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Fricke: GM spielt Spielchen mit Opel

Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestags, Otto Fricke, hat die Haltung von General Motors gegenüber Opel kritisiert. Die Verantwortlichen bei GM wüssten, dass sie bei der Entscheidung über die Zukunft des Autobauers am längeren Hebel säßen, sagte der FDP-Politiker.

Otto Fricke im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Rätselraten über die Motive von General Motors beherrschte diese Tage. Was will der US-Autokonzern? Will er Opel doch behalten, spielt er auf Zeit, hofft er auf eine andere Bundesregierung, die weniger auf eine bestimmte Lösung drängt? Die Gerüchte erhalten heute Morgen neue Nahrung. General Motors will sich offenbar nun doch nicht von Opel trennen. Nach Informationen des "Wall Street Journal" versucht GM, einen Finanzierungsplan zu entwerfen, um die Kontrolle über das deutsche Unternehmen zu behalten.

    Otto Fricke ist Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und ihn habe ich vor etwa einer Stunde gefragt, wie er diese Neuigkeiten einordnet.

    Otto Fricke: Es wird wohl weiter in Amerika in bestimmten Unternehmen gezockt, vor allen Dingen nachdem selbst dort man eigentlich nur noch überlebt hat, indem der Steuerzahler geholfen hat. Es ist eine fast schon grausame Geschichte, was da im Moment bei Opel passiert, aber da sieht man eben, was passiert, wenn Politik von allen Seiten mit den falschen Daumenschrauben gegenüber Wirtschaft reagiert.

    Klein: Was heißt denn das jetzt, wenn GM Opel behalten will?

    Fricke: Für mich heißt das erst einmal, dass es leider der Bundesregierung nicht gelungen ist, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Vereinbarungen zu treffen und so klare Vereinbarungen zu treffen, dass General Motors den Verpflichtungen, die General Motors noch eingehen wollte, als es wirklich schlecht um General Motors stand, eingeht. Das zweite ist für mich, dass ich natürlich immer am Ende sehen muss, wer wird das Ganze bezahlen. Das ist für den Haushaltsausschussvorsitzenden halt immer der erste Gedanke und das sieht im Moment so aus, als wären die 1,5 Milliarden, die der Steuerzahler gegeben hat, im Endeffekt nur so eine Art Zwischenhilfe für General Motors gewesen, bloß nicht auf den wertvollen Hersteller Opel zu verzichten.

    Klein: Rechnen Sie denn damit, dass jetzt die Pläne, die Magna und auch der Finanzinvestor Ripplewood vorgelegt haben, obsolet sind, oder bleiben die auf dem Tisch?

    Fricke: Nein, die werden mit Sicherheit auf dem Tisch bleiben. Ich glaube, man hat in den letzten Tagen auch vergessen, dass das, was wir immer so schön in Neudeutsch als "Memorandum of Understanding" hören, nie geheißen hat, nur noch einer ist jetzt im Spiel. Es kann auch sein, dass noch Dritte wieder kommen, es kann auch sein, dass Opel sogar noch auf eine Reaktivierung möglicherweise von Fiat hofft und dass General Motors vielleicht das sogar gerne hätte.

    Im Moment, glaube ich, geht das Spiel ungefähr so: General Motors sieht, dass es nach den Milliarden-Spritzen des amerikanischen Steuerzahlers überlegen muss, welche Märkte es sich in Zukunft erhalten will, und dass Opel immer noch eine Perle ist, kann man auch sehen. Das ist übrigens, finde ich, für die Opelaner die wichtige Nachricht. Wäre Opel wirklich das angeblich so defizitäre Unternehmen, wie es in den letzten Wochen und Monaten dargestellt worden ist, das dringend an einen anderen Investor mit Hilfe des Steuerzahlers verkauft werden müsste, dann würde nach meiner Meinung General Motors ja schon längst sagen, weg damit, schnell und mit Schrecken, Hauptsache wir kriegen es irgendwie weg.

    Klein: Was hieße denn, Herr Fricke, wenn sich diese Nachrichten des heutigen Morgens bestätigen, das heißt, wenn GM Opel behalten wird? Was hieße das für die Standorte, ich sage jetzt mal zunächst in Deutschland und auch für die Arbeitsplätze?

    Fricke: Jetzt kommt leider der Essig, der bei der ganzen Sache auch dabei ist. Das kann man eben im Moment noch gar nicht sagen. Warum überlegt sich General Motors das? - Ich habe in langen Jahren lernen müssen, dass die meisten, die sich an solchen Spielchen beteiligen, immer auf das Ende gucken und ich glaube, General Motors hat für sich einfach gesehen, notfalls kann ich ja Opel auch noch in die Insolvenz gehen lassen, wenn ich mich querstelle und wenn mir keiner mehr hilft, aber das wird die deutsche Regierung ja vor der Wahl schon machen, hat sie ja vermeintlich auch schon dadurch getan, dass sie eigentlich nur noch sich auf einen fälschlicherweise festgelegt hat. Und wenn das eben nicht der Fall ist, gibt es eine Insolvenz, dann wird es bei Opel große Umarbeiten geben und nach der Insolvenz kommen wir dann wieder als General Motors ins Spiel und gucken uns an, was wir dann weiter machen können. - Das ist noch nicht klar.

