut zu verkraften war und bestimmte Kosten wären der Staatskasse ohnehin angefallen. Die hat man dann natürlich nicht extra noch in Rechnung gestellt.
Simon: Das war Ludger Volmer, der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. - Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Volmer!
Link: Interview als RealAudio