Dirk-Oliver Heckmann: Es war das erste Mal, dass George W. Bush in seiner fast achtjährigen Amtszeit in den Nahen Osten gereist ist. Zum ersten Mal überhaupt hat ein amerikanischer Präsident die palästinensischen Autonomiegebiete besucht. Präsident Abbas sprach von einem historischen Ereignis. Wenn man allerdings konkrete Ergebnisse erwartet hat, dann sieht man sich getäuscht. Bevor Bush nach Kuwait weiterreist, kommt er noch mit Tony Blair zusammen, dem Beauftragten des Nahostquartetts und früheren britischem Premier. Zunächst aber besuchte er die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
Am Telefon begrüße ich jetzt in Berlin Jamal Nazzal. Er ist Medienberater der palästinensischen Generaldelegation. Schönen guten Tag, Herr Nazzal!
Jamal Nazzal: Guten Tag!
Heckmann: Herr Nazzal, wie wichtig war der Besuch des amerikanischen Präsidenten im Westjordanland? Würden Sie auch von einem historischen Ereignis sprechen?
Nazzal: Wenn man auf palästinensischer Seite immer gewünscht hat, dass die amerikanische Rolle im Nahen Osten aktiver und engagierter ist, dann war dieser Wunsch vorgestern in Erfüllung gegangen. Sieben Jahre lang hat die amerikanische Administration auf eine aktive Rolle bei der Konfliktlösung des Nahostkonfliktes verzichtet, und es kommt jetzt ein wenig zu spät, wobei besser spät ankommen als gar nicht. Besser jetzt beginnen als gar nicht. Aber es war gestern eine Abweichung der US-Administration zu vermerken von den UN-Auflagen, die vorsehen, wie der Konflikt gelöst werden soll. Präsident Bush hat vom jüdischen Charakter des Staates Israel gesprochen. So sieht das die UN nicht, denn Israel ist kein jüdischer Staat, sondern sollte ein demokratischer Staat sein. Präsident Bush hat nicht genug davon gesprochen, dass Israel die Siedlungen entfernt, sondern hat gesprochen von der Entfernung der Siedlungen, die nicht genehmigt sind. Das sieht die UN anders, denn alle Siedlungen sind illegal. Und er hat nicht gesagt, alle Checkpoints, die Israel in Palästina errichtet hat, müssen weg. Er zeigte Verständnis dafür. Er hat die Palästinenser aufgefordert, entschlossen gegen Angriffe gegen Israel vorzugehen, aber er hat nicht von Israel verlangt, dass sie Angriffe auf palästinensische Zivilisten einstellen. Insofern war man in Palästina dazu geneigt, den halbleeren Teil des Glases zu sehen.
Heckmann: Herr Nazzal, viele Palästinenser haben den Eindruck, dass es Bush nur um eine Aufbesserung seiner desolaten Regierungsbilanzen gehe. Wie schätzen Sie das ein? Wie ernsthaft ist das Interesse von Bush an einer Lösung?
Nazzal: Die Beweggründe für Herrn Bush interessieren uns wenig. Uns interessiert, dass er erkennt, dieses Problem muss gelöst werden, und er sieht sich als Partner in dieser Lösung. Woran wir zweifeln, ist die Tatsache, ob zwölf Monate - das ist die Amtszeit, die ihm verblieben ist - ausreichen wird, um einen Friedensvertrag auszuhandeln.
Aber um einen positiveren Blick auf den Besuch zu werfen: Präsident Bush hat zum ersten Mal von der Beendigung der israelischen Besatzung, wie sie seit 1967 begonnen hat, gesprochen. Er hat versprochen, dass es zu einem Friedensvertrag zwischen uns und Israel kommt. Wenn das verwirklicht wird, dann wäre man da ganz zufrieden. Aber wir haben Erfahrungen damit gehabt, dass die amerikanische Administration ihre Positionen schnell ändert, wenn sie unter israelischen Druck gerät. Sie wissen: Im Jahre 2002 hat Bush von seiner Vision einer Zwei-Staaten-Lösung gesprochen, und die ist bis heute auf dem Papier geblieben und nicht Realität geworden.
Heckmann: Das heißt Sie sehen die Amerikaner nicht als ehrlichen Makler zwischen beiden Parteien?
