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Fricke: Finger von den Banken lassen

Als Konsequenz aus der Krise der Mittelstandsbank IKB hat der FDP-Politiker Otto Fricke einen Rückzug der Politik aus dem Bankwesen gefordert. "Politik sollte die Finger von den Banken lassen", sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Bundestag. Er kritisierte, anstatt sich auf ihr Kernportfolio der Mittelstandsförderung zu konzentrieren, habe sich die IKB in den hoch riskanten Bereich der Verbriefung begeben.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Es geht um schwindelerregende Summen, insgesamt um Milliarden Euro, die bei der deutschen Industriebank IKB schon verbrannt worden sind. Offiziell ist die IKB eine Privatbank, aber fast 40 Prozent gehören der staatlichen KFW-Bank. Die halbstaatliche Tochter IKB wird dank ihrer Eskapaden im US-Immobiliengeschäft für die Allgemeinheit wohl ziemlich kostspielig werden. Gestern wurde ein Rettungspaket geschnürt in Berlin unter Leitung der beiden Minister Michael Glos von der CSU und Peer Steinbrück (SPD), also vom Wirtschaftsminister und Finanzminister.

    Ich höre gerade, dass wir den Beitrag nicht vorliegen haben. Deswegen gebe ich direkt an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses weiter, Otto Fricke, Bundestagsabgeordneter von der FDP. Guten Morgen, Herr Fricke!

    Otto Fricke: Einen schönen guten Morgen, Herr Meurer!

    Meurer: Haben Sie schon eine Schätzung, wie viel die Abenteuer der IKB den Staat, uns Steuerzahler, am Ende insgesamt kosten werden?

    Fricke: Am Ende weiß man es nicht genau, aber es werden schlichtweg Milliardenbeträge sein. Es ist bisher die IKB ungefähr mit sechs Milliarden unterstützt worden. Diese sechs Milliarden sind jetzt irgendwo und nicht mehr da, wo sie eigentlich sein sollten, sprich bei der KFW, einer Bank, die letztlich dem Staat vollständig gehört, und sie sind auch nicht mehr beim Steuerzahler.

    Meurer: Also das wären dann sechs Milliarden plus die eine von gestern, sieben Milliarden insgesamt?

    Fricke: Wenn es diese eine gibt? Ich will da direkt warnen. Wir haben jetzt Nachrichten, dass man hier eine Lösung gefunden hat. Bei uns im Rheinland sagt man, wir sind noch nicht an Schmitz Backes vorbei, oder um es klar zu sagen: die Kuh ist noch nicht vom Eis. Aber es wären dann sieben. Nur ob diese siebte Milliarde jetzt auch noch dazu kommt, da bin ich immer etwas vorsichtig, ob das klar geht.

    Meurer: Wie soll denn die Lösung alternativ zu der einen Milliarde aussehen?

    Fricke: Da bin ich im Moment auch überfragt. Ich glaube, dass sich gegenwärtig die Bundesregierung eher in eine Sackgasse bewegt und vor allen Dingen jetzt davon abhängig macht, was die privaten Banken an der Stelle sagen. Ich glaube, dass die Bundesregierung, was die Finanzierung angeht, allerdings im Moment überlegt, wie sie eventuelle Privatisierungserlöse, die sie für die nächsten Jahre geplant hat, jetzt still und heimlich dann nicht realisieren wird und sagen wird, es sei ja alles gar nicht so schlimm.

    Meurer: Verstehe ich Sie jetzt richtig? Es läuft doch auf die Option hinaus, dass man mittels Post-Aktien versucht, der IKB zu helfen?

    Fricke: Das ist eine der Möglichkeiten. Auch die Frage, wie ich mit den Post-Aktien umgehe, ob ich irgendwo an anderer Stelle andere Verbriefungsformen finde. Ich glaube, da wird im Moment die Kreativabteilung des Finanzministeriums und der KFW besonders aktiv tätig. Ich lasse mich da überraschen. Der Finanzminister wird auch nächste Woche in den Haushaltsausschuss kommen und dort Rede und Antwort stehen. Da werden wir sicherlich Genaueres haben. Das jetzt sind sicherlich auch immer gefährliche Schnellschüsse.