    General Motors weiß, dass es am langen Hebel sitzt, und wird versuchen, das auszunutzen. Das bedeutet aber dann auch für den Außenminister und die Bundeskanzlerin, dass sie hier gegenüber den Vereinigten Staaten auch mal klar machen müssen, ob denn jetzt das ganze Spielchen mit Hilfe des amerikanischen Steuerzahlers auf Kosten des deutschen Opel-Mitarbeiters erfolgen soll.

    Klein: Haben Sie denn den Eindruck, dass der Druck, wenn man das so sagen kann, der von deutscher Regierungsseite ein bisschen auf Washington, auf Detroit ausgeübt worden ist, zu schwach war, oder im Gegenteil zu stark, so dass GM, zumindest der Verwaltungsrat dort jetzt sagt, wir lassen uns hier nicht unter Druck setzen und schauen noch mal, welche Optionen es auch gäbe für uns?

    Fricke: Ich glaube, es ist eher so: Wenn sich Politik wie eben jetzt auch wieder im Fall Opel auf das Parkett der Wirtschaft begibt, mit Steuerzahlergeld, mit bisher 1,5 Milliarden und dann eben nach dem Wunsch der Bundesregierung mit weiteren 4,5 Milliarden statt möglicherweise - das kann ich nicht beurteilen; dafür kenne ich die Verträge nicht genau - mit einem anderen Investor möglicherweise eine Milliarde oder sogar mehr als einer Milliarde weniger ins Soll zu gehen, dann weiß der vermeintliche Vertragsgegenüber - ich sage nicht Vertragspartner -, dass er ein Vertragsgegenüber hat mit der Bundesrepublik Deutschland, der sehr inflexibel ist, der sich schon festgelegt hat, der schon am Fliegenfänger hängt. Und dann sucht möglicherweise General Motors in dem Falle einfach nur nach Gründen, warum man verzögern kann. Das wird, so höre ich, damit begründet, dass die Bundesregierung wohl nicht die Finanzierung darstellen konnte, wie sie sich darstellen würde, wenn man sich für Ripplewood entschieden hätte. Deswegen kann man wirklich nur sagen: Wer solche Verhandlungen durch einseitige Festlegung in eine Richtung zu drängen versucht, der wird eben das Ergebnis bekommen was er jetzt hat, nämlich dass an anderer Stelle, wenn dort wieder Luft zum Atmen ist, gespielt wird.

    Klein: Herr Fricke, das ist natürlich in gewisser Weise nachvollziehbar, dass Sie als Opposition die ganze Schuld jetzt bei der deutschen Regierung suchen. Wir haben schließlich Wahlkampf.

    Fricke: Nein, die ganze nicht. Das wäre auch falsch. Das muss man ganz klar sagen, um das auch direkt klar darzustellen. Da ist jede Regierung immer mit Schwierigkeiten verhaftet, weil sie natürlich auch gleichzeitig die Interessen der Arbeitnehmer im Hintergrund hat, denn das ist ja dann die Kernfrage, die jede Regierung auch hat: Wie erhalte ich die hoch qualifizierten Arbeitsplätze? Aber dennoch: Ich muss dann gucken, was ich nach außen sage und was ich nach innen verhandle. Und wenn ich durch mein Reden nach außen versuche, mich darzustellen als der große Retter, muss ich halt auch nach innen in den Verhandlungen in Kauf nehmen, dass ich mich schwäche.

    Klein: Herr Fricke, nun wird es ja ganz spannend, denn wir haben noch gut vier Wochen die im Augenblick amtierende Bundesregierung am Drücker. Dann haben wir Bundestagswahlen und dann vielleicht einen Regierungswechsel, und es gibt ja Leute die sagen, möglicherweise spielt GM auch auf Zeit, spielt darauf, dass eine andere Bundesregierung ins Amt kommen wird, die dann nicht so stark sich zum Beispiel jetzt für Magna einsetzen wird. Was wird die FDP machen, wenn sie - und das möchten sie ja gerne mit der Union - regieren, mit Blick auf GM und Opel?

    Fricke: Es gibt zwei Grundsätze nach meiner Meinung in dem Fall Opel. Der erste Grundsatz ist, so viele Arbeitsplätze wie möglich mit so wenigen finanziellen Mitteln wie möglich zu retten. Und zweitens bei der Frage, wer denn dann derjenige ist, der hier den Zuschlag kriegt, nach Berücksichtigung der Frage, wo erhalte ich möglichst viele Arbeitsplätze, dann zu sehen, wie mit möglichst wenig Steuerzahlergeld eben diese Verhandlungen dann geführt werden können. Dabei muss es völlig egal sein, ob derjenige, der hier investieren will, aus Österreich, aus Belgien, aus den USA oder aus Russland kommt.