Nazzal: Die Erfahrung bestätigt Ihre Aussage. Vor einigen Jahren hat Herr Bush gesagt, es ist schwierig, zu einer Lösung zu kommen, solange sich die israelische Mauer innerhalb der palästinensischen Gebiete wie eine Schlange daherschleicht. Und Sie wissen: Das war zu dem Zeitpunkt, wo die Mauer einfach nur auf der Landkarte stand, also auf dem Papier, und jetzt ist die Mauer da. Das heißt, die US-Regierung hat Erfahrung damit gehabt, dass sie von ihren Positionen abweicht, wenn die Israelis sie immer unter Druck setzt. Das ist der verwirrende Teil der Geschichte, denn die USA haben einen sehr großen Verhandlungsspielraum Israel gegenüber. Bloß sie nutzen ihn nicht und da sehen sie aus wie die Europäer, mit denen Israel 70 Prozent ihres Außenhandels hat. Sie können aber keinen Druck auf Israel ausüben, weil sie dazu nicht gewillt sind.
Heckmann: Aber eines ist auch klar: Es kann nur eine Friedenslösung geben, wenn der Terror beendet wird.
Nazzal: Der Terror ist aus meiner Sicht ja beendet worden, der Terror, der von palästinensischer Seite ausgeht. Sogar die Hamas hat seit vier Jahren keine Selbstmordattentate ausgeübt, und das ist ein Erfolg. Man muss aber die andere Seite sehen. Israel hat in dieser Woche das palästinensische Kind Nummer 850 umgebracht und das laut israelischer Menschenrechtsorganisationen. Insgesamt 850 palästinensische Kinder wurden seit Beginn der Intifada von Israel erschossen. Insgesamt wurden 5000 Palästinenser von Israel erschossen. Wir treten dafür ein, dass alle Gewalt gegen Zivilisten aufhört. Aber es bedarf zweier Seiten, um positiv daran mitzuwirken, damit die Realität besser ist und weniger gewaltsam ist. Vor einer Woche ist die israelische Armee zum dritten Mal innerhalb einer Woche in die Stadt Nablus eingedrungen, und das ist die Stadt, wo die palästinensischen Sicherheitskräfte neuerdings so viel Erfolg darin gehabt haben, die Militanten zu bekämpfen, Sicherheit und Ordnung in die Stadt zu bringen. Israel hat das kaputt gemacht. Herr Präsident Bush hat das gestern kritisiert.
Heckmann: Es ist klar und nachvollziehbar, dass Sie die Gewalttaten, die von israelischer Seite ausgehen, unterstreichen und betonen. Dazu muss man natürlich sagen, dass es auch von der anderen Seite Gewalttätigkeiten immer wieder auch bis heute gibt.
Herr Nazzal, kann es denn eine Friedenslösung geben, solange die radikalislamische Hamas in diese Verhandlungen nicht einbezogen ist?
Nazzal: Die Hamas will ja mit den Verhandlungen nichts zu tun haben. Die Hamas teilt die Positionen der israelischen Rechten voll und ganz. Sowohl die israelischen Rechten als auch die Hamas wollen die Verhandlungen nicht. Die israelische Rechte und Hamas wollen die UN-Resolution nicht als Basis der Lösung akzeptieren. Israels rechtes Lager und Hamas wollen die Implementierung der Road Map nicht haben, und beide Seiten, die israelische Rechte - repräsentiert vom Likud - und Hamas, akzeptieren nicht die arabische Friedensinitiative von König Abdallah. Hamas hat Partner auf der israelischen Seite, die sie bestärken in ihrer Rolle. Aber wir sehen, dass es am Ende des Tages dazu kommen muss, dass auch Hamas akzeptieren muss, dass wir zu einem Friedensvertrag mit Israel kommen, der das Existenzrecht Israels akzeptiert, aber auch das Entstehungsrecht Palästinas garantieren muss.
Heckmann: Wie kommen Sie darauf, dass die Hamas das akzeptieren muss? Man könnte ja auch sagen, auch die Hamas lebt von diesem Konflikt.
