Stefan Heinlein: "Wir haben nichts mehr zu verlieren. Strafen werden keine Lösung sein." So wird ein Nordkoreanischer Regierungsmitarbeiter in Agenturmeldungen zitiert. Eine Reaktion, die wenig Gutes erhoffen lässt. Dennoch: der internationale Druck auf das Regime in Pjöngjang nimmt zu. Selten einmütig die Meinung im Sicherheitsrat. Alle fünf Vetomächte einschließlich China verurteilen den Atomtest. Eine scharfe Resolution ist in Arbeit, doch noch gehen die Beratungen in New York weiter. Vor Ort in der Südkoreanischen Hauptstadt begrüße ich jetzt den Leiter des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung Ulrich Niemann. Guten Morgen beziehungsweise guten Tag nach Seoul!
Ulrich Niemann: Guten Tag Herr Heinlein!
Heinlein: Herr Niemann, wie tief sitzt der Schock in Südkorea bei Ihnen 48 Stunden danach?
Niemann: Der sitzt sehr tief. Den Menschen in Südkorea ist vor Augen geführt worden, dass sie im Grunde genommen Geiseln sind. Ich habe das Gefühl, dass nach einigen Jahren der Ausblendung wohl auch durch die Verbesserung der innerkoreanischen Beziehungen nun die Menschen wieder auf so brutale Weise daran erinnert werden, dass sie eigentlich in der Nachbarschaft einer großen Gefahr leben.
Heinlein: Hat man Angst vor einem bevorstehenden Krieg?
Niemann: So weit ist es noch nicht, weil auch die Regierung hier in Seoul alles getan hat, um solche Vermutungen gleich aus dem Weg zu räumen.
Heinlein: Aus Seoul, Herr Niemann, gibt es Bilder von brennenden Kim-Jong-Il-Puppen. Auch Fahnen des nördlichen Bruderstaates gehen in Flammen auf. Wie ist diese Wut, wie ist diese Aggression zu erklären?
Niemann: Diese symbolischen Verbrennungen gibt es mehrere Male im Jahr. Sie werden in der Regel durchgeführt von Kriegsveteranen, von eher rechtsgerichteten Gruppen. Man darf nie vergessen, dass der Korea-Krieg ein Bürgerkrieg war und sehr viel Schmerz und tiefe Spuren in den meisten Familien auf beiden Seiten der Grenze hinterlassen hat und dadurch einfach noch sehr viel Hass auch gegenüber dem nördlichen Regime übrig geblieben ist. Es ist eher die jüngere Generation, die das Trauma des Krieges nicht mehr erlebt hat, die eine etwas gelassenere Haltung gegenüber dem Regime angenommen hat, sicherlich auch unterstützt durch die Entspannungspolitik und Versöhnungspolitik der letzten beiden Südkoreanischen Regierungen.
Heinlein: Wird diese Entspannungspolitik - Sie haben es gesagt; es gab viele Zugeständnisse in der Vergangenheit - nun wieder zu den Akten gelegt? Wird es eine neue Eiszeit im Verhältnis beider Staaten geben?
Niemann: Es ist sicherlich klar, wenn es ein Atomtest war, aber auch die Absicht, so etwas schon durchzuführen und womöglich auch Raketen mit Sprengköpfen zu bestücken, reicht ja schon. Das wird natürlich negative Auswirkungen auf die Entspannungs- und Versöhnungspolitik des Südens haben, insbesondere weil Präsidentschaftswahlen anstehen in einem Jahr und bereits jetzt das konservative oppositionelle Lager dieses Thema natürlich bereitwillig aufgreift und versucht, hier gerade die amtierende Regierung und das eher linksliberale Reformlager in dieser Wunde zu packen.
Heinlein: In New York, Herr Niemann wir haben es vor unserem Gespräch gehört, wird ja noch diskutiert über eine UN-Resolution. Welche Hilfen, welche Reaktionen erwarten denn die Südkoreaner von den Vereinten Nationen?
Niemann: Na ja, zunächst möchte man gerne wieder eine einheitliche Front haben in der Politik gegenüber dem Norden. Aber genau da liegt das Problem. Die Sechs-Parteien-Gespräche sind auch daran gescheitert, dass die Partner, die Nordkorea gegenübersaßen, unterschiedliche Interessen hatten und auch immer noch haben. Auch jetzt ist bereits absehbar, dass es wieder Probleme geben wird zwischen zum Beispiel den USA und Japan auf einer Seite und Südkorea auf der anderen Seite, aber auch China, die vielleicht nicht jede scharfe Sanktion gerne mitmachen wollen, weil sie eben erstens auch wirtschaftliche Interessen haben und zweitens einen Kollaps im Norden befürchten, der dazu führen könnte, dass sie vor einer völlig neuen Situation stehen, mit der sie nicht zurechtkommen.