    Meurer: Was bleibt dem Finanzminister, was bleibt den anderen, die mit diesem Fall beschäftigt sind, denn übrig, als kreativ zu werden?

    Fricke: Als erstes glaube ich - und das ist der typische Fehler von Politik -, man guckt immer nur, jetzt ist die Karre im Dreck, und man sucht jetzt wie immer nach Schuldigen. Meine Devise ist: Suche nicht nach den Schuldigen, sondern löse das Problem. Man muss mal analysieren, wie konnte man überhaupt dort reinfallen? Wann haben wir die falsche Entscheidung getroffen, dass die Politik überhaupt dem Steuerzahler jetzt hier dieses möglicherweise abverlangt? Das war 2001, als wieder mal die Politik meinte, sie müsste ins Bankenwesen gehen. Das ist für mich die Haupt-Message, die sich auch ein Finanzminister genau anhören sollte: Politik sollte die Finger von den Banken lassen.

    Meurer: Auf der anderen Seite hört man oft, dass der Mittelstand sonst keine Kredite oder jedenfalls nicht in dem Maße Kredite bekäme, wie er das braucht für seine Geschäfte.

    Fricke: Das Bemerkenswerte daran ist ja: Die IKB hatte eigentlich als Kern-Portfolio die Mittelstandsförderung, hat aber dann unter Eigentümerschaft des Bundes über die KFW sich auf diesen, sagen wir es mal so, hoch risikoreichen Bereich der Verbriefung begeben und sich gar nicht mehr so sehr um das Kerngeschäft gekümmert. Und der Behauptung, dass der Mittelstand da nichts kriegt, dem würden die Sparkassen widersprechen, dem würden die Genossenschaftsbanken widersprechen, und dem würde die KFW selbst - also die Mutter der IKB - ja auch widersprechen, die auch in der Mittelstandsfinanzierung ist. Nur die Frage der Mittelstandsfinanzierung kann ich nicht davon abhängig machen, mich deswegen als Staat in eine Privatbank zu begeben. Und warum hat es der Staat denn gemacht? Weil damals 2001 Rot-Grüne der Ansicht war - übrigens die CDU in großen Teilen auch -, man dürfe diesen Bankanteil, den Allianz und Münchener Rück hatten, nicht an die Ausländer verkaufen.

    Meurer: Nun sitzen aber auch liberale Politiker in Verwaltungsräten - zum Beispiel von der KFW. Da hat die FDP offenbar nicht auf die Bremse getreten?

    Fricke: Doch, aber Sie wissen, dass es auch im Verwaltungsrat ein Mehrheitsprinzip gibt. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wie es da ausgegangen ist, denn diese Gremien sind geheim. Aber Sie können davon ausgehen, dass unsere Vertreter im Verwaltungsrat diese Linie immer klar gefahren haben. Nur da muss man auch anerkennen: Demokratie heißt Mehrheit, auch in einem Verwaltungsrat der KFW.

    Meurer: Es gibt heftige Vorwürfe gegen die Vorstandsvorsitzende der KFW-Bank, Ingrid Matthäus-Maier. Schließen Sie sich dem Chor derjenigen an, Herr Fricke, die sagen sie soll zurücktreten?

    Fricke: Das ist mir zu einfach. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich habe immer schon - auch früher, als ich noch nicht Abgeordneter war - es immer für lächerlich gefunden, wenn einem Politiker nichts anderes einfällt, als wieder irgendeinen Rücktritt zu fordern. Erstmal Analyse: Was ist passiert? Wie verhindere ich, dass das wiederkommt? Und wenn ich all das genau weiß, dann sieht man, wer welche Verantwortung übernommen hat. Im Übrigen würde die Funktion doch so sein: Dann tritt jemand zurück, dann sagt man, jetzt haben wir das Problem gelöst. Letzter Punkt dazu: Die Diskussion ist auch ein bisschen bigott. Auf der einen Seite wird jetzt von vielen - übrigens dann gerade bemerkenswert auch von den großen Streitpartnern der Großen Koalition, von der CDU - gefordert, Frau Matthäus-Maier müsse zurücktreten. In Bayern, wo die Landesbank 1,3 Milliarden Miese gemacht hat, fordert nun dieselbe SPD wiederum von dem dortigen Finanzminister, er müsse zurücktreten. Daran kann man auch sehen: Diese Rücktritte bringen nichts. Man muss analysieren, und nochmals, man muss klar machen lieber Bürger siehst du, wenn Politik bei Banken dabei ist, kommt für dich nichts Gutes dabei herum.