Nazzal: Dass die Hamas von diesem Konflikt lebt, das ist ganz sicher. Das gilt aber auch für Israel, denn Israel meint, dass der Frieden für Israel gefährlicher ist als der Krieg. Das ist eine Sicht, von der Israel abkommen muss, denn die Amerikaner sind ja in der Lage, die Sicherheit Israels zu garantieren. Alle arabischen Staaten haben Israel diplomatische Beziehungen versprochen, wenn Israel dazu gewillt wäre, dass es sich von den arabischen besetzten Gebieten abziehen würde. Scharon hat im Jahre 2002 darauf mit der Operation Schutzwall reagiert, in deren Folge fast 200 Palästinenser umgebracht wurden. Wir meinen, dass wir mit Israel Seite an Seite leben können, wenn die Israelis das Existenzrecht eines Staates Palästina akzeptieren, aber davon sind wir ein Schrittchen entfernt.
Heckmann: Herr Nazzal, Sie haben gerade eben gesagt zu Beginn, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass es in diesem Jahr noch zu einer Friedenslösung kommen wird, also während der Amtszeit von US-Präsident Bush, so wie er sich das vorgestellt hat und vorstellt. Wie optimistisch sind Sie denn, dass es mittel- bis kurzfristig überhaupt zu einem Abkommen kommt?
Nazzal: Jedes Mal, wenn die israelische Regierung in Bedrängnis gebracht wurde dahingehend, dass sie Zugeständnisse für den Frieden machen muss, dann haben sie Frühwahlen angekündigt. Nun, man kann natürlich sagen, eine Demokratie lebt von Wahlen. Innerhalb eines Jahres kann ja so viel passieren. Aber die Amerikaner können, wenn sie wollen, Israel dazu bewegen, die Menschenrechte in Palästina zu akzeptieren, die Mauer wegzumachen, Siedlungen abzuschaffen, und dann kommt es zu einer Lösung. Israel ist stark genug, um sich auf diese Lösung einzulassen, und wir akzeptieren nicht die These, dass Olmert schwach ist. Olmert hat eine starke Koalition, und die israelische Bevölkerung steht auf jeden Fall hinter einer friedlichen Lösung, die auch die Palästinenser anstreben. Präsident Abbas kann und wird einen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnen, wenn dieser Vertrag den Palästinensern einen unabhängigen lebensfähigen Staat garantiert.
Heckmann: Und worauf sind die Palästinenser bereit zu verzichten für eine Friedenslösung?
Nazzal: Na ja, schauen Sie: Wenn Israel die palästinensische Forderung nach einem palästinensischen Staat innerhalb der Grenzen von 1967 zu 100 Prozent erfüllt, dann verzichten wir damit automatisch auf 78 Prozent der Gesamtfläche Palästinas, wie das unter dem britischen Mandat gestanden ist. Palästina reicht vom Meer bis nach Jordanien, und wenn wir sagen, wir akzeptieren einen Staat in der Westbank und in Gaza, das ja nicht mehr als 22 Prozent der Gesamtfläche Palästinas, das einst nur dem palästinensischen Volk angehört hat. Wir sind bereit, Israel anzuerkennen, aber Israel muss dazu gewillt sein, das Entstehungsrecht und das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser zu akzeptieren, damit aufhören, Menschenrechte der Palästinenser mit Füßen zu treten, denn so kann man nicht zu einem Frieden kommen.
Heckmann: Ganz kurze Frage, ganz kurze Antwort. Sind wir jetzt nach dem Bush-Besuch einen Schritt weiter?
Nazzal: Auf jeden Fall, denn es ist jetzt zu einem Mechanismus gekommen, dass die Road Map implementiert wird. Wir haben unsere Verpflichtungen für die erste Phase der Implementierung der Road Map gemacht. Israel zögert noch, ob es den Siedlungsbau einstellen will oder nicht. Also ich sehe nicht die Bereitschaft Israels, positiv mitzumachen, aber ich denke, wenn sich die amerikanische Administration mit vollem Herzen dafür engagiert, dass es zu einem Frieden zwischen den Israelis und den Palästinensern kommt, dann wird es dazu kommen. Israel kann den USA nicht Nein sagen, wenn die USA meinen, es muss Frieden im Nahen Osten geben.
Aber eine letzte Bemerkung: Jeder regionale Konflikt lebt davon, dass internationale Kräfte daran Geld verdienen und es Menschen gibt, die davon Nutzen tragen. Wenn die Weltstaaten, dazu zählt natürlich Europa, der Meinung sind, dass der Konflikt beendet wird, wird er beendet. Israel kann Europa nichts sagen. Europa muss einfach seine zögerliche Haltung aufgeben und Druck auf Israel ausüben, damit es das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser akzeptiert.
Heckmann: Jamal Nazzal, Medienberater der palästinensischen Generaldelegation war das hier im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Nazzal.
Am Telefon begrüße ich jetzt in Berlin Jamal Nazzal. Er ist Medienberater der palästinensischen Generaldelegation. Schönen guten Tag, Herr Nazzal!
Jamal Nazzal: Guten Tag!
Heckmann: Herr Nazzal, wie wichtig war der Besuch des amerikanischen Präsidenten im Westjordanland? Würden Sie auch von einem historischen Ereignis sprechen?
Nazzal: Wenn man auf palästinensischer Seite immer gewünscht hat, dass die amerikanische Rolle im Nahen Osten aktiver und engagierter ist, dann war dieser Wunsch vorgestern in Erfüllung gegangen. Sieben Jahre lang hat die amerikanische Administration auf eine aktive Rolle bei der Konfliktlösung des Nahostkonfliktes verzichtet, und es kommt jetzt ein wenig zu spät, wobei besser spät ankommen als gar nicht. Besser jetzt beginnen als gar nicht. Aber es war gestern eine Abweichung der US-Administration zu vermerken von den UN-Auflagen, die vorsehen, wie der Konflikt gelöst werden soll. Präsident Bush hat vom jüdischen Charakter des Staates Israel gesprochen. So sieht das die UN nicht, denn Israel ist kein jüdischer Staat, sondern sollte ein demokratischer Staat sein. Präsident Bush hat nicht genug davon gesprochen, dass Israel die Siedlungen entfernt, sondern hat gesprochen von der Entfernung der Siedlungen, die nicht genehmigt sind. Das sieht die UN anders, denn alle Siedlungen sind illegal. Und er hat nicht gesagt, alle Checkpoints, die Israel in Palästina errichtet hat, müssen weg. Er zeigte Verständnis dafür. Er hat die Palästinenser aufgefordert, entschlossen gegen Angriffe gegen Israel vorzugehen, aber er hat nicht von Israel verlangt, dass sie Angriffe auf palästinensische Zivilisten einstellen. Insofern war man in Palästina dazu geneigt, den halbleeren Teil des Glases zu sehen.
Heckmann: Herr Nazzal, viele Palästinenser haben den Eindruck, dass es Bush nur um eine Aufbesserung seiner desolaten Regierungsbilanzen gehe. Wie schätzen Sie das ein? Wie ernsthaft ist das Interesse von Bush an einer Lösung?
Nazzal: Die Beweggründe für Herrn Bush interessieren uns wenig. Uns interessiert, dass er erkennt, dieses Problem muss gelöst werden, und er sieht sich als Partner in dieser Lösung. Woran wir zweifeln, ist die Tatsache, ob zwölf Monate - das ist die Amtszeit, die ihm verblieben ist - ausreichen wird, um einen Friedensvertrag auszuhandeln.
Aber um einen positiveren Blick auf den Besuch zu werfen: Präsident Bush hat zum ersten Mal von der Beendigung der israelischen Besatzung, wie sie seit 1967 begonnen hat, gesprochen. Er hat versprochen, dass es zu einem Friedensvertrag zwischen uns und Israel kommt. Wenn das verwirklicht wird, dann wäre man da ganz zufrieden. Aber wir haben Erfahrungen damit gehabt, dass die amerikanische Administration ihre Positionen schnell ändert, wenn sie unter israelischen Druck gerät. Sie wissen: Im Jahre 2002 hat Bush von seiner Vision einer Zwei-Staaten-Lösung gesprochen, und die ist bis heute auf dem Papier geblieben und nicht Realität geworden.
Heckmann: Das heißt Sie sehen die Amerikaner nicht als ehrlichen Makler zwischen beiden Parteien?
Nazzal: Die Erfahrung bestätigt Ihre Aussage. Vor einigen Jahren hat Herr Bush gesagt, es ist schwierig, zu einer Lösung zu kommen, solange sich die israelische Mauer innerhalb der palästinensischen Gebiete wie eine Schlange daherschleicht. Und Sie wissen: Das war zu dem Zeitpunkt, wo die Mauer einfach nur auf der Landkarte stand, also auf dem Papier, und jetzt ist die Mauer da. Das heißt, die US-Regierung hat Erfahrung damit gehabt, dass sie von ihren Positionen abweicht, wenn die Israelis sie immer unter Druck setzt. Das ist der verwirrende Teil der Geschichte, denn die USA haben einen sehr großen Verhandlungsspielraum Israel gegenüber. Bloß sie nutzen ihn nicht und da sehen sie aus wie die Europäer, mit denen Israel 70 Prozent ihres Außenhandels hat. Sie können aber keinen Druck auf Israel ausüben, weil sie dazu nicht gewillt sind.
Heckmann: Aber eines ist auch klar: Es kann nur eine Friedenslösung geben, wenn der Terror beendet wird.
Nazzal: Der Terror ist aus meiner Sicht ja beendet worden, der Terror, der von palästinensischer Seite ausgeht. Sogar die Hamas hat seit vier Jahren keine Selbstmordattentate ausgeübt, und das ist ein Erfolg. Man muss aber die andere Seite sehen. Israel hat in dieser Woche das palästinensische Kind Nummer 850 umgebracht und das laut israelischer Menschenrechtsorganisationen. Insgesamt 850 palästinensische Kinder wurden seit Beginn der Intifada von Israel erschossen. Insgesamt wurden 5000 Palästinenser von Israel erschossen. Wir treten dafür ein, dass alle Gewalt gegen Zivilisten aufhört. Aber es bedarf zweier Seiten, um positiv daran mitzuwirken, damit die Realität besser ist und weniger gewaltsam ist. Vor einer Woche ist die israelische Armee zum dritten Mal innerhalb einer Woche in die Stadt Nablus eingedrungen, und das ist die Stadt, wo die palästinensischen Sicherheitskräfte neuerdings so viel Erfolg darin gehabt haben, die Militanten zu bekämpfen, Sicherheit und Ordnung in die Stadt zu bringen. Israel hat das kaputt gemacht. Herr Präsident Bush hat das gestern kritisiert.
Heckmann: Es ist klar und nachvollziehbar, dass Sie die Gewalttaten, die von israelischer Seite ausgehen, unterstreichen und betonen. Dazu muss man natürlich sagen, dass es auch von der anderen Seite Gewalttätigkeiten immer wieder auch bis heute gibt.
Herr Nazzal, kann es denn eine Friedenslösung geben, solange die radikalislamische Hamas in diese Verhandlungen nicht einbezogen ist?
Nazzal: Die Hamas will ja mit den Verhandlungen nichts zu tun haben. Die Hamas teilt die Positionen der israelischen Rechten voll und ganz. Sowohl die israelischen Rechten als auch die Hamas wollen die Verhandlungen nicht. Die israelische Rechte und Hamas wollen die UN-Resolution nicht als Basis der Lösung akzeptieren. Israels rechtes Lager und Hamas wollen die Implementierung der Road Map nicht haben, und beide Seiten, die israelische Rechte - repräsentiert vom Likud - und Hamas, akzeptieren nicht die arabische Friedensinitiative von König Abdallah. Hamas hat Partner auf der israelischen Seite, die sie bestärken in ihrer Rolle. Aber wir sehen, dass es am Ende des Tages dazu kommen muss, dass auch Hamas akzeptieren muss, dass wir zu einem Friedensvertrag mit Israel kommen, der das Existenzrecht Israels akzeptiert, aber auch das Entstehungsrecht Palästinas garantieren muss.
Heckmann: Wie kommen Sie darauf, dass die Hamas das akzeptieren muss? Man könnte ja auch sagen, auch die Hamas lebt von diesem Konflikt.
Nazzal: Dass die Hamas von diesem Konflikt lebt, das ist ganz sicher. Das gilt aber auch für Israel, denn Israel meint, dass der Frieden für Israel gefährlicher ist als der Krieg. Das ist eine Sicht, von der Israel abkommen muss, denn die Amerikaner sind ja in der Lage, die Sicherheit Israels zu garantieren. Alle arabischen Staaten haben Israel diplomatische Beziehungen versprochen, wenn Israel dazu gewillt wäre, dass es sich von den arabischen besetzten Gebieten abziehen würde. Scharon hat im Jahre 2002 darauf mit der Operation Schutzwall reagiert, in deren Folge fast 200 Palästinenser umgebracht wurden. Wir meinen, dass wir mit Israel Seite an Seite leben können, wenn die Israelis das Existenzrecht eines Staates Palästina akzeptieren, aber davon sind wir ein Schrittchen entfernt.
Heckmann: Herr Nazzal, Sie haben gerade eben gesagt zu Beginn, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass es in diesem Jahr noch zu einer Friedenslösung kommen wird, also während der Amtszeit von US-Präsident Bush, so wie er sich das vorgestellt hat und vorstellt. Wie optimistisch sind Sie denn, dass es mittel- bis kurzfristig überhaupt zu einem Abkommen kommt?
Nazzal: Jedes Mal, wenn die israelische Regierung in Bedrängnis gebracht wurde dahingehend, dass sie Zugeständnisse für den Frieden machen muss, dann haben sie Frühwahlen angekündigt. Nun, man kann natürlich sagen, eine Demokratie lebt von Wahlen. Innerhalb eines Jahres kann ja so viel passieren. Aber die Amerikaner können, wenn sie wollen, Israel dazu bewegen, die Menschenrechte in Palästina zu akzeptieren, die Mauer wegzumachen, Siedlungen abzuschaffen, und dann kommt es zu einer Lösung. Israel ist stark genug, um sich auf diese Lösung einzulassen, und wir akzeptieren nicht die These, dass Olmert schwach ist. Olmert hat eine starke Koalition, und die israelische Bevölkerung steht auf jeden Fall hinter einer friedlichen Lösung, die auch die Palästinenser anstreben. Präsident Abbas kann und wird einen Friedensvertrag mit Israel unterzeichnen, wenn dieser Vertrag den Palästinensern einen unabhängigen lebensfähigen Staat garantiert.
Heckmann: Und worauf sind die Palästinenser bereit zu verzichten für eine Friedenslösung?
Nazzal: Na ja, schauen Sie: Wenn Israel die palästinensische Forderung nach einem palästinensischen Staat innerhalb der Grenzen von 1967 zu 100 Prozent erfüllt, dann verzichten wir damit automatisch auf 78 Prozent der Gesamtfläche Palästinas, wie das unter dem britischen Mandat gestanden ist. Palästina reicht vom Meer bis nach Jordanien, und wenn wir sagen, wir akzeptieren einen Staat in der Westbank und in Gaza, das ja nicht mehr als 22 Prozent der Gesamtfläche Palästinas, das einst nur dem palästinensischen Volk angehört hat. Wir sind bereit, Israel anzuerkennen, aber Israel muss dazu gewillt sein, das Entstehungsrecht und das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser zu akzeptieren, damit aufhören, Menschenrechte der Palästinenser mit Füßen zu treten, denn so kann man nicht zu einem Frieden kommen.
Heckmann: Ganz kurze Frage, ganz kurze Antwort. Sind wir jetzt nach dem Bush-Besuch einen Schritt weiter?
Nazzal: Auf jeden Fall, denn es ist jetzt zu einem Mechanismus gekommen, dass die Road Map implementiert wird. Wir haben unsere Verpflichtungen für die erste Phase der Implementierung der Road Map gemacht. Israel zögert noch, ob es den Siedlungsbau einstellen will oder nicht. Also ich sehe nicht die Bereitschaft Israels, positiv mitzumachen, aber ich denke, wenn sich die amerikanische Administration mit vollem Herzen dafür engagiert, dass es zu einem Frieden zwischen den Israelis und den Palästinensern kommt, dann wird es dazu kommen. Israel kann den USA nicht Nein sagen, wenn die USA meinen, es muss Frieden im Nahen Osten geben.
Aber eine letzte Bemerkung: Jeder regionale Konflikt lebt davon, dass internationale Kräfte daran Geld verdienen und es Menschen gibt, die davon Nutzen tragen. Wenn die Weltstaaten, dazu zählt natürlich Europa, der Meinung sind, dass der Konflikt beendet wird, wird er beendet. Israel kann Europa nichts sagen. Europa muss einfach seine zögerliche Haltung aufgeben und Druck auf Israel ausüben, damit es das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser akzeptiert.
Heckmann: Jamal Nazzal, Medienberater der palästinensischen Generaldelegation war das hier im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Nazzal.