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Fried: Kohl-Kritik an der Außenpolitik Merkels wird Fürsprecher finden

Auch wenn die Bundeskanzlerin nicht explizit genannt werde, die Kritik von Altkanzler Kohl richte sich deutlich gegen die Regierung und Angela Merkels außenpolitischen Kurs, sagt Nico Fried von der "Süddeutschen Zeitung".

Nico Fried im Gespräch mit Gerd Breker | 25.08.2011
    Friedbert Meurer: Dienstagabend haben sich CDU und CSU in Berlin zu einer Fraktionssondersitzung eingefunden. Die Kanzlerin erläuterte den Abgeordneten ihre Politik rund um den Euro. Das Thema ist in den eigenen Reihen hoch umstritten. Immer mehr Abgeordnete bekennen, wie groß ihre Bauchschmerzen angesichts immer neuer Kredite und Bürgschaften sind.
    Gestern erfuhren die Skeptiker prominenten Zuspruch: von Bundespräsident Christian Wulff und von Altbundeskanzler Helmut Kohl. Gerd Breker sprach gestern Abend mit Nico Fried von der Süddeutschen Zeitung unter anderem über die Kritik Kohls, weder nach außen noch nach innen bilde die deutsche Politik eine berechenbare Größe.

    Nico Fried: Ja, das war ein umfassendes Werk der Kritik, was da bekannt geworden ist, von Helmut Kohl. Es richtet sich sehr stark auch gegen die rot-grüne Regierung von Gerhard Schröder, die wird auch namentlich genannt und vor allem mit Fehlern beim Euro in Verbindung gebracht, aber es richtet sich schon auch erkennbar und deutlich, auch wenn Frau Merkel nicht genannt wird, gegen die jetzige Regierung und insbesondere da gegen ihren außenpolitischen Kurs.

    Gerd Breker: Tut ihr das weh?

    Fried: Das lässt sich noch nicht so ganz genau sagen. Man muss ja feststellen, dass die Kritik, die er äußert, was die aktuellen Fragen betrifft, die in der CDU und in der Unionsfraktion diskutiert werden und in der Koalition, also die konkrete Frage nach der Rettung des Euro, da verhält er sich eigentlich sehr allgemein. Er sagt, man muss solidarisch sein mit Griechenland, da gibt es keine andere Möglichkeit, aber das ist ja auch genau die Position, die die Kanzlerin vertritt. Insofern wird es schwierig sein für die Merkel-Skeptiker in der Union, Kohl an dieser Stelle für ihre Zwecke nutzbar zu machen.

    Etwas anderes ist es mit der Kritik an der außenpolitischen Orientierung dieser Regierung, zum Beispiel in der Libyen-Frage. Da gab es ja auch innerhalb der Union durchaus unterschiedliche Meinungen. Und da, glaube ich, wird diese Kritik, dass es eigentlich sehr schwer ist, eine Position dieser Bundesregierung und der Kanzlerin in der Außenpolitik festzumachen, da wird diese Kritik durchaus Fürsprecher und Verstärker erhalten.

    Breker: Ein weiterer überraschender Kritiker von Angela Merkel war Bundespräsident Christian Wulff. Auch er kritisiert die Politik in Sachen Finanzkrise. Ist da einer undankbar?

    Fried: Ja, man fragt sich schon ein bisschen. Es sind ja so ganz bestimmte Punkte, an denen Christian Wulff auf eine, wie ich finde, zwischen populär und populistisch changierende Art sich zu Wort meldet. Das war bei der Atomfrage schon so und das ist jetzt auch wieder in der Finanzfrage so. Er hat in seiner Kritik zwei Teile gehabt. Die eine war eine sehr technische Kritik an der Frage, ob die EZB Staatsanleihen aufkaufen soll. Da sagt er, das dürfte eigentlich nur vorübergehend sein und nur eine Zwischenlösung, und wenn man mal genau hinschaut, genau das ist es ja auch. Es soll ja, wenn die Beschlüsse des EU-Gipfels umgesetzt werden, durch den Rettungsfonds, den es schon gibt, diese Form der Intervention in die Märkte möglich gemacht werden. Insofern kritisiert er etwas, eine Übergangslösung, das ist so ein bisschen wohlfeil.

    Und der andere Teil bezog sich auf die Politik, die sich angeblich von den Banken und den Märkten am Nasenring durch die Manege führen lässt, und da muss ich sagen, das finde ich für einen Bundespräsidenten natürlich zulässig, aber für einen ehemaligen Ministerpräsidenten, der mit den Schwierigkeiten von operationaler Politik, wenn man es mal so technisch sagen möchte, durchaus vertraut ist, finde ich es auch ein bisschen billig.

    Breker: Das Krisenmanagement von Angela Merkel überzeugt nicht mal mehr die gesamte eigene Fraktion. Stehen wir da irgendwo an einem Punkt, wo man sagen kann, wir können von einer Merkel-Dämmerung reden?

    Fried: Ich glaube das nicht. Es ist ja ein interessanter Zufall, dass genau zehn Jahre eigentlich nach der Vertrauensfrage von Gerhard Schröder, die damals in Verbindung stand mit dem Afghanistan-Einsatz nach dem 11. September, jetzt eine Situation für Frau Merkel in der schwarz-gelben Koalition eintritt, in der es durchaus möglich ist, dass sie auch gezwungen ist, diese Machtfrage im Bundestag zu stellen. Aber die Erfahrung lehrt uns auch, dass in einem solchen Fall eben die Macht und der Erhalt der Regierung doch ein Wert ist für die allermeisten Abgeordneten, den sie höher einschätzen als ihr Gewissen. Wir werden da sehr intensive Wochen erleben jetzt bis Ende September, bis diese Abstimmung ansteht, aber ich würde heute den Tipp riskieren, dass Schwarz-Gelb - und das ist die entscheidende Frage - eine eigene Mehrheit bei dieser Abstimmung bekommt, was nicht heißt, dass Merkels Autorität und das Vertrauen darin, dass sie in dieser Krise die richtige Politik macht, in der Unionsfraktion und auch in der FDP durchaus angeschlagen ist.

    Meurer: Altbundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Christian Wulff melden sich mit Einlassungen zur deutschen Außen- und Europapolitik zu Wort und Gerd Breker hat darüber mit Nico Fried von der Süddeutschen Zeitung gesprochen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.