Heinlein: Ein Kollaps. Welche Folgen könnte das denn haben, wenn jetzt Südkorea und auch andere Länder ihre Hilfen, die es ja gibt, für die bitterarme Bevölkerung einstellen? Hat man die Sorge in Südkorea, dass es dann zu einer Art Kurzschlussreaktion von Kim Jong Il kommen könnte?
Niemann: Ja, genau. Es gibt im Grunde genommen zwei Gründe für die Angst. Den einen hatten Sie eben genannt, dass bei einem weiteren Abschnüren des Regimes von Hilfe von außen eine Kurzschlussreaktion stattfinden könnte. Das wäre ja auch die logische Konsequenz von dem, was der Norden bisher gemacht hat, also durchaus wahrscheinlich. Oder eben ein Kollaps des Regimes, der zu einem Riesen Strom von Flüchtlingen in den Süden führen könnte, der auch den geopolitischen Interessen Chinas natürlich entgegenstünde.
Heinlein: Was bleibt denn dann an Reaktionen? Eine militärische Auseinandersetzung wird ja von allen Seiten ausgeschlossen. Sanktionen treffen vor allem die Bevölkerung. Also muss Südkorea gemeinsam mit den anderen Nationen weiter auf diese Gespräche setzen, um Nordkorea zur Aufgabe des Atomprogramms bewegen zu können?
Niemann: Ja. Die militärische Option ist hier kein gangbarer Weg, da sie zur völligen Zerstörung der koreanischen Halbinsel führen würde, wenn nicht zu mehr. Diese Variante ist völlig ausgeschlossen. Deshalb muss man sich jetzt überlegen, welche anderen Wege man gehen kann, und da gibt es nicht viele.
Heinlein: Was wird diskutiert in Südkorea?
Niemann: Na ja einerseits, dass man die Hilfslieferungen drosselt. Das hat man eigentlich schon getan. Aber dann stellt sich wiederum die Frage: Gibt man auch teuere Großprojekte auf, die sehr erfolgreich gelaufen sind, wie zum Beispiel die Industrieentwicklungszone Kesong im Süden Nordkoreas oder das inzwischen sich wirtschaftlich sehr gut rentierende Kungang-Gebirge-Tourismusprojekt. Das sind ja auch alles Projekte, wissen Sie, die neue Ideen nach Nordkorea herein tragen und somit auch durchaus einen psychologischen Wert haben. Die Friedrich-Naumann-Stiftung macht seit zweieinhalb Jahren Fortbildungskurse zur Marktwirtschaft. So haben wir versucht, auch dazu beizutragen, dass ein Wandel von innen stattfindet. Und es gab auch seit 2002 vor allem eine Tendenz zur Öffnung des Landes, auch zum Aufbau weiterer Wirtschaftsbeziehungen, aber in Nordkorea wird dies immer dem Sicherheitsbestreben des Regimes untergeordnet und da zieht Kim Jong Il und seine Führungselite ganz klar die Grenze.
Ulrich Niemann: Guten Tag Herr Heinlein!
Heinlein: Herr Niemann, wie tief sitzt der Schock in Südkorea bei Ihnen 48 Stunden danach?
Niemann: Der sitzt sehr tief. Den Menschen in Südkorea ist vor Augen geführt worden, dass sie im Grunde genommen Geiseln sind. Ich habe das Gefühl, dass nach einigen Jahren der Ausblendung wohl auch durch die Verbesserung der innerkoreanischen Beziehungen nun die Menschen wieder auf so brutale Weise daran erinnert werden, dass sie eigentlich in der Nachbarschaft einer großen Gefahr leben.
Heinlein: Hat man Angst vor einem bevorstehenden Krieg?
Niemann: So weit ist es noch nicht, weil auch die Regierung hier in Seoul alles getan hat, um solche Vermutungen gleich aus dem Weg zu räumen.
Heinlein: Aus Seoul, Herr Niemann, gibt es Bilder von brennenden Kim-Jong-Il-Puppen. Auch Fahnen des nördlichen Bruderstaates gehen in Flammen auf. Wie ist diese Wut, wie ist diese Aggression zu erklären?
Niemann: Diese symbolischen Verbrennungen gibt es mehrere Male im Jahr. Sie werden in der Regel durchgeführt von Kriegsveteranen, von eher rechtsgerichteten Gruppen. Man darf nie vergessen, dass der Korea-Krieg ein Bürgerkrieg war und sehr viel Schmerz und tiefe Spuren in den meisten Familien auf beiden Seiten der Grenze hinterlassen hat und dadurch einfach noch sehr viel Hass auch gegenüber dem nördlichen Regime übrig geblieben ist. Es ist eher die jüngere Generation, die das Trauma des Krieges nicht mehr erlebt hat, die eine etwas gelassenere Haltung gegenüber dem Regime angenommen hat, sicherlich auch unterstützt durch die Entspannungspolitik und Versöhnungspolitik der letzten beiden Südkoreanischen Regierungen.
