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Fritz Kuhn: In Ruhe eine Entscheidung treffen

Die Bündnis-Grünen wollen erst im September über ihr Abstimmungsverhalten bei der Wahl des Bundespräsidenten entscheiden. Erst nach der Landtagswahl in Bayern seien die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung klar, betonte Fritz Kuhn, Fraktionsvorsitzender der Partei. Die mögliche SPD-Kandidatin Gesine Schwan bezeichnete er als respektable Anwärterin.

    Jürgen Liminski: Vor ein paar Wochen noch schien es völlig klar zu sein: Bundespräsident Köhler wird auch für eine zweite Amtszeit kandidieren und gewählt werden. Heute ist das fraglich, denn die SPD schickt sich an, eine eigene Kandidatin aufzustellen. Was fehlt, ist noch die Mehrheit dazu. Hier kommen die kleineren Parteien, also die FDP und die Grünen, ins Spiel und damit auch koalitionspolitische Spekulationen. Wie entschieden oder entscheidend sind die potenziellen Koalitionspartner? Zu dieser Frage begrüße ich den Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Fritz Kuhn, guten Morgen, Herr Kuhn!

    Fritz Kuhn: Guten Morgen!

    Liminski: Herr Kuhn, sind Sie mit Bundespräsident Köhler zufrieden, so wie die überwiegende Mehrheit der Bundesbürger?

    Kuhn: Wir haben noch keine abschließende Bilanz gezogen, haben uns auch vorgenommen, dies zu tun, wenn wir wissen, wie sich der Herr Köhler entscheiden wird in Bezug auf eine Wiederkandidatur. Es gibt bei uns Punkte, die positiv angekommen sind, es gibt auch Punkte, die kritischer angekommen sind, aber wie gesagt, eine Bilanz werden wir ziehen, wenn wir wissen vom Herrn Köhler aus, wie die Lage ist. Dann muss man bei uns intern erst mal beraten, das werden wir nicht gleich über die Medien tun, wie man das sieht. Alles zu seiner Zeit.

    Liminski: Aber Sie selber sind doch mit dem Bundespräsidenten und seiner Arbeit, seinen Auftritten zufrieden?

    Kuhn: Noch mal: Es gibt Punkte, die wir gut finden, zum Beispiel, dass er sehr richtig Gesetze, die nicht gehen, auch aufgehalten hat und einiges andere mehr, aber es gibt auch Punkte, wo es Kritik gegeben hat. Noch mal: Wenn Köhler gesagt hat, wie er sich entscheidet, dann werden wir natürlich in der internen Beratung bilanzieren und dann weitersehen.

    Liminski: Gibt es denn schon einen Trend innerhalb der Partei? Können Sie so etwas ausmachen?

    Kuhn: Wir haben uns Folgendes vorgenommen: Wir werden erstens warten, was Herr Köhler, der Bundespräsident, vorhat zu tun, und wir werden zweitens die bayrische Landtagswahl abwarten. Weil bei der Landtagswahl in Bayern wird noch erst mal richtig festgestellt durch die Wähler, wie die Mehrheitsverhältnisse bei der Bundesversammlung sein werden, und je nachdem ergibt sich eine andere Konstellation. Die vorschnelle Art, wie sie der Herr Westerwelle an den Tag gelegt hat nach dem Muster frühe Festlegung auf Köhler, ist ja schon schiefgegangen. Ich behaupte, dass Westerwelle mit diesem taktischen Coup dem Herrn Bundespräsidenten eher geschadet hat.

    Liminski: Westerwelle hat sich festgelegt, wie Sie sagen, zwar recht früh, noch vor der Union, die Union will nun auch Köhler wiederwählen. Wenn die Grünen das auch wollten, scheint dann die Sonne auf Jamaika?

    Kuhn: Nein. Wir werden nicht zur Bundestagswahl hin irgendwelche Jamaika-Koalitionssignale aussenden, darauf können Sie sich verlassen, das wird nicht funktionieren. Wir schauen jetzt erst mal im September nach der bayrischen Landtagswahl, wie es genau aussieht. Ich kann auch zu der möglichen Kandidatur von Frau Schwan sagen: Die ist natürlich eine respektable Kandidatin. Und dennoch gilt eines, nämlich: Ohne die Grünen wird man nicht von einer möglichen Kandidatin zu einer aussichtsreichen Kandidatin. Da sind noch viele Gespräche notwendig, und wie gesagt, im September, nicht jetzt, im Mai 2008, wird man sehen, auf wen wir uns festlegen.

