Stefan Heinlein: Frieden schaffen ohne Waffen, ein Slogan der Friedensbewegung in den 80er-Jahren. Nun hat auch ein US-Präsident diese Vision. Barack Obama will eine Welt ohne Atomwaffen. "Yes, we can!" Zusammen können wir das schaffen. Viel Jubel für seine Rede an diesem Wochenende vor der Prager Burg. Auch auf politischer Ebene bislang fast ausschließlich positive Reaktionen. Nur wenige warnen vor allzu großer Euphorie und dämpfen die Erwartungen an allzu rasche Abrüstungserfolge. - In Hamburg begrüße ich jetzt den Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Professor Michael Brzoska. Guten Morgen!
Michael Brzoska: Guten Morgen!
Heinlein: Haben Sie als Friedensforscher an diesem Wochenende dem US-Präsidenten heimlich Beifall geklatscht?
Brzoska: Ja! Ich habe ihm Beifall geklatscht, denn ich denke, dass dieser Schritt, den er angekündigt hat, nämlich dass die Vereinigten Staaten sich an die Spitze der Bemühungen setzen wollen, die Nuklearwaffen abzuschaffen, ein wichtiger Schritt ist. Natürlich ist damit überhaupt noch nicht gesichert, dass es erreicht werden kann, dass wirklich die Nuklearwaffen abgeschafft werden, aber es ist doch eine große Veränderung gegenüber den letzten Jahren, in denen die Vereinigten Staaten der wichtigste Bremser waren bei dem Versuch, die Nuklearwaffen abzuschaffen. Das ist ja kein neuer Traum, das ist ein Traum, der schon seit vielen Jahren besteht, der auch durchaus in den 80er-Jahren unter Präsident Ronald Reagan ja schon einmal relativ realistisch schien, und insofern habe ich ihm Beifall geklatscht.
Heinlein: Es ist noch ein weiter Weg. So habe ich Sie verstanden. Was muss denn konkret unternommen werden in den nächsten Jahren, damit man dieser Vision zumindest ein Stück weit näherkommt?
Brzoska: Die ersten Schritte hat Präsident Obama ja schon angekündigt. Die ersten Schritte müssen jetzt die Vereinigten Staaten tun. Es geht darum, das Porzellan, was in den letzten zehn Jahren vielleicht zerschlagen worden ist, wieder aufzusammeln und zu versuchen zu kitten. Das heißt, die Verträge müssen auf dem Tisch liegen, die Dinge, die eigentlich schon vereinbart waren, wirklich dann umzusetzen. Das ist das Teststopp-Abkommen, das unterzeichnet werden muss, das ist ein Vertrag über die Herstellung von spaltbarem Material, der ausgehandelt werden muss, und damit erst einmal wieder ein Stand erreicht werden kann, der wie gesagt vor einigen Jahren schon mal da war.
Dann müssten als nächster Schritt die Verhandlungen mit Russland wieder so weit gebracht werden, dass man wirklich davon sprechen kann, dass Abrüstung im Bereich der Nuklearwaffen und der nuklearen Trägersysteme erfolgt.
Und dann kommen wir zu den neuen Dingen. Da geht es darum, den Atomwaffensperrvertrag, der ja der wichtigste Vertrag in diesem Bereich ist, so zu erweitern, dass auch die Staaten, die momentan außerhalb dieses Vertrages stehen - das sind Indien, Pakistan und Israel -, mit einbezogen werden bei der Bemühung. Das wird schon sehr schwierig sein. Und dann die entscheidende, glaube ich, Hürde wird sein, Regelungen zu treffen, dass die zivile Nutzung der Kernenergie nicht dazu ausgenutzt werden kann, auch militärische Nuklearprogramme zu verfolgen.
Heinlein: Sie haben den zweiten Schritt mit Recht als sehr schwierig bezeichnet. Wie sollen denn Länder wie China, Indien, Pakistan oder eben auch Israel überzeugt werden, auf den atomaren Schutz zu verzichten?
Brzoska: Es ist ja momentan so, dass praktisch jedes Land, das Atomwaffen hat, dies damit begründet, dass es von einem anderen Land bedroht wird. Die Chinesen haben es ursprünglich damit begründet, dass sie von der Sowjetunion bedroht werden. Heute sagen sie, die Bedrohung kommt von den USA und Russland. Bei den Indern ist es so, dass sie sagen, das chinesische Atomprogramm bedroht uns, und für die Pakistanis ist das indische Atomprogramm eine große Bedrohung.
Insofern hat man so eine Art umgekehrte Kaskade. Das fängt von oben an und geht nach unten, was die Zahl der Atomwaffen betrifft, und die Hoffnung ist, wenn die USA wirklich in diesem Bereich die Führung übernehmen als die größte und wichtigste Macht in der Welt, dass das dann einen solchen Effekt hat, dass auch bei anderen Atommächten, die momentan an diesen Verhandlungen nicht teilnehmen, das Nachdenken darüber einsetzt, ob man nicht selber auch auf Atomwaffen verzichten könnte. Das ist natürlich nur ein Element. Ein anderes Element ist, dass man versucht, in den Regionen, um die es geht, also Südasien vor allen Dingen, Strukturen zu schaffen, die es den Staaten wirklich auch erlauben, auf Atomwaffen zu verzichten. Das sind in der Tat Dinge, die man nicht von heute auf morgen lösen kann, die zusammenhängen damit, dass man in den entsprechenden Regionen - Südasien, Mittlerer Osten - Sicherheitsregime schafft, die eben es erlauben, auf Atomwaffen zu verzichten.
Heinlein: Herr Brzoska, ist denn eine atomwaffenfreie Welt tatsächlich sicherer als eine Welt mit dem Gleichgewicht des Schreckens?
Brzoska: Ich denke schon, denn die Gefahren, die von den Atomwaffen ausgehen, sind so viel größer als die Gefahren, die von zivilen Waffen ausgehen, dass es, glaube ich, auch wenn man natürlich weiter sehen muss, dass eine Welt ohne Atomwaffen keine Welt ohne Kriege sein wird, nicht so ist, dass die Atomwaffen die einzigen Waffen sind und insofern es natürlich auch keine Welt ohne Waffen sein wird, aber eine Welt ohne Atomwaffen ist schon eine Welt, in der eine zumindest sehr große Bedrohung dann nicht mehr so gewichtig sein würde.
Heinlein: Also das alte Motto des Nuklearzeitalters, "Wer zuerst schießt, stirbt als Zweiter", das war nur eine Rechtfertigungsideologie?
Brzoska: Es ist schon ein wesentliches Element einer Ordnung gewesen, die gekennzeichnet war durch einen sehr großen Gegensatz, einen sehr scharfen politischen Gegensatz, in dem es wirklich existenziell darum ging, die eigene Seite zu erhalten. Aber ich denke mal, dass die Gefahren, die auch aus dieser damaligen Ordnung gingen, sehr groß waren und insofern dieses System auch nur über einen begrenzten Zeitraum vertretbar war. Dieser begrenzte Zeitraum war eigentlich mit dem Ende des Kalten Krieges, des Ost-West-Konfliktes beendet und damals waren ja die Bemühungen, die Atomwaffen abzuschaffen, auch schon sehr ausgeprägt. Es war eigentlich damals schon weitgehend Konsens - etwa festgehalten 1995 bei der damaligen Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages -, dass man jetzt ernsthaft an die Abschaffung der Atomwaffen gehen sollte, denn die Gefahren steigen natürlich mit der Zahl der Atomwaffen und die Zahl der Atomwaffen ist in den letzten Jahren immer größer geworden. Die Gefahren steigen damit, dass sie auch in Regionalkonflikten eine Rolle spielen, in denen möglicherweise dann auch einmal eine Fehlkalkulation erfolgt. Also insofern ist es, glaube ich, schon so, dass es eine Zeit gab, in der die Atomwaffen ihre Rolle hatten, dass diese Zeit aber vorbei ist.
Heinlein: Blicken wir in die Zukunft, auf diese Vision von Barack Obama. Kann man denn tatsächlich diesen atomaren Korken komplett wieder in die Flasche bekommen? Das Wissen und die Möglichkeiten zum Bau von Atomwaffen ist ja in vielen Ländern vorhanden und niemand kann ganz sicher sein, dass nicht doch irgendwo noch Atomwaffen gebunkert werden.
Brzoska: In der Tat: es wird nicht möglich sein, jetzt das Wissen und die Fähigkeiten zum Bau einer Atomwaffe wieder abzuschaffen. Aber was, glaube ich, möglich ist, ist eine Situation zu schaffen, in der keiner offen über Atomwaffen verfügt, in der es Regelungsmechanismen gibt, wie man mit der Herstellung von spaltbarem Material, das man ja weiter für die zivile Nutzung brauchen wird, regeln kann, und auch eine Ordnung gibt, in der natürlich gegenüber jemandem, der dann verstößt gegen das Verbot, Atomwaffen zu besitzen, relativ rasch und auch mit militärischen Mitteln vorgegangen wird, so dass also der Anreiz, Atomwaffen sich heimlich zu beschaffen, sehr gering ist und insofern dann auch eine zwar nicht vollständige, aber doch politisch tolerable Garantie ist, dass niemand aus diesem Regime ausbricht. Es wird also wie gesagt kein stabiles System sein in dem Sinne, dass es überhaupt keine Möglichkeiten mehr gibt, sich Atomwaffen zu beschaffen, aber es gibt durchaus inzwischen auch schon relativ weit entwickelte Ideen für technische Vorkehrungen, für politische Regelungen, die es dann doch, glaube ich, politisch akzeptabel machen, auch für Staaten wie die Vereinigten Staaten und Russland und andere, auf Atomwaffen zu verzichten.
Heinlein: "Yes, we can", also auch die Friedensforscher werden mitmachen?
Brzoska: In der Tat und man muss ja auch sehen, diese Idee von Obama ist ja nicht erst am letzten Sonntag in die Welt gekommen, sondern sie wird seit vielen Jahren von durchaus sehr unterschiedlichen Personen ausgearbeitet. Die letzte Initiative kommt ja eher aus konservativen Kreisen, seit zwei Jahren von dem früheren Außenminister George Shultz und dem früheren Außenminister Henry Kissinger und anderen getragen, aber auch durchaus mit Beteiligung von Kolleginnen und Kollegen, die eher sich aus der Friedensforschung rekrutieren. Insofern gibt es ein breites Bündnis, was jetzt seit vielen Jahren und verstärkt wieder seit zwei Jahren sagt, wir können eine atomwaffenfreie Welt wirklich schaffen - vielleicht jetzt nicht in den nächsten zwei, drei Jahren, vielleicht auch nicht mal in den nächsten zehn Jahren, aber doch auf lange Sicht.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen Michael Brzoska, Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg. Herr Brzoska, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Hamburg.
Brzoska: Auf Wiederhören!
Michael Brzoska: Guten Morgen!
Heinlein: Haben Sie als Friedensforscher an diesem Wochenende dem US-Präsidenten heimlich Beifall geklatscht?
Brzoska: Ja! Ich habe ihm Beifall geklatscht, denn ich denke, dass dieser Schritt, den er angekündigt hat, nämlich dass die Vereinigten Staaten sich an die Spitze der Bemühungen setzen wollen, die Nuklearwaffen abzuschaffen, ein wichtiger Schritt ist. Natürlich ist damit überhaupt noch nicht gesichert, dass es erreicht werden kann, dass wirklich die Nuklearwaffen abgeschafft werden, aber es ist doch eine große Veränderung gegenüber den letzten Jahren, in denen die Vereinigten Staaten der wichtigste Bremser waren bei dem Versuch, die Nuklearwaffen abzuschaffen. Das ist ja kein neuer Traum, das ist ein Traum, der schon seit vielen Jahren besteht, der auch durchaus in den 80er-Jahren unter Präsident Ronald Reagan ja schon einmal relativ realistisch schien, und insofern habe ich ihm Beifall geklatscht.
Heinlein: Es ist noch ein weiter Weg. So habe ich Sie verstanden. Was muss denn konkret unternommen werden in den nächsten Jahren, damit man dieser Vision zumindest ein Stück weit näherkommt?
Brzoska: Die ersten Schritte hat Präsident Obama ja schon angekündigt. Die ersten Schritte müssen jetzt die Vereinigten Staaten tun. Es geht darum, das Porzellan, was in den letzten zehn Jahren vielleicht zerschlagen worden ist, wieder aufzusammeln und zu versuchen zu kitten. Das heißt, die Verträge müssen auf dem Tisch liegen, die Dinge, die eigentlich schon vereinbart waren, wirklich dann umzusetzen. Das ist das Teststopp-Abkommen, das unterzeichnet werden muss, das ist ein Vertrag über die Herstellung von spaltbarem Material, der ausgehandelt werden muss, und damit erst einmal wieder ein Stand erreicht werden kann, der wie gesagt vor einigen Jahren schon mal da war.
Dann müssten als nächster Schritt die Verhandlungen mit Russland wieder so weit gebracht werden, dass man wirklich davon sprechen kann, dass Abrüstung im Bereich der Nuklearwaffen und der nuklearen Trägersysteme erfolgt.
Und dann kommen wir zu den neuen Dingen. Da geht es darum, den Atomwaffensperrvertrag, der ja der wichtigste Vertrag in diesem Bereich ist, so zu erweitern, dass auch die Staaten, die momentan außerhalb dieses Vertrages stehen - das sind Indien, Pakistan und Israel -, mit einbezogen werden bei der Bemühung. Das wird schon sehr schwierig sein. Und dann die entscheidende, glaube ich, Hürde wird sein, Regelungen zu treffen, dass die zivile Nutzung der Kernenergie nicht dazu ausgenutzt werden kann, auch militärische Nuklearprogramme zu verfolgen.
Heinlein: Sie haben den zweiten Schritt mit Recht als sehr schwierig bezeichnet. Wie sollen denn Länder wie China, Indien, Pakistan oder eben auch Israel überzeugt werden, auf den atomaren Schutz zu verzichten?
Brzoska: Es ist ja momentan so, dass praktisch jedes Land, das Atomwaffen hat, dies damit begründet, dass es von einem anderen Land bedroht wird. Die Chinesen haben es ursprünglich damit begründet, dass sie von der Sowjetunion bedroht werden. Heute sagen sie, die Bedrohung kommt von den USA und Russland. Bei den Indern ist es so, dass sie sagen, das chinesische Atomprogramm bedroht uns, und für die Pakistanis ist das indische Atomprogramm eine große Bedrohung.
Insofern hat man so eine Art umgekehrte Kaskade. Das fängt von oben an und geht nach unten, was die Zahl der Atomwaffen betrifft, und die Hoffnung ist, wenn die USA wirklich in diesem Bereich die Führung übernehmen als die größte und wichtigste Macht in der Welt, dass das dann einen solchen Effekt hat, dass auch bei anderen Atommächten, die momentan an diesen Verhandlungen nicht teilnehmen, das Nachdenken darüber einsetzt, ob man nicht selber auch auf Atomwaffen verzichten könnte. Das ist natürlich nur ein Element. Ein anderes Element ist, dass man versucht, in den Regionen, um die es geht, also Südasien vor allen Dingen, Strukturen zu schaffen, die es den Staaten wirklich auch erlauben, auf Atomwaffen zu verzichten. Das sind in der Tat Dinge, die man nicht von heute auf morgen lösen kann, die zusammenhängen damit, dass man in den entsprechenden Regionen - Südasien, Mittlerer Osten - Sicherheitsregime schafft, die eben es erlauben, auf Atomwaffen zu verzichten.
Heinlein: Herr Brzoska, ist denn eine atomwaffenfreie Welt tatsächlich sicherer als eine Welt mit dem Gleichgewicht des Schreckens?
Brzoska: Ich denke schon, denn die Gefahren, die von den Atomwaffen ausgehen, sind so viel größer als die Gefahren, die von zivilen Waffen ausgehen, dass es, glaube ich, auch wenn man natürlich weiter sehen muss, dass eine Welt ohne Atomwaffen keine Welt ohne Kriege sein wird, nicht so ist, dass die Atomwaffen die einzigen Waffen sind und insofern es natürlich auch keine Welt ohne Waffen sein wird, aber eine Welt ohne Atomwaffen ist schon eine Welt, in der eine zumindest sehr große Bedrohung dann nicht mehr so gewichtig sein würde.
Heinlein: Also das alte Motto des Nuklearzeitalters, "Wer zuerst schießt, stirbt als Zweiter", das war nur eine Rechtfertigungsideologie?
Brzoska: Es ist schon ein wesentliches Element einer Ordnung gewesen, die gekennzeichnet war durch einen sehr großen Gegensatz, einen sehr scharfen politischen Gegensatz, in dem es wirklich existenziell darum ging, die eigene Seite zu erhalten. Aber ich denke mal, dass die Gefahren, die auch aus dieser damaligen Ordnung gingen, sehr groß waren und insofern dieses System auch nur über einen begrenzten Zeitraum vertretbar war. Dieser begrenzte Zeitraum war eigentlich mit dem Ende des Kalten Krieges, des Ost-West-Konfliktes beendet und damals waren ja die Bemühungen, die Atomwaffen abzuschaffen, auch schon sehr ausgeprägt. Es war eigentlich damals schon weitgehend Konsens - etwa festgehalten 1995 bei der damaligen Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages -, dass man jetzt ernsthaft an die Abschaffung der Atomwaffen gehen sollte, denn die Gefahren steigen natürlich mit der Zahl der Atomwaffen und die Zahl der Atomwaffen ist in den letzten Jahren immer größer geworden. Die Gefahren steigen damit, dass sie auch in Regionalkonflikten eine Rolle spielen, in denen möglicherweise dann auch einmal eine Fehlkalkulation erfolgt. Also insofern ist es, glaube ich, schon so, dass es eine Zeit gab, in der die Atomwaffen ihre Rolle hatten, dass diese Zeit aber vorbei ist.
Heinlein: Blicken wir in die Zukunft, auf diese Vision von Barack Obama. Kann man denn tatsächlich diesen atomaren Korken komplett wieder in die Flasche bekommen? Das Wissen und die Möglichkeiten zum Bau von Atomwaffen ist ja in vielen Ländern vorhanden und niemand kann ganz sicher sein, dass nicht doch irgendwo noch Atomwaffen gebunkert werden.
Brzoska: In der Tat: es wird nicht möglich sein, jetzt das Wissen und die Fähigkeiten zum Bau einer Atomwaffe wieder abzuschaffen. Aber was, glaube ich, möglich ist, ist eine Situation zu schaffen, in der keiner offen über Atomwaffen verfügt, in der es Regelungsmechanismen gibt, wie man mit der Herstellung von spaltbarem Material, das man ja weiter für die zivile Nutzung brauchen wird, regeln kann, und auch eine Ordnung gibt, in der natürlich gegenüber jemandem, der dann verstößt gegen das Verbot, Atomwaffen zu besitzen, relativ rasch und auch mit militärischen Mitteln vorgegangen wird, so dass also der Anreiz, Atomwaffen sich heimlich zu beschaffen, sehr gering ist und insofern dann auch eine zwar nicht vollständige, aber doch politisch tolerable Garantie ist, dass niemand aus diesem Regime ausbricht. Es wird also wie gesagt kein stabiles System sein in dem Sinne, dass es überhaupt keine Möglichkeiten mehr gibt, sich Atomwaffen zu beschaffen, aber es gibt durchaus inzwischen auch schon relativ weit entwickelte Ideen für technische Vorkehrungen, für politische Regelungen, die es dann doch, glaube ich, politisch akzeptabel machen, auch für Staaten wie die Vereinigten Staaten und Russland und andere, auf Atomwaffen zu verzichten.
Heinlein: "Yes, we can", also auch die Friedensforscher werden mitmachen?
Brzoska: In der Tat und man muss ja auch sehen, diese Idee von Obama ist ja nicht erst am letzten Sonntag in die Welt gekommen, sondern sie wird seit vielen Jahren von durchaus sehr unterschiedlichen Personen ausgearbeitet. Die letzte Initiative kommt ja eher aus konservativen Kreisen, seit zwei Jahren von dem früheren Außenminister George Shultz und dem früheren Außenminister Henry Kissinger und anderen getragen, aber auch durchaus mit Beteiligung von Kolleginnen und Kollegen, die eher sich aus der Friedensforschung rekrutieren. Insofern gibt es ein breites Bündnis, was jetzt seit vielen Jahren und verstärkt wieder seit zwei Jahren sagt, wir können eine atomwaffenfreie Welt wirklich schaffen - vielleicht jetzt nicht in den nächsten zwei, drei Jahren, vielleicht auch nicht mal in den nächsten zehn Jahren, aber doch auf lange Sicht.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen Michael Brzoska, Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg. Herr Brzoska, vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Hamburg.
Brzoska: Auf Wiederhören!