Heinlein: Wird diese Entspannungspolitik - Sie haben es gesagt; es gab viele Zugeständnisse in der Vergangenheit - nun wieder zu den Akten gelegt? Wird es eine neue Eiszeit im Verhältnis beider Staaten geben?
Niemann: Es ist sicherlich klar, wenn es ein Atomtest war, aber auch die Absicht, so etwas schon durchzuführen und womöglich auch Raketen mit Sprengköpfen zu bestücken, reicht ja schon. Das wird natürlich negative Auswirkungen auf die Entspannungs- und Versöhnungspolitik des Südens haben, insbesondere weil Präsidentschaftswahlen anstehen in einem Jahr und bereits jetzt das konservative oppositionelle Lager dieses Thema natürlich bereitwillig aufgreift und versucht, hier gerade die amtierende Regierung und das eher linksliberale Reformlager in dieser Wunde zu packen.
Heinlein: In New York, Herr Niemann wir haben es vor unserem Gespräch gehört, wird ja noch diskutiert über eine UN-Resolution. Welche Hilfen, welche Reaktionen erwarten denn die Südkoreaner von den Vereinten Nationen?
Niemann: Na ja, zunächst möchte man gerne wieder eine einheitliche Front haben in der Politik gegenüber dem Norden. Aber genau da liegt das Problem. Die Sechs-Parteien-Gespräche sind auch daran gescheitert, dass die Partner, die Nordkorea gegenübersaßen, unterschiedliche Interessen hatten und auch immer noch haben. Auch jetzt ist bereits absehbar, dass es wieder Probleme geben wird zwischen zum Beispiel den USA und Japan auf einer Seite und Südkorea auf der anderen Seite, aber auch China, die vielleicht nicht jede scharfe Sanktion gerne mitmachen wollen, weil sie eben erstens auch wirtschaftliche Interessen haben und zweitens einen Kollaps im Norden befürchten, der dazu führen könnte, dass sie vor einer völlig neuen Situation stehen, mit der sie nicht zurechtkommen.
Heinlein: Ein Kollaps. Welche Folgen könnte das denn haben, wenn jetzt Südkorea und auch andere Länder ihre Hilfen, die es ja gibt, für die bitterarme Bevölkerung einstellen? Hat man die Sorge in Südkorea, dass es dann zu einer Art Kurzschlussreaktion von Kim Jong Il kommen könnte?
Niemann: Ja, genau. Es gibt im Grunde genommen zwei Gründe für die Angst. Den einen hatten Sie eben genannt, dass bei einem weiteren Abschnüren des Regimes von Hilfe von außen eine Kurzschlussreaktion stattfinden könnte. Das wäre ja auch die logische Konsequenz von dem, was der Norden bisher gemacht hat, also durchaus wahrscheinlich. Oder eben ein Kollaps des Regimes, der zu einem Riesen Strom von Flüchtlingen in den Süden führen könnte, der auch den geopolitischen Interessen Chinas natürlich entgegenstünde.
Heinlein: Was bleibt denn dann an Reaktionen? Eine militärische Auseinandersetzung wird ja von allen Seiten ausgeschlossen. Sanktionen treffen vor allem die Bevölkerung. Also muss Südkorea gemeinsam mit den anderen Nationen weiter auf diese Gespräche setzen, um Nordkorea zur Aufgabe des Atomprogramms bewegen zu können?
Niemann: Ja. Die militärische Option ist hier kein gangbarer Weg, da sie zur völligen Zerstörung der koreanischen Halbinsel führen würde, wenn nicht zu mehr. Diese Variante ist völlig ausgeschlossen. Deshalb muss man sich jetzt überlegen, welche anderen Wege man gehen kann, und da gibt es nicht viele.
Heinlein: Was wird diskutiert in Südkorea?
Niemann: Na ja einerseits, dass man die Hilfslieferungen drosselt. Das hat man eigentlich schon getan. Aber dann stellt sich wiederum die Frage: Gibt man auch teuere Großprojekte auf, die sehr erfolgreich gelaufen sind, wie zum Beispiel die Industrieentwicklungszone Kesong im Süden Nordkoreas oder das inzwischen sich wirtschaftlich sehr gut rentierende Kungang-Gebirge-Tourismusprojekt. Das sind ja auch alles Projekte, wissen Sie, die neue Ideen nach Nordkorea herein tragen und somit auch durchaus einen psychologischen Wert haben. Die Friedrich-Naumann-Stiftung macht seit zweieinhalb Jahren Fortbildungskurse zur Marktwirtschaft. So haben wir versucht, auch dazu beizutragen, dass ein Wandel von innen stattfindet. Und es gab auch seit 2002 vor allem eine Tendenz zur Öffnung des Landes, auch zum Aufbau weiterer Wirtschaftsbeziehungen, aber in Nordkorea wird dies immer dem Sicherheitsbestreben des Regimes untergeordnet und da zieht Kim Jong Il und seine Führungselite ganz klar die Grenze.