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Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr
Nach dem Abi in die Forschung

Nach dem Abitur stellt sich meist die Frage: Was nun? Manche Hochschulen bieten die Möglichkeit, sich schon vor dem Studium im akademischen Betrieb zu orientieren. So können sich Abiturienten in Oldenburg im Rahmen eines Freiwilligen Wissenschaftlichen Jahres an Forschungsprojekten beteiligen.

Von Felicitas Boeselager | 12.03.2019
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Was tun nach dem Abitur? Studieren oder reisen? Einige Hochschulen bieten ein Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr, das Abiturienten Einblicke in die wissenschaftliche Praxis ermöglicht (imago / Westend61)
Seit einem halben Jahr macht Charlotta Struncius ein Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr an der Universität Oldenburg. Die 19-Jährige arbeitet zusammen mit einem Master-Studenten selbstständig an einem Forschungsprojekt. Sie entwickeln ein technisches Testsystem, das die Mobilität im Alter beobachten soll. So ein System könnte Senioren dann sagen: Jetzt müssen sie mehr spazieren gehen, oder gehen sie zum Arzt. Charlotta betreut Testpersonen:
"Ich bin dafür zuständig, Termine mit ihnen auszumachen. Und am Anfang war ich auch dafür zuständig, sie zu rekrutieren. Nebenbei helfe ich bei der Auswertung der Tests. Das ist viel Arbeit mit Excel, Tabellen zu erstellen, Mittelwerte zu berechnen und sie dann in Grafiken umzuwandeln."
Nachwuchs für Forschung und Wissenschaft begeistern
Charlotta ist eine von neun Freiwilligen an der Universität Oldenburg. Das Freiwillige Wissenschaftliche Jahr gibt es hier seit 2015. Das Vorbild war die Hochschule Hannover, die so ein Programm schon seit 2011 anbietet, sagt Nadine Brandt, Koordinatorin des FWJs in Oldenburg:
"Also das FWJ ist ein selbstgemachter Begriff. Es gibt das FWJ als solches nicht. Es gibt das FÖJ, das Ökologische Jahr und das FSJ - das ist das soziale Jahr. Wir sind ein Bundesfreiwilligendienst und benennen das einfach Freiwilliges Wissenschaftliches Jahr."
Ähnliche Angebote gibt es außer in Hannover noch in Hamburg und Aachen. Ziel dieses Jahres sei es, Nachwuchs für die Forschung und die Wissenschaft zu begeistern.
Charlotta steht vor einer zimmergroßen Holzbox. Hier können die Senioren selbstständig ihre Fitness testen. Dafür müssen sie in bestimmt Zeitabständen von einem Stuhl aufstehen und ein paar Meter hin und her gehen. Anleitung gibt ein kleines Tablet, aber ganz ohne persönliche Betreuung geht es nicht. Charlotta übernimmt die Aufgabe. Nach dem Abi wollte sie nicht sofort anfangen zu studieren und ist für das FWJ von München nach Oldenburg gezogen:
"Viele von meinen Freundinnen haben jetzt auch ein Jahr gar nichts gemacht, oder sind gereist. Ich wollte gern was machen, was für mich auch einen Mehrwert hat. Und ich hab mich in der Schule immer schon für Naturwissenschaften interessiert und wollte auch danach etwas naturwissenschaftliches studieren, war mir aber noch nicht genau sicher, in welche Richtung es gehen sollte. Da fand ich es einfach super, dass man in diesen wissenschaftlichen Alltag reingucken kann."
"Erwartungen übertroffen"
Vorher habe sie sich nicht richtig vorstellen können, was alles zu wissenschaftlicher Arbeit dazugehört. Bereut hat sie diese Entscheidung nicht:
"Also bis jetzt haben sich meine Erwartungen auf jeden Fall übertroffen, weil ich mir am Anfang nur schwer vorstellen konnte, was ich konkret mache. Aber ich war darum auch total offen für alles. Auch die Arbeit mit den Probanden hier macht mir sehr viel Spaß. Man hilft wirklich auch mit, die Arbeit zu leisten, die Studien auszuwerten."
Die Universität sorgt für einen Excel-Kurs, an dem Charlotte teilnehmen kann. Zu einem FWJ in Oldenburg gehören auch sogenannte Bildungstage, bei denen die Freiwilligen zur Studienberatung gehen, sich über die Finanzierung ihres Studiums informieren oder sich als Gasthörer in Vorlesungen setzen können, um ein bisschen Studiums-Luft zu schnuppern:
"Wir lernen auch einzelne Studiengänge intensiver kennen, besuchen zum Beispiel das klinische Trainingszentrum der Mediziner hier im März. Aber auch Themen wie gute wissenschaftliche Praxis, aber auch wissenschaftliches Arbeiten an sich, wissenschaftliches Schreiben, Ethik in der Wissenschaft - das ist auch immer etwas, mit dem wir uns beschäftigen", sagt Nadine Brandt.
Alle Seiten profitieren
Es habe auch für die Uni Vorteile, das Freiwillige Wissenschaftliche Jahr anzubieten:
"Da profitieren alle Seiten: die Freiwilligen, weil sie einen tieferen Einblick bekommen, die Arbeitsgruppen, indem sie Arbeitskräfte zusätzlich natürlich auch bekommen. Die müssen sie natürlich intensiver anleiten, als jemanden, der schon Berufserfahrung mitbringt. Aber sie haben einen, der ein Jahr kontinuierlich gute Arbeit leisten kann und dann zum Gelingen der Studie auch beiträgt."
400 Euro bekommen die Freiwilligen für ihren Dienst, zusätzlich können sie Wohngeld beantragen. Wenn das Jahr vorbei ist, will Charlotta Pharmazie studieren. Ob sie am Ende tatsächlich Wissenschaftlerin werden will, weiß sie noch nicht. Ausschließen kann sie es aber auch nicht.