    Meurer: Ein diskutierter Fall ist auch, dass im Aufsichtsrat der IKB auch Personen aus dem Bundesfinanzministerium saßen oder sitzen - der Abteilungsleiter für die Bankenaufsicht. Kann es eigentlich einen besseren Aufpasser geben?

    Fricke: In der Theorie oder in der Praxis?, wäre jetzt meine Rückfrage gewesen, aber das ist genau die Schwierigkeit. Wir haben ein Problem im Aufsichtswesen und wir haben ein Problem im Verhältnis immer wieder zwischen den aktiv Handelnden und denen, die sie im Unternehmen kontrollieren. Scheinbar hat die Kontrolle hier nicht richtig funktioniert. Und es ist ja dann auch noch so, dass Leute, die vorher bei der KFW waren, in den Vorstand der IKB gegangen sind. Auch da hat es ja dann nicht richtig funktioniert. Und nachher dann zu sagen, das hätte man alles nicht gewusst, zeigt nur, wie schlecht das System war und wirft auf die beteiligten Personen natürlich einen schlechten Blick. Nur es nützt nichts, dann zu sagen, jetzt müssen die weg, und dann hat man das Problem gelöst.

    Meurer: Eine Frage wäre, ob private Aufsichtsräte wirklich besser sind. Es gibt einige Beispiele, wo ehemalige Vorstandsvorsitzende in den Aufsichtsrat wechseln und man dann doch eigentlich ziemlich Hand in Hand arbeitet und von Aufsicht nur bedingt die Rede sein kann.

    Fricke: Da haben Sie vollkommen Recht, und deswegen sind wir auch immer wieder der Ansicht gewesen, dass es ein vollkommener Fehler ist, wenn der, der vorher operativ ein Geschäft geführt hat - nicht nur bei Banken, auch bei anderen Unternehmen -, dann in den Aufsichtsrat wechselt, um dann bloß dafür zu sorgen, dass all das, was er vorher gemacht hat, nicht kritisiert wird, nicht in die falsche Richtung gezogen wird, Fehler nicht aufgedeckt werden. Hier muss es nach meiner Meinung eine klare Frist geben, die Interessenkollisionen verhindert. Wir Menschen tendieren halt immer dazu, dass wir das, was wir vorher gemacht haben, je weiter wir davon entfernt sind, immer mehr für richtig halten. Da muss man eine klare Trennung vornehmen.

    Meurer: Sie kritisieren, Herr Fricke, um darauf noch mal ganz kurz zurückzukommen, dass die IKB halb staatlich ist. Kritisieren Sie auch, dass die KFW staatlich ist?

    Fricke: Es gibt bestimmte Aufgaben, die kann der Staat nur mittels einer Bank lösen. Das ist unumstritten. Es gibt auch bestimmte Dinge, da muss der Staat sich auch im Bankensektor darum kümmern. Aber wir führen ja gar keine Diskussion, wie viel KFW brauchen wir? Was von der KFW ist wirklich notwendig, um zwingende staatliche Aufgaben - auch der Daseinsvorsorge - zu erledigen? Der Rest, den sollte man da raushalten. Wir haben doch die Sparkassen, wir haben doch die Genossenschaftsbanken, wir haben doch die Privatbanken. Es gibt da genügend Banken, denen man da auch den Freiraum lassen sollte. Die Banken, alle beklagen sich ja auch darüber, dass der Staat ihnen an vielen Stellen dann, in Anführungszeichen, "den Markt wegnimmt".

    Meurer: Otto Fricke, der Vorsitzende des Haushaltsausschusses und FDP-Bundestagsabgeordnete. Herr Fricke, besten Dank und auf Wiederhören,

    Fricke: Ich danke, schönen Tag.