    Klein: Das heißt, eine FDP, sollte sie an die Regierung kommen, wird sich nicht mehr stark machen für den Investor Magna, sondern GM freie Hand lassen, auch den Finanzinvestor Ripplewood ins Boot zu holen oder noch gänzlich andere Pläne mit Opel zu verfolgen?

    Fricke: Nein, auf gar keinen Fall General Motors freie Hand lassen. Ich glaube, das zeigt die gegenwärtige Taktik, die GM fährt. Die Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland kann es doch nicht sein, General Motors zu helfen. Die Aufgabe noch mal muss es sein, den Arbeitnehmern zu helfen, die die Arbeitsplätze haben, und dem Steuerzahler gleichzeitig klar zu machen, dass man nicht mit seinem Geld spielt. Und wer dann das Ergebnis ist, das ist eine Sachfrage, dass nicht die Politik sagt, ich weiß, wer der bessere Investor ist. Und was auf jeden Fall nicht passiert - das ist für mich die größte Unsicherheit -, gibt es im Fall Magna irgendwelche sonstigen Absprachen, von denen die Öffentlichkeit, von denen der Bundestag, von denen der Haushaltsausschuss nichts weiß, und wenn ja, dann möchte ich die gerne wissen. Für mich bleibt es weiterhin dabei: Bei alldem, was man mit dem Steuerzahlergeld macht, muss wirtschaftliche Vernunft immer im Hinterkopf sein, aber nicht, um irgendeinem Investor zu helfen.

    Klein: Sie sagen jetzt, so wie die Bundesregierung sich verhalten hat, das war nicht richtig. Auf der anderen Seite sagen Sie, man darf GM auch nicht freie Hand lassen. Welchen Spielraum sähen Sie denn für sich, in Regierungsverantwortung Einfluss zu nehmen bei GM, ohne die gleichen Fehler, wie Sie meinen, der jetzigen Bundesregierung zu übernehmen?

    Fricke: Indem ich erstens bestimmte Dinge ganz klar in den Vordergrund stelle, nämlich die Tatsache, dass ich nicht mich auf einen Investor festlege, indem ich zweitens auch klar mache, dass ich nicht sage, ich bin bereit, auf Ewigkeit hier mit weiteren Geldern zu helfen und noch eine Zwischenfinanzierung zu geben, und drittens natürlich auch, indem ich General Motors klar mache, wer denn im Zweifel derjenige ist, der zahlen muss, wenn sich zum Beispiel General Motors jetzt dafür entscheidet, den Laden zurückzuholen, und der letzte Punkt ist die Frage - und das wird allerdings ein sehr komplexes System werden -, ich muss natürlich auch aufpassen, dass nicht ein Unternehmen wie General Motors bei einer Insolvenz die Vorteile sich versprechen kann, wie sie es das im Moment tun kann. Das liegt aber daran, dass wir wirklich beim Insolvenzrecht, glaube ich, wirklich gucken müssen, dass wir weg kommen müssen von dem alten deutschen Gedanken "kaputt ist kaputt", hin zu dem Gedanken "Wie schaffe ich eine Fortführung, ohne dass diejenigen, die den Laden in die Krise geführt haben, auch noch mal die Finger darauf kriegen?".

    Klein: Wir werden die Entwicklung in den kommenden Wochen natürlich abwarten müssen. Tatsache ist, Herr Fricke: Morgen tagt der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, dessen Vorsitzender Sie sind. Deswegen würde ich ganz gerne zum Abschluss unseres Gespräches noch eine Frage zu einem Tagesordnungspunkt morgen stellen wollen. Die SPD verlangt von der Bundeskanzlerin Aufklärung über die genauen Umstände der Feier zum 60. Geburtstag von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, die vor mehr als einem Jahr im Kanzleramt stattgefunden hat. Welche Art der Aufklärung erwartet der Ausschuss morgen?

    Fricke: Ich finde es sehr bemerkenswert, wenn man sieht, mit was für Fällen sich der Ausschuss im Moment befassen muss und wie natürlich jetzt im Wahlkampf alles hoch kommt. Ich habe das selber bei der Causa Ulla Schmidt ja erlebt. Ich glaube, wir müssen an der Stelle erst mal immer die Fakten haben. Ist es wirklich eine Geburtstagsfeier gewesen, oder ist der Anlass gewesen, dass man sagt, ich nutze diesen Anlass, um an der Stelle Gespräche zu führen? Da muss ich erst mal sehen, was war denn jetzt der Fall. Und da habe ich bisher nicht die Informationen und ich sage mit aller Nüchternheit: erst mal die Fakten. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich dann da doch einiges aufklärt. Dann, glaube ich, sollte man genauso wie auch im Fall von Frau Schmidt, genauso in dem Fall der Gutachten von Herrn Guttenberg mit nüchterner Analyse herangehen und sagen okay, an welcher Stelle ist das etwas, was zu den Aufgaben eines Staates gehört, und an welcher Stelle ist das "der falsche Umgang mit Steuerzahlergeld".

    Klein: Der FDP-Politiker Otto Fricke. Er ist Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag.