Archiv


Friedensforscher: Deutschland mögliches Ziel islamistischer Terroristen

Der ägyptische Friedensforscher Daniel Labib Sharaf hält Bombenanschläge islamischer Terroristen auch in Deutschland für möglich. Es handele sich bei den Attentätern um Splittergruppen, die weltweit verstreut agierten und sich unabhängig voneinander organisierten.

Moderation: Hans Joachim Wiese |
    Hans Joachim Wiese: Man findet eigentlich kein anderes Wort als pervers für das, was im ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich passiert ist. Nicht nur der verheerende Bombenanschlag, der dutzende Tote und verletzte gefordert hat, nein auch der Streit unter den vermeintlichen oder tatsächlichen Tätern, die sich in Bekennerschreiben selbst bezichtigen und sich gegenseitig der Fälschung beschuldigen. Am Telefon begrüße ich Daniel Labib Sharaf, er ist Friedensforscher a n der Universität Alexandria und derzeit Gastdozent an der Universität Basel. Guten Tag, Herr Sharaf.

    Daniel Labib Sharaf: Guten Tag.

    Wiese: Die Mörder sind offenbar so stolz auf ihre Tat, dass sie sich die Urheberschaft nicht streitig lassen machen wollen.

    Sharaf: Stolz können wir nicht sagen, aber dass sie darüber streiten, das ist für mich zum Teil selbstverständlich, denn es ist eine Positionsnahme. Gegen die USA zum Beispiel sich als Position, als Macht, als Gegenmacht zu stellen oder auch gegen diese westliche Einmischung im gesamtarabischen Raum, Beispiel Irak. Auch zu zeigen: Ihr könnt uns nicht bekämpfen. Sie lassen jetzt gerne ihre Muskeln spielen, nicht der Terroranschlag selber, sondern sie wollen eine gewisse Verunsicherung auch verursachen, denn Terror zu bekämpfen ist unheimlich schwierig. Diese Zufallsanschläge sind nicht leicht zu kontrollieren und das wissen sie.

    Wiese: Klar ist ja wohl, dass es sich bei den Tätern um islamistische Terroristen handelt, die sich der El-Kaida-Organisation verbunden fühlen. In Ägypten war bisher immer nur von der Moslembruderschaft die Rede. Wie stark ist denn El Kaida in Ägypten?

    Sharaf: El Kaida, wenn wir über ihre Hauptsitze oder ihre Präsenz reden, können wir nur von Afghanistan und Pakistan reden. In anderen arabischen Ländern finden wir nur Splitterzellen, die sich mit El Kaida verbinden, aber nicht mit ihr organisiert sind. Sie sind vielleicht gut vernetzt mit El Kaida, finanziell, aber alle terroristischen Organisationen und islamischen Gruppierungen verbinden sich jetzt mit El Kaida.

    Wiese: In Scharm el-Scheich fanden ja nach dem Anschlag beeindruckende Demonstrationen der Bevölkerung gegen den Terror statt. Dort hält man offenbar nicht viel von El Kaida und solchen Anschlägen.

    Sharaf: Aber sicherlich halten sie nichts davon! Das trifft nicht nur den Tourismus, sondern das Herz der Wirtschaft in Ägypten. Denn Scharm el-Scheich und andere Touristenorte beherbergen eine große Anzahl von Ägyptern, die dort auch der Arbeitslosigkeit entfliehen können und dadurch ein Familieneinkommen erwirtschaften und die Ägypter sind im Grunde genommen ein sehr friedliches Volk, sie sind gegen Terror. Das hat man gesehen bei dem letzten Anschlag, wo sie den Attentäter selber gefasst haben, bevor die Polizei kam, dann haben sie ihn verprügelt und auch verhindert, dass eine große verheerende Auswirkung seines Anschlages passiert. Es geht um Wirtschaft und die Ägypter wollen leben.

    Wiese: Wenn die ägyptische Bevölkerung so sehr gegen den Terror eingestellt ist, wieso gibt es dann immer wieder gerade in Ägypten Anschläge? Die Regierung Mubarak fährt doch einen äußerst harten Repressionskurs gegen die Islamisten.

    Sharaf: Ja, aber der hilft nichts, das dezimiert vielleicht die Anzahl der Anhänger, aber der Zorn der Terroristen bleibt bestehen und wie Sie gesehen und gehört haben, kamen die meisten angeblich aus dem Ausland, aber mit Sicherheit hatten sie auch Anhänger in Ägypten, die ihnen geholfen haben, denn so einfach, solche Anschläge von außen zu organisieren, ist es nicht, das ist fast unmöglich.

    Wiese: London, Scharm el-Scheich, immer wieder Irak - müssen wir auch in Deutschland mit blutigen Anschlägen islamistischer Terroristen rechnen?

    Sharaf: Ich würde den Begriff islamistischer Terrorismus langsam auch ein bisschen zurückdrehen und sagen, es ist eigentlich antiisraelischer Terrorismus. Es gibt auch antiamerikanischen, "anti-unfähige politische Regierungssystem-Terrorismus" und die sind alle durch den Islam motiviert und verstärkt.

    Wiese: Wird es dann auch antideutschen Terrorismus geben?

    Sharaf: Das könnte es freilich, ich denke, es könnte überall sein. Diese Zufallsanschläge, man kann es nicht vorhersehen, wo der nächste Anschlag sein wird. Das ist Terrorismus, kein Krieg, Deshalb hört sich bei mir immer das Wort Terroristenbekämpfung ein bisschen schwach an, weil ich sage: wie denn?

    Wiese: Haben Sie eine Antwort?

    Sharaf: Das ist keine Armee, kein Volk, keine Regierung. Das sind Splittergruppen, sie sind weltweit verstreut und sie organisieren sich unabhängig voneinander. Es könnte wirklich überall einen Anschlag geben.

    Wiese: Gibt es also keinen Schutz vor solchen Terroranschlägen, müssen wir damit leben wie mit einer unheilbaren Krankheit?

    Sharaf: Alle Friedensbemühungen, ob der zweite Golfkrieg, der israelisch-palästinensische Konflikt, der Sudankonflikt, Pakistan, Indien, Korea, die Regierungen und die Vereinten Nationen haben immer versagt. Die Verhandlungen haben zu keinerlei Frieden geführt. Die UNO haben auch nicht verhindert, dass die Amerikaner im Irak einmarschieren, deshalb fühlen sich solche Gruppierungen eigentlich provoziert und auch eigentlich hilflos und im Stich gelassen.