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Friedensforscher hält mögliche Panzer-Lieferung an Saudi Arabien für "problematisch"

Panzer können von autoritären Regimen wie dem in Saudi Arabien gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden. Schon allein deshalb hält Michael Brozka vom Institut für Friedensforschung einen möglichen Verkauf deutscher Leopard-2-Panzer an die Saudis für falsch.

Michael Brozka im Gespräch mit Jochen Fischer | 05.07.2011
    Anne Raith: Die Bundesregierung schweigt, oder sie verweist auf die Geheimhaltung. Eine Antwort auf die Frage, ob Deutschland Panzer an Saudi-Arabien liefern will, oder, wie die Nachrichtenagentur Reuters mit Verweis auf Sicherheitskreise meldet, bereits geliefert hat, gab es bislang nicht. Die Bündnis-Grünen haben eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt, denn der Deal sei ein Bruch mit der bisherigen Praxis, keine Rüstungsgüter in Krisengebiete zu exportieren. Stimmt das? Ist Saudi-Arabien in diesem Sinne ein Gebiet, in das nicht geliefert werden sollte? – Diese Frage hat mein Kollege Jochen Fischer Michael Brozka gestellt, dem Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg.

    Michael Brozka: Aus meiner Sicht ja. Es gibt sowohl eine geostrategische Lage, die problematisch ist, als auch sind die innenpolitischen Verhältnisse in Saudi-Arabien aus meiner Sicht nicht geeignet dafür, dass man dort solche Waffen dahin liefert. Saudi-Arabien hat zwar eine nur sehr kleine, aber immerhin eine Grenze mit Israel und ist zwar in der Vergangenheit gegenüber Israel eher, sagen wir, zurückhaltend gewesen, aber das muss ja nicht immer so bleiben. Wenn es in Israel wieder zu größeren Spannungen kommt, etwa möglicherweise jetzt im September, nachdem Palästina seine Unabhängigkeit erklärt, dann würde Saudi-Arabien sich natürlich auf die Seite der arabischen Staaten stellen. Saudi-Arabien hat auch eine Auseinandersetzung mit dem Iran, die nicht unbedingt jetzt militärisch ist, aber doch, wo man sagen muss, dass das ein Spannungsgebiet ist, auch gegenüber den östlichen Nachbarn. Und die innenpolitische Lage in Saudi-Arabien war jetzt zwar während des Arabischen Frühlings relativ ruhig, aber wir haben gesehen, dass saudische Panzer auch nach Bahrain gerollt sind, gepanzerte Fahrzeuge, und auch in Saudi-Arabien hat es ja durchaus auch schon in der Vergangenheit Auseinandersetzungen gegeben. Ein solches autoritäres Regime – ich glaube, das haben jetzt auch die Entwicklungen in den nordafrikanischen Staaten gezeigt -, ein solch autoritäres Regime steht immer unter der Gefahr, dass die Bevölkerung dagegen rebelliert, und dann sind natürlich Panzer genau das Waffensystem, was eingesetzt wird.

    Jochen Fischer: Sie haben Israel angesprochen. Von dort kommen aber nun überhaupt keine Reaktionen, oder jedenfalls keine empörten Reaktionen.

    Brozka: Ja, das ist in der Tat im Moment so. Die israelische Regierung hält sich sehr zurück. Das heißt aber nicht, dass hinter den Kulissen möglicherweise die Israelis auch aktiv werden. Nun wollen die Israelis selber natürlich auch durchaus Einiges von uns - es geht da zum Beispiel um U-Boote, auch um andere Waffensysteme -, und möglicherweise gibt es auch ein stillschweigendes Übereinkommen, dass dann, wenn wir nach Saudi-Arabien Panzer liefern, Israel auch bestimmte andere Dinge bekommt. Das ist aber, glaube ich, auch nicht unbedingt jetzt im Sinne einer weiteren Entspannung in der Region, jetzt die beiden Seiten aufzurüsten.

    Fischer: Ein Leopard-Panzer, das ist ja eine Offensivwaffe, also ein Angriffssystem. Gegen wen richtet sich die denn?