    Liminski: Sie sagen richtig, die Grünen könnten so oder so das Zünglein an der Waage sein. Wenn Sie nun dem SPD-Vorsitzenden in dieser Frage einen Rat geben müssten, wie könnte der aussehen, oder wären es, da Sie ja noch nicht entschieden sind, eher Bedingungen?

    Kuhn: Ich würde erst mal sagen, die SPD muss gucken, dass sie aus dieser Konfusion rauskommt, in der sie gegenwärtig ist. Das wirkt ja nicht besonders ruhig und stabil. Man weiß nicht genau, was die SPD eigentlich will, das macht es nicht einfacher. Aber ich will noch mal deutlich sagen: Die Grünen kann man nicht ignorieren in dem Spiel, man kann sie nicht als Gefolgschaft der SPD bezeichnen. Da muss man noch viel sprechen. Weil wir über das Amt einer Bundespräsidentin oder des Bundespräsidenten reden, ist dieses, was man noch sprechen muss, übrigens von großer Ruhe und Ernsthaftigkeit geprägt. Das heißt, vorschnelle Auftritte, in den Medien Kandidaten zu nennen, die dann verheizt werden, hin und her, ist mit der Bedeutung dieses Amtes nicht vereinbar. Wir sagen klar: Ohne die Grünen wird man nicht zum aussichtsreichen Kandidat oder Kandidatin. Im September werden wir uns dann festlegen können und vorher rate ich, diese, wie Max Weber das genannt hat, "sterile Aufgeregtheit" in dem Prozess etwas rauszunehmen.

    Liminski: Das heißt, überhaupt nicht mehr über diese Frage zu sprechen, auch in der Öffentlichkeit nicht, und es einfach mal abzuwarten, wie Bayern ausgeht und was Köhler selber sagt?

    Kuhn: Wir sind klar festgelegt. Wir warten erst mal, wie sich Köhler entscheidet – ich will noch mal sagen, die Vorfestlegung von Westerwelle und Merkel, bevor er überhaupt sagt, ob er kandidieren will, das ist schon eine politische Zumutung –, dann Bayern abzuwarten, denn ohne die klare Definition der Mehrheitsverhältnisse in der Versammlung kommt man ja auch nicht weiter, und dann in Ruhe eine Entscheidung zu treffen, mit der man dann wirklich aussichtsreich in diese Entscheidung gehen kann. Das wird die Rolle und die Art und Weise sein, wie wir das Thema behandeln.

    Liminski: Damit bewegen Sie sich eigentlich ja auf der Linie des SPD-Vorsitzenden Beck.

    Kuhn: Wenn man wüsste, was seine Linie gerade ist, dann mag dies so sein, aber die SPD hat ja eine öffentliche Diskussion angefangen, von der sie dann jetzt sagt, sie will sie eigentlich gar nicht. Wie gesagt, da ist zu viel Konfusion drin, aber ich hoffe, dass sich das klären wird.

    Liminski: Neben Jamaika gäbe es für Sie noch eine andere Option, nämlich ein rot-rot-grünes Bündnis. Auch dafür könnte bei der Bundespräsidentenwahl ein Weg geebnet werden. Wäre das denn eine Option für Sie, würden Sie das von vornherein ausschließen? Ich meine jetzt nur für die Bundespräsidentenwahl.

    Kuhn: Beim Amt des Bundespräsidenten oder der Bundespräsidentin muss man natürlich erst mal gucken: Welche Person ist gut geeignet für dieses Amt? Da kann man nicht nur Koalitionskonstellationen abarbeiten. Zweitens, wenn wir uns im September anschauen, wie die Lage ist, und die Bayern-Wahl wird ja auch Aufschluss geben über die Mehrheit in der Bundesversammlung, auch dies wird man berücksichtigen müssen und alles weitere sehen wir wirklich im September. Ich will meine Maxime jetzt nicht spekulieren, jetzt nicht aufgeben.

    Liminski: Die Grünen warten ab. Das war der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Fritz Kuhn, besten Dank für das Gespräch, Herr Kuhn!

    Kuhn: Ich danke Ihnen!