    Brozka: Ja, das ist die Frage. Also ich denke mal, die offizielle saudische Begründung wird sein, dass man mit dem Iran rechnen muss und dass der Iran sich ja in den letzten Jahren sehr stark auch aus der internationalen Völkergemeinschaft verabschiedet hat – und gegen den Iran werden ja internationale Sanktionen verhängt -, und dass man deswegen nicht sicher sein könnte, dass der Iran nicht irgendwann möglicherweise auf die Idee kommt, auch gegenüber Saudi-Arabien aggressiv aufzutreten, dass dann die Panzer die geeignete Abschreckungswaffe wären. Ich denke mal, das ist die Hauptbegründung. Aus meiner Sicht ist es schon so, dass eben Panzerfahrzeuge besonders wichtig sind, wenn man auch innenpolitisch mit Unruhen rechnet, weil mit Panzern kann man auch Plätze räumen, man kann Bevölkerung auseinandertreiben. Also das ist, denke ich mal, wenn man genauer hinguckt, der wichtigste Grund.

    Fischer: Innenpolitisch hat diese Ankündigung ja einigen Wirbel ausgelöst: es gibt Empörung bei den Oppositionsparteien. Die Grünen-Chefin, Frau Roth, spitzt ihre Kritik zu, sie spricht von einem Glaubwürdigkeitsdesaster deutscher Außenpolitik und sie nennt diese Panzerlieferungen, wenn sie denn kommen, illegal. Sind sie das?

    Brozka: Nein, illegal sind sie nicht, denn wir haben zwar Gesetze, die den Waffenexport regeln, aber deren Vorschriften sind relativ auslegbar, und auch aus dem Völkerrecht gibt es jetzt keine Bestimmungen, die jetzt den Panzerexport nach Saudi-Arabien verbieten würden. Sie widersprechen – und das ist das, denke ich mal, was Frau Roth gemeint hat -, sie widersprechen aus meiner Sicht jedenfalls den Grundsätzen und Richtlinien, die die Bundesregierung sich selber gegeben hat. Die augenblicklich gültigen Grundsätze sind aus dem Jahre 2000, als also Rot-Grün regiert hat, und die definieren relativ eng, was denn zum Beispiel an Spannungsgebieten geliefert werden darf und was an bestimmte Menschenrechte verletzende Staaten geliefert werden darf, und da muss man schon sagen, das, was in der Vergangenheit zumindest galt, danach hätten diese Panzer nicht exportiert werden dürfen. Und wir haben ja auch durchaus diese Diskussion mehrfach schon gehabt. Schon in den 80er-Jahren ist darüber diskutiert worden, 1982 hat die Bundesregierung das damals abgelehnt, Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern, und auch in den 90er-Jahren sind immer wieder hohe Anfragen inoffiziell, nicht offiziell, aber inoffiziell an die Bundesregierung aus Saudi-Arabien herangetragen worden, oder von den Firmen an die Bundesregierung herangetragen worden, und die Bundesregierung hat auch in den 90er-Jahren mehrfach gesagt, nein, Saudi-Arabien käme nicht infrage.

    Fischer: Muss diese Genehmigung, so sie denn gegeben wurde, rückgängig gemacht werden?

    Brozka: Es ist ja so – wir wissen ja nicht genau, weil das ja immer geheim gehalten wird, was genau im Bundessicherheitsrat beschlossen wird -, vermutlich handelt es sich um eine Voranfrage. Das heißt, die Firmen haben erst mal nur angefragt, ob es denn, wenn sie mit Saudi-Arabien ins Geschäft kämen, eine Genehmigung der Bundesregierung geben würde. Nun sind diese Voranfragen durchaus rechtlich bindend. Das heißt, die Bundesregierung ist jetzt an diese Zusage, wenn es so eine gäbe, durchaus gebunden. Es müsste von der Bundesregierung ins Feld geführt werden, dass die Umstände sich geändert haben, dass insofern das, was damals als Begründung den Bundessicherheitsrat überzeugt hat, nicht mehr stimmig ist. Also das ist ein schwieriger Akt, da wieder von wegzukommen, von so einer Genehmigung, wenn man sie einmal ausgesprochen hat, und natürlich würde ich das aus politischen und strategischen Gründen begrüßen, aber ich fürchte, dass eine einmal gegebene Genehmigung sehr schwer wieder rückgängig zu machen ist.

    Raith: ... , sagt Michael Brozka, der Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni Hamburg im Gespräch mit meinem Kollegen Jochen Fischer über die mögliche deutsche Panzerlieferung an Saudi-Arabien.